Gesundheit

Experten warnen: Schütteln ist für Babys lebensgefährlich

Dr. Christina Jaki (Leiterin Stuttgarter Pädiatrie- und Patienten Simulator [STUPS] Klinikum Stuttgart) erläutert anhand einer speziellen Puppe, was bei einem Schütteltrauma im Gehirn eines Babys passiert.
Dr. Christina Jaki (Leiterin Stuttgarter Pädiatrie- und Patienten Simulator [STUPS] Klinikum Stuttgart) (Mitte) erläutert Staatssekretärin Bärbl Mielich (links), was bei einem Schütteltrauma im Gehirn eines Babys passiert.
Blick auf voll besetzten Konferenztisch mit Staatssekretärin Bärbl Mielich
Gemeinsame Pressekonferenz des Ministeriums für Soziales und Integration, des Klinikums Stuttgart und der Techniker Krankenkasse (TK) in Baden-Württemberg
Staatssekretärin Bärbl Mielich spricht an Veranstaltungstisch
Staatssekretärin Bärbl Mielich
Privatdozent Dr. Markus Blankenburg (Ärztliche Direktor der Neuropädiatrie im Olgahospital) spricht bei Veranstaltung
Privatdozent Dr. Markus Blankenburg (Ärztliche Direktor der Neuropädiatrie im Olgahospital) (3. v. l.): „Die frühe Hilfe und die Aufklärung der Eltern über mögliche Folgen des Schüttelns sind wichtig, um die schweren Folgen eines Schütteltraumas, wie zum Beispiel Hirnblutungen, eine Epilepsie und eine lebenslange schwere Behinderung zu vermeiden.“
Dr. Andreas Oberle (Ärztliche Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ)) spricht bei Veranstaltung
Eine frühzeitige Hilfestellung trage dazu bei, die oft sehr belastende Situation zu entschärfen und die sensible Beziehung zwischen Mutter, Vater und Kind positiv zu beeinflussen, sagte Dr. Andreas Oberle (Ärztliche Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ)) (1. v. r.).
Gruppenfoto mit Astrid Matheis und Angela Maier (Pflegerische Elternberatung Olgahospital), Dr. Jan Steffen Jürgensen (Geschäftsführender Ärztl. Direktor des Klinikums Stuttgart), Staatssekretärin Bärbl Mielich, Privatdozent Dr. Markus Blankenburg (Ärztliche Direktor der Neuropädiatrie im Olgahospital), Andreas Vogt (Leiter TK-Landesvertretung Baden-Württemberg), Dr. Andreas Oberle (Ärztliche Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ)) und Dr. Christina Jaki (Leiterin Stuttgarter Pädiatrie- und Patienten Simulator [STUPS] Klinikum Stuttgart)
Von links: Astrid Matheis und Angela Maier (Pflegerische Elternberatung Olgahospital), Dr. Jan Steffen Jürgensen (Geschäftsführender Ärztl. Direktor des Klinikums Stuttgart), Staatssekretärin Bärbl Mielich, Privatdozent Dr. Markus Blankenburg (Ärztliche Direktor der Neuropädiatrie im Olgahospital), Andreas Vogt (Leiter TK-Landesvertretung Baden-Württemberg), Dr. Andreas Oberle (Ärztliche Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ)) und Dr. Christina Jaki (Leiterin Stuttgarter Pädiatrie- und Patienten Simulator [STUPS] Klinikum Stuttgart)

Dass man die Nerven verlieren kann, wenn ein Baby nur noch schreit, können sich wohl viele Eltern vorstellen. Die Sicherung darf aber dennoch niemals durchbrennen: Wird ein Kind geschüttelt, ist das lebensgefährlich. Das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg, das Klinikum Stuttgart und die Techniker Krankenkasse (TK) wollen Eltern aufklären und unterstützen. „Jedem betroffenen Baby mit Schütteltrauma werden wesentliche Entwicklungschancen geraubt – dazu darf es nicht kommen“, sagt Bärbl Mielich, Staatssekretärin im Landesgesundheitsministerium.

Es schreit und schreit und schreit. Hungrig kann das Baby eigentlich nicht sein. Die Windel ist auch nicht voll. Ist es müde? Warum schläft es dann nicht? Es schreit, irgendwann liegen die Nerven bei dem jungen Vater blank. Die Sicherung brennt durch. Er schüttelt das Neugeborene – und weiß gar nicht, was er dem Kind damit antut. Bis zu 200 Babys in Deutschland erleiden Jahr für Jahr Hirnschäden durch ein Schütteltrauma. Lebensgefährlich ist das und hat oft lebenslange, schlimme Folgen.

Baby-Simulationspuppe zeigt Ablauf eines Schütteltraumas

Stuttgarts „Shaken Baby“ trägt ein rosa Shirt. Mit der Puppe aus dem Simulationszentrum des Klinikums lassen sich die Auswirkungen des Schüttelns demonstrieren. Der Kopf fällt vor und zurück. Die noch schwach ausgeprägte Nackenmuskulatur kann ihn gar nicht halten. Ohnehin ist der Kopf im Vergleich zum Körper noch riesig und macht beim Baby 25 Prozent des Körpers aus. Beim Erwachsenen sind es nur zehn.

Dann blinken rote Warnlichter am Plastikgehirn. Erst am Hinterkopf, wo in diesem Moment nie wieder gut zu machende Sehstörungen drohen. Dann blinkt es auch dort, wo eigentlich das Leben lang die Motorik von Händen und Füßen gesteuert werden soll. Und schließlich leuchtet es rot auch dort, wo das Gehirn die Persönlichkeit ausbildet, Emotionen verarbeitet. „Irgendwann wird das Kind bewusstlos“, sagt Christina Jaki, Leiterin des Stuttgarter Pädiatrie- und Patienten Simulators STUPS. Hirnblutungen, Epilepsie oder lebenslange schwere Behinderungen können die Folge sein.        

Jedes fünfte Kind mit einem schweren Schütteltrauma sterbe, berichtet Markus Blankenberg, Direktor der Neuropädiatrie. Das Schütteltrauma sei die häufigste nichtnatürliche Todesursache im ersten Lebensjahr. Und von denen, die überleben, trügen gut 70 Prozent schwere neurologische Schäden davon, die sich ein Leben lang nicht beheben ließen. Nervenfasern könnten einreißen, Blutgefäße ebenso. „Wenn wir die Diagnose Schütteltrauma haben, ist es eigentlich schon zu spät.“  

Strategie und mögliche Lösungen vorab überlegen

Doch was rät man Eltern, dessen Wunschkind sich als Schreikind entpuppt? Im Grunde müssten sich alle werdenden Eltern darüber klar sein, sagt Jaki, dass sie mal an ihre Grenzen kommen können. „Man sollte sich vorher dafür eine Strategie überlegen.“ Im Notfall sei es dann sehr schwierig, richtig zu reagieren. Das Baby an einen sicheren Ort zu legen und kurz vor die Tür zu gehen, könne die Situation zum Beispiel lösen helfen.

Meist seien es die Väter oder männlichen Erzieher, die in einem Moment der Ohnmacht und Überforderung die Beherrschung verlieren, sagt Mielich. Sie spricht von einem „Akt der Verzweiflung“. Das Leben braucht einen Rhythmus, rät Angela Maier von der Familienberatung Stuttgart, und das Baby seine festen Ruhezeiten. Körperkontakt könne wichtig sein, ruhige und sanfte Sprache auch. „Singen hilft vielleicht“, sagt Maier.  

Ziel sei eine frühe und niedrigschwellige Hilfe für Eltern, sagt Andreas Oberle, Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums. Wenn das Baby viel schreie, fühlten sich Eltern oft unzulänglich, machtlos und allein. 480 Eltern suchten allein in Stuttgart Jahr für Jahr Hilfe. Sie bräuchten ein Netz, das sie auffange. Frühzeitige Hilfe von der Hebamme bis zum Kinderarzt könne belastende Situationen entschärfen. Andreas Vogt von der TK Baden-Württemberg ergänzt: „Es ist uns wichtig, auf die Gefahr hinzuweisen, die in der Überforderung liegt.“

Gemeinsame Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums Baden-Württemberg, des Klinikum Stuttgart und der Techniker Krankenkasse Baden-Württemberg

Quelle:

dpa
// //