Gesundheitsminister Manne Lucha hat am Mittwoch (8. Februar) in Stuttgart bekanntgegeben, dass das Land die vier Universitätskliniken mit insgesamt zwei Millionen Euro unterstützt, um gute Behandlungsmöglichkeiten für Long COVID zu erforschen.
Der Großteil der Menschen in Baden-Württemberg hat mittlerweile eine Corona-Infektion durchgemacht. Etwa zehn Prozent der erkrankten Erwachsenen und zwei bis vier Prozent der erkrankten Kinder könnten Studien zufolge mit längerfristigen Problemen zu kämpfen haben. Wie man Long COVID am besten behandelt, ist aber noch nicht hinreichend erforscht. Gesundheitsminister Manne Lucha hat am Mittwoch (8. Februar) in Stuttgart bekanntgegeben, dass das Land die vier Universitätskliniken mit insgesamt zwei Millionen Euro unterstützt, um gute Behandlungsmöglichkeiten für diese neue Krankheit zu erforschen.
„Wir haben bereits Spezialambulanzen in Baden-Württemberg. Wir brauchen aber dringend mehr Wissen zu Long COVID, mit dem wir auch die Hausärztinnen und Hausärzte unterstützen können – denn sie sind es, die langfristig die Versorgung übernehmen bzw. die mit anderen Fachärztinnen und Fachärzten die Betroffenen in die richtigen Behandlungspfade lotsen. Die Fachkräfte in den Spezialambulanzen können sich dann um die wirklich schweren und komplexen Fälle kümmern“, sagte Minister Lucha.
Unikliniken etablieren gemeinsam Versorgungsnetze
Die Unikliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm werden bei dem Projekt zusammenarbeiten. „Den Unikliniken bin ich dankbar, dass sie das vorliegende Forschungskonzept für ein Behandlungsnetz entwickelt und uns vorgestellt haben“, betonte der Minister. „Wir unterstützen das sehr gerne, denn wir brauchen dringend mehr Erkenntnisse zu optimierten Versorgungskonzepten bei Long COVID.“
Die vier Unikliniken etablieren vier Versorgungsnetze, in denen die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Long COVID weiterentwickelt wird. In den Zentren bieten die Long COVID-Spezialambulanzen Sprechstunden an und beraten per (Tele)-Konferenzen. Die Institute für Allgemeinmedizin der beteiligten Universitätskliniken koordinieren den Aufbau von Netzwerken unter Beteiligung der Long COVID-Spezialambulanzen, Hausärztinnen und Hausärzte, Rehaeinrichtungen, Psycho-, Ergo- und Physiotherapeuten, Gesundheitsämtern, Betroffenen und Selbsthilfeorganisationen.
Ziel ist es, am Ende der 18-monatigen Projektphase ein Versorgungskonzept zu haben, welches auch Fortbildungsstrukturen für Ärztinnen und Ärzte und Bera-tungsangebote für die Betroffenen umfasst.
Neue Situation erfordert Austausch von Fachwissen und Erfahrungen
„Eine Situation, in der gleichzeitig so viele Menschen an einem noch wenig verstandenen Krankheitsbild erkranken, ist neu. In dieser Lage müssen schneller als bisher Fachwissen, Erfahrungen, aber auch Fragen zwischen Fachleuten ausgetauscht werden“, sagte Professor Dr. Attila Altiner, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). Denn die Bandbreite der Long COVID-Symptome ist groß, die Betroffenen haben sehr unterschiedliche Versorgungsbedarfe. Das neue Konzept soll den aktuellen Stand der Forschung mit den Erfahrungen der verschiedenen Netzwerkpartner zusammenführen und für jeden Betroffenen den Weg zur zuständigen Ansprechperson und zur am besten geeigneten Therapie weisen. Insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte – häufig die ersten Anlaufstellen für Betroffene – werden durch die Vernetzung bestmöglich darin unterstützt, ihre Patientinnen und Patienten optimal zu beraten und sie bei Bedarf nahtlos durch die verschiedenen Ebenen der notwendigen Diagnostik und Therapie zu lotsen.
„Für die optimale Behandlung von Long COVID braucht es interdisziplinäres Know-how“, sagte Professorin Dr. Uta Merle, Ärztliche Leiterin der Long COVID-Ambulanz am UKHD. Derzeit sind die Hauptanlaufstellen vor allem die Spezialambulanzen der Universitätskliniken, die allerdings eher auf die Behandlung von Betroffenen mit besonders komplexen Symptomen oder schweren Verläufen ausgerichtet sind. Zudem sind sie von den steigenden Patientenzahlen überlastet.
In den Praxen dagegen ist das Krankheitsbild noch weitgehend neu – dort kann es noch nicht ausreichend Erfahrung geben. Das Projekt-Team wird daher unter anderem untersuchen, wie Video-Fallkonferenzen und Sprechstunden mit Spezialistinnen und Spezialisten, Hausärztinnen und Hausärzten sowie den Betroffenen den besten Nutzen für alle Beteiligten bringen können.
Infos über den aktuellen Wissensstand für Betroffene enorm hilfreich
Darüber hinaus wird es neue Fortbildungsangebote und Arbeitskreise geben, in denen sich Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Versorgungsstufen des Gesundheitssystems regelmäßig austauschen können. Ein weiterer Baustein sind Beratungs- und Aufklärungsangebote für Betroffene und Angehörige. „Bisher gibt es keine spezifischen Diagnose- oder Therapiemöglichkeiten für Long COVID. Die Unsicherheit ist für viele Betroffene eine enorme zusätzliche Belastung“, sagte Projektkoordinatorin Dr. Sandra Stengel, Wissenschaftlerin am UKHD und Hausärztin. „Dabei können sachliche Informationen über den aktuellen Wissensstand für die Betroffenen enorm hilfreich sein und die derzeitig etablierte symptomorientierte Behandlung unterstützen.“
„Die Strukturen im Gesundheitssystem werden sich an dieses neue Krankheitsbild anpassen. Wir sind froh, dass wir nun die Mittel haben, diesen Prozess mitzugestalten. Unsere Erkenntnisse insbesondere zur sektorenverbindenden Versorgung werden sich auch auf andere Erkrankungen übertragen lassen und können zukünftig einen Beitrag leisten, die medizinische Versorgung insgesamt weiterzuentwickeln“, sagte Prof. Altiner.