Gesundheit

Kabinett bringt Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes auf den Weg

Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha spricht neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf der Regierungspressekonferenz in Stuttgart

Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz wird gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 angepasst, wonach längere Fixierungen von Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie nur noch mit der Genehmigung eines Richters erfolgen dürfen. Damit sollen die Rechte psychisch kranker Menschen erheblich gestärkt werden.

Das Kabinett hat die Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes in den baden-württembergischen Landtag beschlossen. „Wir bewegen uns hier in einem besonders grundrechtssensiblen Bereich, den wir bislang nicht ausreichend gesetzgeberisch gestaltet haben. Wir haben uns deshalb intensiv mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasst und beabsichtigen bis spätestens 30. Juni 2019 eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für freiheitsentziehende Fixierungen zu schaffen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach der Sitzung des Ministerrats.

Freiheitsentziehende Fixierungen müssen künftig direkt von Richtern genehmigt werden

Konkret wird sich bei der Unterbringung von Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie Folgendes ändern: Bisher reichten ein grundsätzlicher richterlicher Unterbringungsbeschluss und die konkrete ärztliche Anordnung aus, um Patienten zu fixieren. Dem widersprach im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil und legte fest, dass freiheitsentziehende Fixierungsmaßnahmen künftig direkt von einem Richter genehmigt werden müssen, wenn sie voraussichtlich länger als eine halbe Stunde dauern. „Außerdem ist das medizinische Personal künftig verpflichtet, Betroffene auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, ihre Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha.

Schutzgedanke im Vordergrund

„Die neuen Regelungen stärken den Patientenschutz und das Recht psychisch Kranker. Sie sind außerdem auch im Interesse der in der Psychiatrie tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so Minister Lucha. „Ich sehe unser baden-württembergisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz durch das Karlsruher Urteil im Kern als gestärkt an. Die Richter haben uns ausdrücklich darin bestätigt, dass es ein Hauptziel unseres Gesetzes war und ist, die Rechte psychisch kranker und behinderter Personen zu stärken, also das Wohl und die Rechte der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Schon bislang wägen wir in jedem Einzelfall sorgfältig die Verhältnismäßigkeit ab, halten strenge Dokumentationspflichten ein und stellen den Schutzgedanken in den Vordergrund.“

„Mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf und dessen Einbringung in den Landtag liegen wir im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Zeitplan für ein rechtzeitiges Inkrafttreten des Gesetztes, was mir sehr wichtig ist“, so Ministerpräsident Kretschmann.

Ergänzende Informationen

In seinem grundsätzlichen und sehr ausführlichen Urteil hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorsitz von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle dargelegt, dass die bisherige gesetzliche Grundlage zur Anordnung von Fixierungen nicht ausreiche, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben vollumfänglich Rechnung zu tragen. Aus dem Freiheitsgrundrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folge, dass eine ärztliche Entscheidung allein zur Anordnung einer länger andauernden Fixierung nicht ausreichend sei. Unter anderem müsse es künftig einen richterlichen Bereitschaftsdienst zwischen 6 und 21 Uhr geben, um diese Fixierungsmaßnahmen zu genehmigen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land bis spätestens 30. Juni 2019 Gelegenheit gegeben, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen.

Baden-Württemberg war das erste Bundesland, dass ein Melderegister für die Erfassung von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie eingeführte. Nach § 10 Abs. 3 des PsychKHG erfolgt hier eine landesweit zentrale Erfassung von Unterbringungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen innerhalb anerkannter Einrichtungen in verschlüsselter Form. Auch Fixierungen untergebrachter Personen werden im Melderegister erfasst.

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 116.442 Fälle (Vorjahr: 110.319) gemeldet. Darunter waren 17.834 Fixierungen (Vorjahr: 18.352), von denen 13.027 potenziell dem Richtervorbehalt unterfallende nicht nur kurzfristige Fixierungen darstellten (Vorjahr: 14.192).

Quelle:

Staatsministerium Baden-Württemberg
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