Um neue und zukunftsweisende Wege der Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg zu erproben, fördert das Gesundheitsministerium elf weitere lokale Gesundheitszentren, auch Primärversorgungszentren genannt. Insgesamt stellt das Land in diesem Jahr 10 Millionen Euro zur Verfügung.
Um neue und zukunftsweisende Wege der Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg zu erproben, fördert das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration elf weitere lokale Gesundheitszentren, auch Primärversorgungszentren genannt. Unterstützt werden Projekte in Aulendorf, Bubsheim, Calw, Friedrichshafen, Wilhelmsdorf, Bad Liebenzell, Jestetten, Konstanz, Bad Waldsee, Schömberg und Wildberg mit Beträgen zwischen 150.000 und 260.000 Euro. Das hat Gesundheitsminister Manne Lucha am Donnerstag (1. September) in Stuttgart bekannt gegeben.
„Die Landschaft der Gesundheitsversorgung ist zurzeit stark im Wandel – diesen gestalten wir aktiv mit. Bislang wenden sich die Menschen bei gesundheitlichen Anliegen vor allem an ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt. Diese Rolle nehmen künftig auch die Primärversorgungszentren ein“, erklärte Lucha. „In den Primärversorgungszentren arbeiten Angehörige unterschiedlichster Gesundheitsberufe Hand in Hand unter einem Dach. In enger Zusammenarbeit bieten sie den Bürgerinnen und Bürgern hier eine umfassende und schnelle Betreuung in gesundheitlichen Fragen. Die Menschen werden immer älter und haben mehr chronische Erkrankungen – dafür braucht es die Zusammenarbeit der verschiedenen Facharzt-Disziplinen. Genau das geschieht in solchen Zentren, in denen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte keine Einzelkämpfer sind. Und das ist auch das, was die Menschen brauchen, wenn sie von Medizin vor Ort reden. Gerade in ländlichen Regionen sichern sie damit die Gesundheitsversorgung und entlasten gleichzeitig Krankenhäuser.“
Insgesamt 10 Millionen Euro stellt das Land dafür in diesem Jahr zur Verfügung. Bereits im Juli hatte es eine erste Förderrunde mit zehn Projekten in Baden-Württemberg gegeben.
Projektliste der jetzigen Förderrunde
Folgende Projekte wurden in der jetzigen Förderrunde zusätzlich ausgewählt:
- Aulendorf: „Primärversorgungsnetzwerk Aulendorf“ (165.196 Euro)
- Bubsheim: „Gesundheitsversorgung vor Ort stärken – Community Health Nurses als Gestalterinnen des Primärversorgungs-Netzes ‚Auf dem Heuberg‘" (155.000 Euro)
- Calw: „Verstetigung des Case Managements im Rahmen des hausärztlichen Primärversorgungszentrums Calw" (198.237 Euro)
- Friedrichshafen: „Einbindung und Transformation der Klinik Tettnang in ein sektorenübergreifendes Netzwerk zur Sicherstellung der Versorgung von chronisch kranken Menschen im östlichen Bodenseekreis" (260.906 Euro)
- Wilhelmsdorf: „Primärversorgungszentrum Wilhelmsdorf“ (149.688 Euro)
- Bad Liebenzell: „Aufbau eines Primärversorgungszentrums in Kooperation mit der MEDNOS eG“ (155.000 Euro)
- Jestetten: „Case Manager*innen mit Digitalkompetenz – ein Beitrag zur Primärversorgung im ländlichen Raum“ (155.000 Euro)
- Konstanz: „Sektorenübergreifende Versorgung, Beratung und Begleitung von Familien mit behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Kindern im Landkreis Konstanz“ (48.699 Euro)
- Kreis Ravensburg: „Digitales Primärversorgungsnetzwerk – Bad Waldsee“ (198.000 Euro)
- Schömberg: „Anbindung der Primärversorgungszentren an psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Online Coaching und Diagnostik)“ (192.272 Euro)
- Wildberg: „Primärversorgungszentrum Wildberg“ (200.000 Euro)
Unser Gesundheitswesen in Baden-Württemberg ist auf einem hohen Niveau. Gleichwohl gilt es, angesichts vieler Herausforderungen die Gesundheitsversorgung zukunftsfest zu machen. Deshalb brauchen wir in Baden-Württemberg eine regional passgenaue, gut erreichbare ambulante Gesundheitsversorgung. Lokale Gesundheitszentren, auch Primärversorgungszentren genannt, sind ein wichtiger Baustein, um die kommenden Herausforderungen im Gesundheitssystem zu bewältigen. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, vor Ort die optimale Versorgung zu finden.
In Primärversorgungszentren arbeiten Profis aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen stärker zusammen und betreuen die Patientinnen und Patienten damit umfassend. Hausärztinnen und Hausärzte sind damit natürlich ein wichtiger Bestandteil des Primärversorgungszentrums, das aber noch weitere Angebote umfasst. Es können dort beispielsweise weitere Fachärztinnen und Fachärzte arbeiten, therapeutische Angebote sind möglich (etwa Physio-, Ergo-, Logotherapie) und weitere Angebote wie eine Apotheke, Pflegestützpunkte und Nachsorgeeinrichtungen (wie eine Kurzzeitpflege) sind integrierbar. Möglich ist auch die Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus, wenn dieses in der Nähe liegt.
Die Menschen werden immer älter und haben beispielsweise mehr chronische Erkrankungen – auch dafür braucht es die Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen und therapeutischen Berufsrichtungen. Genau das geschieht in solchen Zentren, wo die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte keine Einzelkämpfer mehr sind. Und das ist auch das, was die Menschen brauchen, wenn sie von Medizin vor Ort reden. Die Primärversorgung stellt den persönlichen Zugangspunkt zum medizinischen System und zu einer Vielzahl an Versorgungsleistungen dar. Für Patientinnen und Patienten sollte perspektivisch der Zugang zum Versorgungssystem über die Primärversorgung gehen.
Kernpunkt des Primärversorgungszentrums ist das sogenannte „Case-Management“. Es vermittelt Patientinnen und Patienten die passenden Versorgungsangebote, leitet sie an andere Gesundheitsprofessionen weiter und hat den Überblick über den gesamten Behandlungsverlauf. Damit leistet das Case-Management einen Beitrag für eine Versorgung aus einer Hand. Und vor allem: Patientinnen und Patienten haben dauerhaft nur einen Ansprechpartner, von dem sie kontinuierlich versorgt werden.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind ärztlich geführte Einrichtungen, in denen Ärztinnen und Ärzte einer Fachrichtung oder auch fachübergreifend zusammenarbeiten. Primärversorgungszentren gehen über das Konzept der MVZ hinaus und beziehen auch andere Gesundheitsprofessionen mit ein.
Die Einzelpraxis ist oft nicht mehr das, was junge Medizinerinnen und Mediziner und der Nachwuchs in anderen Gesundheitsberufen attraktiv finden. Viele bevorzugen heute ein Angestelltenverhältnis und wollen in Teams arbeiten. Die Suche nach Nachfolgern gestaltet sich zunehmend schwierig. Es herrscht somit ein akuter Handlungsbedarf, auf den insbesondere mit lokalem Engagement reagiert werden muss. Landkreise, Städte und Gemeinden können hier helfen, dass die dezentrale, flächendeckende Versorgung erhalten bleibt und ausgebaut wird. Kommunen haben vor diesem Hintergrund das Potenzial, sich als Akteure für die Sicherung der Versorgung für ihre Bevölkerung zu positionieren – auch wenn die ärztliche Versorgung in Zukunft sicherlich weiterhin primär von privatwirtschaftlich betriebenen Praxen und Gesundheitszentren gewährleistet wird.