„Der angekündigte vorgeburtliche Bluttest auf Down-Syndrom verstößt gegen das in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen normierte Recht auf Leben und muss bundeseinheitlich verboten werden“, forderte der Landes-Behindertenbeauftragte, Gerd Weimer, heute in Stuttgart. „Ich bin mit meinem Kollegen im Bund, Hubert Hüppe, von dem Ergebnis des von der Universität Bonn, Prof. Klaus Ferdinand Gärditz, erstellten Gutachtens überzeugt, dass der kurz vor der Einführung stehende „Praena-Test“ nicht mit dem geltenden Recht in Übereinklang zu bringen ist, wenn wir die Tragweite der UN-Behindertenrechtscharta als Menschenrechtsdokument bei der Rechtsanwendung ernst nehmen. Falls dies nicht so ist, müssen die Gesetze geändert werden. Wie schnell so etwas gehen kann, sieht man ja bei der Verabschiedung der Maßnahmen zur Euro-Rettung“, sagte Gerd Weimer.
Die Universität Bonn komme zu dem Ergebnis, dass der umstrittene vorgeburtliche Bluttest weder als Diagnosemittel nach dem Gendiagnostikgesetz zulässig sei noch den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes entspreche. „Für mich ist die Einführung des Bluttests auf Down-Syndrom ein falsches Signal für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Die Gesellschaft hat versagt, wenn sie eine Behinderung nicht als Ausdruck der Vielfalt menschlichen Lebens begreift und keine Räume für eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen schafft. Wir brauchen endlich ein neues Verständnis von Behinderung und müssen weg kommen von der Defizitbetrachtung. Die UN-Charta, und die ist in Deutschland geltendes Recht, sagt klar, dass ein Mensch nicht per se behindert ist, sondern durch einstellungs- und umweltbedingte Barrieren behindert wird, voll, wirksam und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben“, bekräftigte Gerd Weimer. In die Beseitigung dieser Barrieren müsse der Staat Geld investieren und nicht in fragwürdige Selektionstests, so Weimer weiter.
Die Zulassung eines vorgeburtlichen Bluttests, der ausschließlich auf die Erkennung des Down-Syndroms reflektiere, sei gesellschaftspolitisch bedenklich. „Heute geht es um ungeborenes Leben mit einer Behinderung, bald vielleicht um Allergien oder andere chronische Krankheitsbilder, die ausgetestet werden. Dies sind für mich Anzeichen einer Selektionsmedizin, die einen unheilvollen Prozess in Gang setzen können“, so der Landes-Behindertenbeauftragte. Nicht alles, was technisch und medizinisch machbar sei, sei auch von den gesellschaftspolitischen Folgen her betrachtet, wünschenswert! Auch müsse man sich in die Situation der betroffenen Eltern hinein versetzen. „Wer sich zu einem Kind mit Down-Syndrom bekennt sieht sich schnell mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung konfrontiert. Ich appelliere daher an die Landesregierung, sich für ein Verbot des Praena-Tests einzusetzen und ggf. über den Bundesrat eine bundeseinheitliche Regelung zu fordern. Die ethischen Bedenken gelten über die Ländergrenzen hinweg. Daher muss alles getan werden, um auch einem drohenden Selektionstourismus frühzeitig einen Riegel vorzuschieben
Quelle:
Der Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen