Zusammenhalt

Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Baden-Württemberg stark und stabil 

Podium
Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha neben Ministerpräsident Kretschmann
Dr. Kai Unzicker, Senior Project Manager „Lebendige Werte“ der Bertelsmann Stiftung erläutert Details, daneben Minister Lucha
Zuhörer im Saal der Landespressekonferenz vor dem Podium

Eine aktuelle Studie der Bertelsmanns-Stiftung zeigt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Baden-Württemberg stark und stabil ist. Gegenüber der vergangenen Studie sind die regionalen Unterschiede kleiner geworden.

Die vom Ministerium für Soziales und Integration geförderte Studie der Bertelsmann Stiftung wurde am Dienstag (14. Januar 2020) in Stuttgart erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Studie hat den Zusammenhalt in Baden-Württemberg im Jahr 2019 unter die Lupe genommen und dabei untersucht, wie zentrale sozialpolitische Handlungsfelder mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Verbindung stehen. Konzeptionell wurden für die Messung des gesellschaftlichen Zusammenhalts Ergebnisse von 36 Fragen (Indikatoren) in neun Dimensionen berücksichtigt. Diese Dimensionen lassen sich den drei Bereichen „soziale Beziehungen“, „Verbundenheit“ und „Gemeinwohlorientierung“ zuordnen. Zusammenhalt wird folglich als Merkmal des Gemeinwesens, und nicht von Individuen, verstanden. Die Ergebnisse sind so aufbereitet, dass pro Dimension insgesamt Werte von 0 bis 100 erreicht werden könnten, wobei der Wert 100 sehr starkem Zusammenhalt und der Wert 0 sehr schwachem Zusammenhalt entspräche. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha sowie Dr. Kai Unzicker, Senior Project Manager „Lebendige Werte“ der Bertelsmann Stiftung, präsentierten die Ergebnisse im Anschluss an die erste Ministerratssitzung im neuen Jahr.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Das Fundament unseres Gemeinwesens ist intakt. Mehr als 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger des Landes fühlen sich dem Land, ihrer Region und ihrem Wohnort sehr verbunden.“ Diese Identifikation sei stärker als noch zwei Jahre zuvor. Und die regionalen Unterschiede des Zusammenhalts innerhalb Baden-Württembergs seien im Vergleich zu 2017 geringer geworden, sagte Kretschmann. 

„Mehr als drei Viertel der Menschen in unserem Land schätzen eine offene und tolerante Gesellschaft. Die Akzeptanz von Menschen mit anderen Wertvorstellungen und Lebensweisen ist in den vergangenen zwei Jahren stark gewachsen“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha. „Trotz der aktuellen einwanderungskritischen Debatten ist die Toleranz gegenüber Menschen anderer Religion sowie Migrantinnen und Migranten nicht gesunken.“ Lediglich sechs Prozent der insgesamt 1.400 Befragten der Studie sagten, es gebe in ihrer Wohngegend große Probleme mit Geflüchteten. Wer allerdings Probleme mit Geflüchteten wahrnehme, erlebe auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt als schwächer. „Das zeigt, wie wichtig unser Pakt für Integration mit den Kommunen ist, für den das Land bis 2021 weitere 70 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellt“, so Lucha weiter.

Ein zentrales Ergebnis der Studie lautet: 4 von 5 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern sind der Ansicht, der Zusammenhalt in ihrer Wohngegend sei gut. Gegenüber dem Jahr 2017 ist dies ein Zuwachs von zehn Prozentpunkten. Im Gegensatz dazu ist im gleichen Zeitraum die Sorge der Befragten um den Zusammenhalt in ganz Deutschland um 3,5 Prozentpunkte auf nunmehr knapp 42 Prozent gestiegen. „Diese beiden Befunde sind kein Widerspruch, sondern zeigen, dass die Menschen in Zeiten der Sorge um den Zusammenhalt der Gesellschaft sich wieder verstärkt auf ihr unmittelbares Umfeld konzentrieren“, erläuterte Projektmanager Dr. Kai Unzicker diese unterschiedlichen Ergebnisse. Hierfür spreche auch, dass die Identifikation mit Nachbarschaft und Wohnort seit 2017 zugenommen habe. 

Die Studie der Bertelsmann Stiftung belegt, dass es einen Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Baden-Württemberg hat, wie konkrete sozialpolitische Maßnahmen vor Ort erlebt werden. „Das zeigt uns, dass eine zielgerichtete Sozialpolitik erheblich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beiträgt“, so Kretschmann. „Dort, wo die soziale Lage gut ist, wo Sozialpolitik ankommt, da ist auch der Zusammenhalt stärker“, resümierte Sozialminister Lucha die Studienergebnisse.

Impulsprogramm für den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Mit den zahlreichen Maßnahmen im Rahmen des Impulsprogramms für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wird sich die Landesregierung auch weiterhin für ein funktionierendes Miteinander im Land engagieren: „Ein starkes Gemeinschaftsgefühl ist die beste Schutzimpfung gegen Verunsicherung, Hass, Hetze und Angst. Es ist daher nur folgerichtig, dass die Landesregierung das Impulsprogramm zu einem der herausragenden Themen in der laufenden Legislaturperiode gemacht hat“, so Kretschmann. Unter dem Motto „Na klar, zusammen halt …“ baue das Programm auf den umfassenden bürgerschaftlichen Strukturen auf und richte den Blick auf gesellschaftliche Potenziale. Die Aktivitäten innerhalb des Impulsprogramms reichten von der Förderung bürgerschaftlichen Engagements und der Bürgerbeteiligung über die Umsetzung einer Kampagne für eine respektvolle Diskussionskultur in den Sozialen Medien bis hin zur Wiederbelebung öffentlicher Orte im ländlichen Raum. Ziel sei es, Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken, zum Dialog anzuregen und Menschen zu aktivieren, einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie / Maßnahmen der Landesregierung

  • Eine deutliche Mehrheit der Befragten schätzt die Maßnahmen für Senioren und zur Pflege positiv ein (71 Prozent). Das Land sieht sich in seinem Kurs bestärkt und wird auch in den kommenden Jahren in die erfolgreiche Quartiersentwicklung oder in die Schaffung einer modernen und durchlässigen Pflegestruktur mit mehr Kurzzeitpflege und Wohngemeinschaftsplätzen investieren. Dafür werden in den kommenden beiden Jahren rund 40 Millionen Euro in die Hand genommen. Hinzu kommen noch mehr als 100 Millionen Euro für die Umsetzung der Reform der Pflegeberufe, um dem Fachkräftemangel mit einer attraktiven und qualitativ hochwertigen Ausbildung entgegenzuwirken.
  • Auch die medizinische Versorgung ist aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger im Land gut: Fast zwei Drittel haben in den letzten fünf Jahren keine Veränderung der Versorgung wahrgenommen, 13 Prozent der Befragten sehen sogar Verbesserungen. Allerdings sind 21 Prozent der Befragten der Ansicht, die Lage habe sich in den vergangenen Jahren eher verschlechtert. In Kleinstädten und auf dem Land ist die (fach-)ärztliche Versorgung vergleichsweise schwierig. Mit mehreren Maßnahmen – vom „Förderprogramm Landärzte“ über den Aufbau von Primär-Versorgungszentren und innovative Formen sektorenübergreifender Versorgung bis hin zur Fortschreibung der Krankenhausfinanzierung mit über einer halben Milliarde Euro pro Jahr – hat das Land bereits auf Engpässe reagiert.
  • Auch ehrenamtliches Engagement ist für den Zusammenhalt wichtig: Während die große Mehrheit der ehrenamtlich Engagierten (79 Prozent) Wertschätzung für ihr geleistetes Engagement wahrnimmt, wünschen sich 49 Prozent mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung, sei es finanziell, durch Fort- und Weiterbildungen oder durch Bereitstellung von Räumen und Ausstattung. Das Land setzt vor allem auf Verbesserungen beim Gemeinnützigkeitsrecht und bei Freibeträgen sowie auf ein Qualifizierungskonzept für Engagierte in Leitungsfunktionen.   
  • Frauen, chronisch Kranke, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und Einkommensarme nehmen den Grad an gesellschaftlichen Zusammenhalt weniger positiv wahr. Handlungsbedarf sehen die Bürgerinnen und Bürger vor allem bei der Gleichstellung von Frauen. Drei Viertel der Befragten sagen, dass Frauen in der Gesellschaft benachteiligt werden. 63 Prozent sind der Ansicht, dass die Politik nicht genug dagegen tue. 39 Prozent geben an, dass es zu Belästigungen von Frauen in ihrer Wohngegend gekommen sei, acht Prozent berichten gar von Gewalt gegenüber Frauen. 
    Frauen erleben im Vergleich zu Männern den gesellschaftlichen Zusammenhalt als schwächer, vor allem in Bezug auf Gerechtigkeit, Anerkennung von Regeln und gleichberechtigte Teilhabe. Das Ministerium für Soziales und Integration setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen vorangetrieben und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter, Mütter und pflegende Angehörige fortwährend verbessert wird. Mit 12 Millionen Euro, die das Land in den kommenden beiden Jahren zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verfügung stellt, sollen unter anderem Fachberatungsstellen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt finanziert sowie das Hilfesystem, beispielsweise mit mehr Frauen- und Kinderschutzhäusern, ausgebaut werden.
  • Ein Team von Forscherinnen und Forschern um Professor Klaus Boehnke von der Jacobs University Bremen hat für die Bertelsmann Stiftung die Daten eingehend analysiert und festgestellt, dass der Zusammenhalt nicht nur dadurch gestärkt wird, dass die Integration von Geflüchteten gelingt, sondern auch durch die gezielte Unterstützung von Familien und die Bekämpfung von Armut. Mit der Strategie „Starke Kinder – Chancenreich“ setzt das Ministerium für Soziales und Integration bei den schwächsten Gliedern der Kette an. Indem ihre Startbedingungen verbessert werden, soll verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche überhaupt erst in Armut geraten. Hierfür stehen – unter anderem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) – in diesem und im kommenden Jahr rund zehn Millionen Euro zur Verfügung.

Weiterführende Informationen:

Die Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich seit den 1990er Jahren mit Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und hat im Zuge dessen gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Jacobs University verschiedene Anstrengungen unternommen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch empirisch-analytisch zu fassen. Das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses ist das „Radar Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, das seit 2013 sowohl für Deutschland insgesamt als auch im Vergleich der Bundesländer sowie im internationalen Vergleich über verschiedene Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenhalts berichtet. Während zunächst vor allem bereits vorhandene Daten genutzt wurden (Sekundäranalyse), bildet seit 2017 eine eigene Umfrage die Grundlage für die jüngsten Vergleiche zwischen Bundesländern und Regionen. Mit der Studie „Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Baden-Württemberg“ wird nun erstmals ein Bundesland genauer betrachtet und dabei auch die Zusammenhänge zwischen sozialer Lage, Sozialpolitik und Zusammenhalt beleuchtet.

Zusätzliche Informationen finden Sie auf der Webseite der Bertelsmann Stiftung. Dort sind auch eine Langfassung der Studie sowie eine Kurzversion der Studie abrufbar.

Bertelsmann Stiftung: Informationen zur Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Baden-Württemberg

Impulsprogramm „Zusammenhalt Baden-Württemberg“

Pakt für Integration

Quelle:

Staatsministerium Baden-Württemberg
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