Nach dem Willen von Sozialministerin Katrin Altpeter sollen in Baden-Württemberg für Menschen mit besonders schweren Behinderungen spezielle öffentliche Toiletten eingerichtet werden. Diese sollen etwa durch eine höhenverstellbare Liege und einen elektrischen Personen-Lifter speziell auf deren Bedürfnisse ausgerichtet werden.
Deshalb hat die Ministerin ein neues Projekt ins Leben gerufen, bei dem die Betreiber etwa von Sportstadien, Einkaufszentren, Museen, Stadthallen, Hotels und Gaststätten, aber auch die Kommunen im Land für die Einrichtung solcher Toiletten gewonnen und bei einer Realisierung beraten werden sollen. Eine Internetseite soll dann landesweit über Standorte, Ausstattung und Zugangsmöglichkeiten informieren.
Bislang gibt es in Baden-Württemberg noch keine so genannte „Toilette für alle“. „Ein unhaltbarer Zustand, den wir im Interesse der Betroffenen und ihrer Begleitung dringend ändern müssen“, sagte die Ministerin. Partner des mit rund 200.000 Euro ausgestatteten Projekts des Sozialministeriums ist der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderungen Baden-Württemberg.
Lebensqualität der Betroffenen verbessern
Menschen mit schweren Behinderungen können oftmals weder eine allgemeine noch eine Behinderten-Toilette benutzen, weil sie Assistenz und eine Liege zum Wechseln der Windeln brauchen. Deshalb müssen sie und ihre Angehörigen und Assistenten improvisieren, etwa indem sie auf den Boden einer Rollstuhltoilette oder die Rückbank eines Autos ausweichen. In einer „Toilette für alle“ hingegen finden sie alles, was sie für ihre persönliche Hygiene brauchen. Der Raum soll groß genug für eine höhenverstellbare Liege und einen elektrischen Personen-Lifter sein, der die betroffenen Personen sicher vom Rollstuhl auf das WC oder die Liege hebt. Dort liegen sie bequem und hygienisch, während die Begleitperson die Inkontinenzeinlage wechselt. Wenn genügend Platz ist, können auch bereits bestehende Behinderten-Toiletten nachträglich entsprechend ausgestattet werden.
„Sich auf dem Boden einer öffentlichen Toilette wickeln lassen zu müssen, das empfinden Betroffene zu Recht als entwürdigend und unzumutbar“, so Ministerin Altpeter. Die Landesregierung arbeite konstant daran, bestehende Benachteiligungen aufgrund von Behinderungen abzubauen und echte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Sie sei sicher, dass das Projekt dazu beitragen wird, „die Alltagsgestaltung von Betroffenen und ihren Angehörigen und Assistenten massiv zu erleichtern. Angesichts der Umstände bleiben bislang viele Familien mit betroffenen Angehörigen lieber zuhause anstatt einen Ausflug oder einen Stadtbummel zu machen. Da fehlt ein großes Stück Lebensqualität“, sagte sie.
Bedarf für „Toilette für alle“ wird künftig weiter zunehmen
Zu den Betroffenen zählen vor allem Menschen mit angeborenen schweren und mehrfachen Behinderungen, Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma, Menschen, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, Menschen mit Querschnittlähmung sowie ältere Menschen, die schwer pflegebedürftig und/oder dement sind. Aber auch Menschen mit Inkontinenzbedarf profitieren davon. Zwar gibt es weder für Deutschland noch für Baden-Württemberg eine aussagekräftige Statistik zur Zahl der Betroffenen, aber allein der Kreis der Menschen mit angeborenen schweren und mehrfachen Behinderungen geht in die Zigtausende. Angesichts der steigenden Zahl der hochbetagten Menschen kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Betroffenen künftig weiter zunimmt.
Ergänzende Informationen
Europaweiter Vorreiter bei der Einrichtung von „Toiletten für alle“ ist Großbritannien. Dort wurde die Kampagne „changing places“ aufgelegt, die erfolgreich für „Orte zum Wechseln“ wirbt und deren Standorte und Öffnungszeiten im Internet veröffentlicht werden. In Deutschland übernahm die Stiftung „Leben pur“ die Kampagne 2013 und wirbt mit der Unterstützung der Aktion Mensch für die Umsetzung von „Toiletten für alle“. Inzwischen sind in Bayern fünf „Toiletten für alle“ eingerichtet. Als erste Kommune in Baden-Württemberg hat die Stadt Stuttgart vor kurzem angekündigt, die Einrichtung einer „Toilette für alle“ zu prüfen.