Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha hat allen Beteiligten Dank und Anerkennung ausgesprochen, die mitgeholfen haben, die vier gestern aus dem Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Calw geflohenen Straftäter so schnell zu fassen und zurück in den Maßregelvollzug zu bringen. Er appelliert erneut an die Justiz, den Paragraphen 64 Strafgesetzbuch zu streichen.
„Allen Beteiligten, die mitgeholfen haben, die vier gestern aus dem Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Calw geflohenen Straftäter so schnell zu fassen und zurück in den Maßregelvollzug zu bringen, möchte ich von Herzen Dank und Anerkennung aussprechen“, sagte der Minister für Soziales und Integration Manne Lucha in Stuttgart. Die aktuellen Entweichungen im ZfP Calw ebenso wie eine aktuell bekanntgewordene Entweichung aus dem Maßregelvollzug im ZfP Weinsberg machten jedoch auch einmal mehr den dringenden Handlungs- und Reformbedarf bei § 64 StGB deutlich, so der Minister. Gemäß diesem Paragraphen im Strafgesetzbuch kann ein Gericht in seinem Urteil neben der Strafe die Unterbringung eines Täters in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn er eine Tat aufgrund eines Hanges zu Alkohol, Betäubungsmitteln oder Arzneimitteln begangen hat.
„Therapieabbrecher gehören in die Justizvollzugsanstalt, nicht ins Zentrum für Psychiatrie“
Lucha: „Bei allen aktuell Entwichenen in Calw und Weinsberg handelt es sich um Therapieabbrecher, bei denen also der Erfolg einer Therapie als aussichtslos angesehen wurde oder der Abbruch der Therapie bereits angeregt worden war. Solche Delinquenten sind im Maßregelvollzug schwer zu handhaben. Neben dem erhöhten Ausbruchsrisiko wirken sie oftmals ausgesprochen nachteilig auf die Motivation der übrigen Patienten ein, was das therapeutische Klima extrem belastet.“ In den Forensischen Kliniken müssten diese Personen deshalb in der Regel auf den Sicherungsstationen untergebracht werden.
„Nach der Abbruchsentscheidung gehören diese Personen aus meiner Sicht nicht mehr in den Maßregelvollzug, sondern in den Strafvollzug“, so Minister Lucha weiter. „Ich kann nur erneut an die Justiz appellieren, unserer bereits mehrfach vorgetragenen dringenden Bitte, Therapieabbrecher nach Abbruchsentscheidung zumindest schnell wieder in den Strafvollzug zurückzunehmen, nachzukommen und dadurch zum Schutz der Bevölkerung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Maßregelvollzug beizutragen.“
Lucha fordert Streichung des Paragraphen 64 StGB
Darüber hinaus fordert Minister Lucha im besten Fall die Streichung, mindestens aber eine Reform des § 64 StGB: „Der Anteil der Patienten, bei denen die Maßregel aufgrund fehlender Erfolgsaussichten erledigt werden muss, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies führt zu einem hohen und im Ergebnis teilweise vergeblichen Einsatz von personellen und finanziellen Ressourcen. Dem Maßregelvollzug werden zunehmend und in nicht unerheblichem Umfang Patienten zugewiesen, bei denen keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliegt, sondern eher ein missbräuchlicher Drogenkonsum als Teil des delinquenten Lebenswandels.“
Lucha: „Alles in allem führt das zu Situationen wie jetzt in Calw und Weinsberg. Leidtragende sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bevölkerung, aber auch diejenigen Patientinnen und Patienten, die therapiewillig sind, und die durch Therapieunwillige oder Therapieverweigerer auf ihrem Weg behindert werden. Auch hier appelliere ich an die Justizseite und insbesondere an den Bund, sich einer Reform oder besser noch einer Streichung des § 64 StGB nicht zu verweigern“, so der Minister abschließend.
Hintergrundinformation
- Der Maßregelvollzug ist kein Strafvollzug, sondern hat rehabilitativen Charakter. Er dient nicht – wie die Strafe – dem Ausgleich für das begangene Unrecht, sondern soll den Täter durch die Behandlung seiner Störung und durch die sichere Unterbringung in einer spezialisierten Fachklinik mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen und qualifiziertem Personal davon abhalten, weitere Taten zu begehen.
- Die Zahl der Unterbringungen nach § 64 StGB hat sich in Baden-Württemberg seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Im Jahr 2016 war gegenüber dem Vorjahr mit 34 Prozent eine äußerst starke Zunahme zu verzeichnen, wobei sich die erreichten Zahlen seither nicht wesentlich verändert haben.