Ältere Menschen

Neuausrichtung der Seniorenpolitik

Ältere Frauen und Männer in Kursraum

„Ältere Menschen in Baden-Württemberg haben sehr genaue Vorstellungen darüber, unter welchen Voraussetzungen gutes Altern gelingen kann. Und sie haben den Willen und die Fähigkeiten, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen.“ Das ist nach den Worten von Sozialministerin Katrin Altpeter das Ergebnis von vier seniorenpolitischen Werkstattgesprächen. Deren Auswertung stellte die Ministerin auf einer gemeinsamen Landespressekonferenz mit dem Vorsitzenden des Landesseniorenrates Roland Sing vor.

Die Werkstatt-Empfehlungen etwa zu selbstbestimmtem Leben und Wohnen im Alter, generationenübergreifender Solidarität, zu den Potenzialen älterer Menschen sowie  zur Beratung vor der Pflegephase bilden eine wichtige Grundlage für den neuen „Kompass Seniorenpolitik“. Dieses Gesamtkonzept für eine neue Seniorenpolitik in Baden-Württemberg, das das Sozialministerium derzeit federführend unter Beteiligung der anderen Ressorts erarbeitet, wird im Herbst vorliegen. Auf der Pressekonferenz stellte die Ministerin zugleich erste politische Konsequenzen aus den Werkstattgesprächen vor.

Altpeter: „Die Landesregierung stellt sich der Aufgabe, die Seniorenpolitik angesichts der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft neu auszurichten und vorausschauend zu gestalten.“ Die Einbeziehung von Menschen, die durch Beruf oder ehrenamtliches Engagement über Wissen und Erfahrung in der Arbeit mit und für ältere Menschen verfügen, in diesen Prozess sei ein großer Gewinn. „Die Lebenswirklichkeit der Älteren muss und wird sich in der Neuausrichtung der Seniorenpolitik widerspiegeln.“ Sie hoffe, dass die vielen Anregungen und Ideen der Werkstattgespräche überall im Land Diskussionen anstoßen und Veränderungen bewirken.

Der Vorsitzende des Landesseniorenrates, Roland Sing, unterstützt den von der Landesregierung mit dem „Kompass Seniorenpolitik“ beabsichtigten Perspektivwechsel in der Seniorenpolitik: „Bisher verstehen viele Menschen Alter vorwiegend als eine Lebensphase der Sorgen und Hilfebedürftigkeit. Dieses Bild entspricht aber vielfach nicht mehr der Realität. Ältere sind heute oft viel länger gesund und aktiv als früher. Wenn die Landesregierung sie noch stärker als bisher dabei unterstützen will, sich und ihr Wissen in die Gesellschaft einzubringen, dann bedeutet das einen großen Gewinn für alle.“

Sing stellte auch die Ergebnisse einer Umfrage im Land zu den Aktivitäten der Seniorenräte in den Jahren 2012 und 2013 vor. Die Auswertung zeige eine Vielfalt an Angeboten und sei der Beweis für ein lebendiges ehrenamtliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg.

Erste Konsequenzen aus den Werkstattgesprächen

Dass die eingebrachten Vorschläge schon jetzt unmittelbare Auswirkungen auf die Politik im Land haben, belegte die Ministerin anhand einiger Beispiele. So habe sie u. a. aufgrund der Rückmeldungen aus den Werkstattgesprächen entschieden, das 2014 zunächst als Pilotvorhaben erprobte Förderprogramm „Generationendialog in Baden-Württemberg“ weiterzuführen. Damit werden Mehrgenerationenhäuser und Mütter- und Familienzentren dabei unterstützt, Menschen verschiedenen Alters den Aufbau von sozialen Netzwerken auch außerhalb der Familie zu ermöglichen.

Auch die 2014 erfolgreich abgeschlossene Neuausrichtung der Ehrenamtspolitik in Baden-Württemberg trägt den Erwartungen der Seniorinnen und Senioren Rechnung. Im Rahmen der „Engagementstrategie“ sind in vielen Städten und Gemeinden Projekte vorgesehen, die sich mit Generationendialog, Engagement im Alter oder in der Pflege beschäftigen. Diese werden mit bis zu 30.000 Euro gefördert.  

Eine weitere Konsequenz aus den seniorenpolitischen Werkstattgesprächen bezieht sich auf die Forderung nach gemeinschaftlichem Wohnen im Alter: Um den Aufbau von Pflege-WG’s im Land voranzubringen, plant die Ministerin, das „Innovationsprogramm Pflege“ 2015 so auszugestalten, dass die Investitionen einiger innovativer ambulant betreuter Wohngemeinschaften gefördert werden können. Altpeter setzt sich zudem für den flächendeckenden Ausbau von Pflegestützpunkten im Land ein, damit Menschen unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu einer zentralen Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema Pflege haben.

Um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden und den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen, geht das Ministerium ebenfalls neue Wege. Gemeinsam mit Pflegekassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung und den kommunalen Landesverbänden hat die Ministerin das Modellprojekt „Präventive Hausbesuche“ aufgelegt, für das insgesamt 800.000 Euro zur Verfügung stehen. Im Rahmen des Projekts suchen eigens geschulte Beraterinnen und Berater ältere Menschen zuhause auf, um sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf konkrete Unterstützungsmöglichkeiten hinzuweisen.

Ergänzende Informationen:

Bereits heute sind in Baden-Württemberg etwa 2,1 Mio. Menschen und damit fast ein Fünftel der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes könnte sich dieser Anteil bis 2030 auf ein Viertel erhöhen.

Die vorgestellten Empfehlungen wurden im vergangenen Jahr bei vier seniorenpolitischen Werkstattgesprächen in Stuttgart, Freiburg, Bruchsal und Biberach an der Riss von zusammen rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erarbeitet. Teilgenommen haben u. a. Mitglieder von Seniorenräten und Verbänden, Beschäftigte von Kreisen und Gemeinden, der Wirtschaft und der Forschung aller Altersgruppen mit und ohne Migrationshintergrund.

Zentrale Ergebnisse der Werkstattgespräche

Bei den Werkstattgesprächen haben sich die Teilnehmenden mit vielfältigen Themen auseinandergesetzt, darunter „Wohnen im Alter“, „gesellschaftliche Teilhabe“, „Pflege und Versorgung“, „Mobilität im Alter“ und „Engagement und Beteiligung“. Beispielhaft für die erarbeiteten Vorschläge sind:

  • Gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltung: Ältere Menschen sehen sich in der Verantwortung, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun, eigenes Wissen weiterzugeben und die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Aus Sicht der Werkstattbeteiligten schlummert hier noch viel ungenutztes Potenzial, das durch geeignete Konzepte erschlossen werden sollte. Zudem wünschen sie mehr Informations- und Beratungsangebote für Ältere.
  • Solidarität der Generationen: Angesichts sich verändernder Familienstrukturen wird für Ältere der soziale Zusammenhalt zwischen verschiedenen Generationen außerhalb der eigenen Familien zunehmend wichtiger. Seniorinnen und Senioren wünschen sich mehr Orte, an denen die Menschen zusammenkommen und Beziehungen zueinander aufbauen können. Sie wünschen sich Konzepte und Programme, die generationenübergreifende Solidarität fördern.
  • Mobilität: Die Aufrechterhaltung von Mobilität wird angesichts ihrer Bedeutung für den Alltag als Grundbedürfnis begriffen. Seniorinnen und Senioren fordern entsprechende Verkehrskonzepte und Angebote gerade auch für den ländlichen Raum.
  • Pflege und Wohnen: Ältere Menschen haben den Wunsch, auch bei Krankheit, Pflege- und Unterstützungsbedarf möglichst lange im eigenen Zuhause oder in einer gemeinschaftlichen Wohnform im vertrauten Umfeld leben zu können. Erforderlich dafür sind aus ihrer Sicht eine altersgerechte Wohn- und Versorgungsinfrastruktur, eine lebendige Nachbarschaft und ein entsprechendes Angebot von Dienstleistungen vor Ort.
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