Zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) angekündigten Wegfall von Bereitschaftspraxen äußert sich Gesundheitsminister Manne Lucha wie folgt:
„Mir ist bewusst, dass die angekündigte Schließung von Bereitschaftspraxen durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg für Unsicherheit in der Bevölkerung sorgt. Es ist bedauerlich, dass in der Debatte nun so viel Unruhe entstanden ist und wider besseres Wissen gezielt Ängste geschürt werden, noch bevor die KVBW überhaupt ihr Konzept im Detail vorgestellt hat. Die Präsentation der neuen Strukturen hat die KV für den kommenden Montag (21. Oktober) angekündigt, am Mittwoch (23. Oktober) wird sich auf meine Initiative hin auch der Sozialausschuss damit befassen.
Ganz zentral ist hier der Hinweis: Die Notfallversorgung ist weiter gesichert, es geht hier nicht um medizinische Notfälle, sondern um die ärztliche Versorgung außerhalb von Sprechzeiten der niedergelassenen Ärzte. In der Regel geht es um kleinere Beschwerden wie Halsschmerzen oder Magen-Darm-Probleme. Im Notfall kann selbstverständlich nach wie vor die 112 gewählt werden. Hier wird in der öffentlichen Debatte viel zu viel vermischt.
Derzeit sind rund 1.000 Arztsitze im Land nicht besetzt und in den nächsten zehn Jahren gehen die geburtenstärksten Jahrgänge der Ärzteschaft in den Ruhestand. Das heißt, weniger Ärzte müssen künftig dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung im Land gesichert bleibt. Deshalb hat sich die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihrer Selbstverwaltung dafür entschieden, die Bereitschaftsdienste der Ärzteschaft in Baden-Württemberg neu zu strukturieren und neue Konzepte für die medizinische Versorgung zu erarbeiten. Das ist, rein formal gesehen, ihr gutes Recht. Die Auswahl- und Entscheidungskriterien des Standortkonzepts verstoßen bei dem, was dem Sozialministerium bisher bekannt ist, aus rechtsaufsichtlicher Sicht nicht gegen Recht und Gesetz. Es gibt keine rechtliche Regelung, die konkret festlegt, was der Sicherstellungsauftrag der KVBW im Bereitschaftsdienst bedeutet. Die Rechtsaufsicht kann nicht einfach so etwas stoppen. Das betone ich ausdrücklich gegenüber all jenen, die denken, ich könnte mal einfach so die bundesgesetzlich verbriefte Selbstverwaltung der Kassenärzte aushebeln. Wider besseres Wissen werden hier innerhalb der Bevölkerung Erwartungen geschürt, die jeglicher rechtlicher Grundlage entbehren. Die rechtlichen Möglichkeiten sind hier vom Bundesgesetzgeber stark eingeschränkt, im Gegensatz zum Rettungsdienst gibt es beispielsweise keine konkreten Hilfsfristen und bislang auch keine Vorgaben zur Erreichbarkeit der Bereitschaftspraxen.
Selbstverständlich setzte ich mich nicht erst seit heute dafür ein, dass die gesamte ärztliche Versorgung in Baden-Württemberg sichergestellt bleibt! Ich habe die Kassenärztliche Vereinigung bereits vor Monaten dazu aufgefordert, dass dort, wo ein Angebot wegfallen wird, gute Alternativen entstehen müssen.
Meine Forderungen an die KVBW sind konkret:
- Aufbau zusätzlicher Kapazitäten an den verbleibenden Alternativ-Standorten
- Massiver Ausbau des telemedizinischen Angebotes
- Solange die digitale Versorgungsplattform noch nicht eingerichtet ist, kommt es darauf an, dass die Bürgerinnen und Bürger die Rufnummer 116 117 gut erreichen können. Die Kapazitäten dafür müssen ausgebaut werden
- Ausreichende Kapazitäten für den aufsuchenden Fahrdienst
Am kommenden Montag (21. Oktober) wird die KVBW ihr Standort-Konzept der Öffentlichkeit vorstellen, das detaillierte Strukturkonzept wird für Ende Oktober/Anfang November erwartet. Darin sollen Öffnungszeiten und Arztschichten, also die Ausstattung und Kapazitäten der künftigen Standorte festgelegt werden. Erst nach Vorliegen des Strukturkonzepts wird bewertet werden können, ob die weiter bestehenden Bereitschaftspraxen, die telemedizinischen Versorgungsstrukturen und der aufsuchende Fahrdienst ausreichend Kapazitäten vorhalten werden, um auch die Patienten mitversorgen zu können, die aufgrund der Schließung von Bereitschaftspraxen auf alternative Standorte ausweichen müssen.
Schon jetzt kann man aber sagen: Für die Zukunft der medizinischen Versorgung gilt der Grundsatz: digital vor ambulant vor stationär. Daran werden wir uns alle gewöhnen müssen. Ärztliche Ressourcen müssen zielgenau eingesetzt werden, damit die Versorgung im Gesamten stabil bleiben kann. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.“