Für sein jahrzehntelanges außergewöhnliches Engagement für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha in Friedrichshafen am Bodensee Professor Dr. Paul-Otto Schmidt-Michel das von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehene Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgehändigt.
Professor Schmidt-Michel gilt als Pionier der Sozialpsychiatrie zwischen 1990 und 2015 und maßgeblicher Initiator der Psychiatrie-Reformen in Baden-Württemberg.
„Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen am gesellschaftlichen Leben immer weiter voranzubringen: Diesen Gedanken allen Widerständen zum Trotz Realität werden zu lassen, das prägt das Lebenswerk von Professor Paul-Otto Schmidt-Michel. Ob als junger, wilder Student oder Arzt, ob als Professor in Ulm oder Ärztlicher Direktor des Zentrums für Psychiatrie in Weissenau: Paul-Otto Schmidt-Michel kämpfte hartnäckig und erfolgreich gegen die inakzeptablen, oft menschenverachtenden Verhältnisse in den damaligen psychiatrischen Anstalten, gegen die Abschottung und Stigmatisierung und für die Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen in die Mitte unserer Gesellschaft. Mit seinem unermüdlichen Engagement hat er ein ganz wesentliches Stück Psychiatriegeschichte in Deutschland mitgeschrieben und sich um unser Land verdient gemacht“, so Minister Lucha anlässlich der Feierstunde im Landratsamt des Bodenseekreises.
Baden-württembergische Psychiatrie-Reform vorangetrieben
Professor Schmidt-Michel machte sich in den 1980er- und 1990er-Jahren mutig auf, die baden-württembergische Psychiatrie-Reform voranzutreiben. Damit traf er den Puls der damaligen Zeit. Der Mensch sollte immer im Mittelpunkt stehen, psychisch Kranke sollten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben dürfen, so sein Credo. In diesem Zuge setzte er sich für psychisch Kranke ein, die jahrzehntelang nicht als gesellschaftlich integrierbar galten und oft mehr als ihr halbes Leben lang weggesperrt und isoliert auf Langzeitstationen verbringen mussten. Schmidt-Michels Herzensprojekt war die Wiedereinführung der psychiatrischen Familienpflege in Deutschland, die im 19. Jahrhundert unter Psychiatern diskutiert worden, doch dann weitgehend in Vergessenheit geraten war.
„Heute ist es unser oberstes Gebot, psychisch kranken Menschen Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen und sie nicht auf ihre Erkrankung zu reduzieren. Nicht Abschottung, sondern Teilhabe – das ist das Ziel. Dass sich diese Ansicht heute zum Glück gesellschaftlich breit durchgesetzt hat, das verdanken wir zu einem großen Teil Paul-Otto Schmidt-Michel“, betonte Lucha.
Professor Schmidt-Michel wirkte maßgeblich in den Vereinen Arkade und Pauline 13 mit und prägte das dortige Engagement nachhaltig. Dabei leitete ihn stets das Ziel, Menschen mit psychischen Erkrankungen ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es ihm ein großes Anliegen, den Menschen, die den Gräueltaten des Nationalsozialismus zum Opfer fielen, ein Stück ihrer Würde zurückgegeben. Das Denkmal der Grauen Busse, das an den vielfachen Mord der Nationalsozialisten an Kranken und Menschen mit Behinderungen erinnert, geht zu einem großen Teil auf den Einsatz von Professor Schmidt-Michel zurück. Sein Engagement ist deshalb ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen und für eine lebendige Erinnerungskultur.
Dank der Landesregierung für gelebte Mitmenschlichkeit
„Vor allem in Zeiten wie diesen, in denen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Hass und Hetze leider wieder zunehmen und unsere Gesellschaft von innen bedrohen, brauchen wir engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich unerschrocken und mit offenem Visier für Offenheit und Demokratie, für Vielfalt und Toleranz einsetzen. Für sein vorbildliches Engagement danke ich Professor Paul-Otto Schmidt-Michel im Namen der gesamten Landesregierung sehr herzlich. Sein vorbildhafter Einsatz und seine gelebte Mitmenschlichkeit verdienen unser aller Respekt“, so Minister Lucha abschließend.
Der Landrat des Bodenseekreises, Lothar Wölfle, sagte: „Um Geschichte zu verstehen und aus ihr zu lernen, muss man sie kennen und akzeptieren. Deshalb unterstützt der Bodenseekreis mit Nachdruck das Projekt eines Gedenkbuches an die sogenannte Euthanasie konkret hier in unserer Region. Diese Verbrechen und ihre Opfer dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Zu wissen, dass sich diese menschlichen Schicksale hier in unserer Region ereignet haben, macht besonders betroffen. Ich bin Professor Schmidt-Michel persönlich sehr dankbar dafür, dass er mit viel Energie und Beharrlichkeit daran arbeitet, die Gesichter und Geschichten dieser Menschen sichtbar zu machen und für die Nachwelt zu bewahren.“