Gesundheit

Rede von Frau Ministerin Katrin Altpeter anlässlich des Landeskongresses Gesundheit in Stuttgart

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Gesundheitsministerin Katrin Altpeter steht an Redepult

Sozialministerin Katrin Altpeter hat auf dem „Landeskongress Gesundheit: Die Digitalisierung im Fokus“ in Stuttgart eine Bilanz ihrer Gesundheitspolitik in den vergangenen fünf Jahren gezogen.

Der Landeskongress Gesundheit ist ein neues Forum für alle Akteure und Verantwortungsträger im Gesundheitsbereich und steht unter der Schirmherrschaft des Landes Baden-Württemberg. Er findet 2016 parallel zur Stuttgarter Fachmesse MEDIZIN statt.

Rede von Frau Ministerin Katrin Altpeter anlässlich des Landeskongresses Gesundheit am 29.01.2016 in der Stuttgarter Landesmesse:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung zu diesem Landeskongress Gesundheit. Ich freue mich, dass sich so viele wichtige gesundheitspolitische Akteure aus dem Land zusammengefunden haben, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Da nutze ich natürlich gerne die Chance zu Ihnen zu sprechen. Wie Sie wissen, bin ich nun seit fast fünf Jahren Gesundheitsministerin. Daher nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich nicht nur über die Digitalisierung im Gesundheitswesen rede. Vielmehr will ich die Herausforderungen der Zukunft, aber auch die Erfolge der Vergangenheit in der Gesundheitspolitik des Landes beleuchten.

Wir Baden-Württemberger sind stolz darauf spitze zu sein. Wir sind Exportweltmeister, unser Land quillt über von Weltmarktführern, wir nähern uns der Vollbeschäftigung und auch bei der Gesundheitsversorgung sind wir top: Die Menschen in Baden-Württemberg sind bundesweit am gesündesten! Darauf wollen und können wir uns aber nicht ausruhen. Wenn wir in unserem Eifer nachlassen, werden wir rasch von anderen Regionen oder Ländern überholt. Daher müssen wir uns auch im Gesundheitswesen ständig weiterentwickeln, um am Puls der Zeit zu bleiben. Und um unseren Bürgern die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu garantieren. Was aber müssen wir tun, um im Gesundheitswesen an der Spitze zu bleiben? Was muss die Politik tun? Und was die Akteure im Gesundheitswesen? Aus meiner Sicht benötigen wir

  1. eine bessere Vernetzung der Akteure des Gesundheitswesens, vor allem an den Schnittstellen der Sektoren,
  2. eine stärkere Einbeziehung der kommunalen Ebene in Planungs- und Entscheidungsprozesse,
  3. eine aktive Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in die Mitgestaltung des Gesundheitswesens,
  4. sowie eine marktreife Telemedizin in einzelnen Gesundheits- und Pflegebereichen.

Um dies zu erreichen haben wir mit dem Landesgesundheitsgesetz neue und bewährte Dialog- und Arbeitsformen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.

Zentrales Gremium auf Landesebene ist dabei die Landesgesundheitskonferenz. Hier werden die grundsätzlichen Fragestellungen mit allen wichtigen Partnern im Land diskutiert. Sie koordiniert und begleitet darüber hinaus die Umsetzung des Gesundheitsleitbildes Baden-Württemberg, das in einem breit angelegten Beteiligungsprozess entwickelt wurde. Die Landesgesundheitskonferenz umfasst auch einen öffentlichen Teil, bei dem alle gesundheitspolitisch interessierten Organisationen und Verbände und die Bürgerschaft teilnehmen können.

Modellprojekte zur gesundheitspolitischen Neuausrichtung

Wir arbeiten in Baden-Württemberg aber auch daran, die Gesundheitspolitik stärker zu regionalisieren. Deshalb haben wir die Kommunalen Gesundheitskonferenzen in den Land- und Stadtkreises auf den Weg gebracht und dauerhaft etabliert. Die Kommunalen Gesundheitskonferenzen sollen sich auf kommunaler Ebene mit allen gesundheitspolitischen Fragen befassen. Denn vor allem vor Ort ist der Dialog mit der Bürgerschaft möglich. Zur Information der Bürger dienen dabei die Internetplattformen gesundheitsdialog-bw.de und gesundheitsatlas-bw.de. Hier stehen landesweite und regionale Gesundheitsinformationen zur Verfügung, die Grundlage für eine Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung sind.

Gestartet sind wir jetzt auch mit einem Modellprojekt zur sektorenübergreifenden Versorgung. Zur Sicherstellung der qualitativ hochwertigen und flächendeckenden medizinischen Versorgung der Zukunft entwickelt das Sozialministerium gemeinsam mit der Region Süd-Württemberg Konzepte zur sektorenübergreifenden Versorgung. In einer Modellregion wollen wir den Versorgungsbedarf, die existierenden Versorgungsstrukturen sowie deren Inanspruchnahme untersuchen.

Sicherstellung der ambulanten Versorgung

Eine der wichtigsten Aufgaben für alle Verantwortlichen in der Gesundheitsversorgung ist die Sicherstellung einer möglichst wohnortnahen hausärztlichen Versorgung. Zwar ist in Baden-Württemberg das Niveau der medizinischen Versorgung nach wie vor sehr hoch. In den ländlichen Räumen gibt es jedoch ernstzunehmende Anzeichen künftiger Engpässe in der ambulanten, und dabei insbesondere in der hausärztlichen Versorgung. Um Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, als Hausärzte auf dem Land tätig zu werden, sind in erster Linie gute Rahmenbedingungen nötig. Gemeinsam mit der ärztlichen Selbstverwaltung müssen Bund, Land und die Kommunen mit vereinten Kräften daran arbeiten, die Versorgungsstrukturen und die Arbeitsbedingungen auf die Bedürfnisse der nachwachsenden Ärztegeneration auszurichten. Das Land leistet dazu seinen Beitrag.

So hat das Sozialministerium 2012 ein mit rund zwei Mio. Euro ausgestattetes Förderprogramm für Landärzte auf den Weg gebracht. Hausärztinnen und Hausärzte können bis zu 30.000 Euro Landesförderung erhalten, wenn sie sich in Baden-Württemberg in einer ländlichen Gemeinde niederlassen, die als Fördergebiet ausgewiesen ist. Das Programm wird gut angenommen: Bis heute haben wir 56 Ärzte in unterversorgten Regionen angesiedelt. Noch in diesem Jahr werden wir prüfen, wie wir das Programm weiterentwickeln können, um es noch erfolgreicher zu machen.

Finanzielle Anreize sind jedoch nur ein Baustein unseres Engagements. Wir haben im sektorenübergreifenden Landesbeirat erreicht, dass Kommunen mit angespannter hausärztlicher Versorgungslage künftig die Möglichkeit haben, eine kleinräumigere Bedarfsplanung in ihrem Gebiet prüfen zu lassen.

Dies sind einige Beispiele um zu verdeutlichen, dass das Land sich für eine gute ambulante Versorgung überall in Baden-Württemberg einsetzt und dieses Engagement auch weiter mit Nachdruck fortsetzen wird.

Potentiale der Telemedizin nutzen

Im Mittelpunkt Ihres 1. Landeskongresses Gesundheit steht allerdings die Digitalisierung. Mit Ihrem heutigen Thema  sind Sie thematisch sehr nah beim Weltwirtschaftsforum, das letzte Woche in Davos ebenfalls ganz im Zeichen der Digitalisierung stand. Diese digitale Revolution wirkt sich auf fast alle Lebensbereiche aus und führt zu tiefgreifenden Veränderungen. Die Digitalisierung als Innovationsmotor des 21. Jahrhunderts hat schon längst auch den Gesundheitssektor erfasst und ist dabei, diesen zu verändern. Sie eröffnet neue Möglichkeiten und Chancen, die wir intelligent nutzen sollten.

Die Telemedizin ist für die Landesregierung ein wichtiges Zukunftsfeld, weil sie ein zunehmend wichtigerer Baustein einer flächendeckenden medizinischen Versorgung und einer sektorenübergreifenden und regional vernetzten Gesundheitsversorgung ist.

Die Telemedizin hat das Potential, uns bei den großen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, der Zunahme chronischer und komplexer Erkrankungen oder der unterschiedlichen Arztdichte zu unterstützen. Wir brauchen zukunftsfähige Lösungen, die hohe Qualität mit hoher Wirtschaftlichkeit verbinden. Und wir brauchen konkrete Abrechnungstatbestände, damit vor allem im ambulanten Bereich endlich kalkuliert und geplant werden kann. Konkret bieten digitale Lösungen auch die Chancen, den stationären und ambulanten Bereich stärker zu verzahnen und die Versorgung zu verbessern. Dieses Potential der Telemedizin kommt auch bei den Forenthemen dieses Kongresses zum Ausdruck. Telematik und Telemedizin waren das zentrale Thema der Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2015. Und die Gesundheitsministerinnen und -minister werden sich auch künftig häufig damit befassen.

Dabei wird insbesondere zu thematisieren sein, wie telemedizinische Anwendungen in die Regelversorgung gebracht werden können. Denn das ist die zentrale Frage für die Weiterentwicklung der Telemedizin. Wir sind da in Baden-Württemberg zwar bereits gut aufgestellt, müssen aber weiter am Ball bleiben. Wir werden daher auch in Zukunft unsere Mittel gezielt einsetzen. Dabei werden wir uns mit der Koordinierungsstelle Telemedizin abstimmen, die im Jahr 2014 aus Mitteln des Landes eingerichtet wurde. Denn sie ist für uns inzwischen zu einem zentralen Element bei der Weiterentwicklung der Telemedizin im Land geworden.

Dabei ist es wie in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung wichtig, dass Wissenschaft und Wirtschaft, Leistungserbringer und Leistungsträger, aber auch die Patientinnen und Patienten am Prozess beteiligt sind und zur Weiterentwicklung der Telemedizin beitragen. Deshalb bin ich gespannt auf die Impulse, die sich aus diesem Kongress für einen nachhaltigen Ausbau der Telemedizin in Baden-Württemberg ergeben.

Vorreiterrolle Baden-Württembergs bei alltagsunterstützenden Technologien

Ich komme zu einem weiteren Thema. Wir wollen erreichen, dass Menschen im Alter und bei Pflegebedarf solange wie möglich selbstbestimmt in der eigenen Häuslichkeit leben können. Die Umsetzung dieses Gedankens kann auch mit Technikunterstützung erfolgen. Meine Damen und Herren, wenn Sie heute jemanden fragen, was denn AAL-Technologien sind, ernten Sie vielfach ein Kopfschütteln. Das ist eigentlich schade, denn AAL-Technologien bedeuten für alte und pflegebedürftige Menschen, ihre Zukunft ein Stück weit selbstbestimmt planen zu können.

Ich sehe im Einsatz von alltagsunterstützenden Technologien, denn das bedeutet AAL, eine große Chance, die Versorgung im häuslichen Bereich zu unterstützen und zu erleichtern. Deshalb fördern wir verschiedene Projekte für technische Assistenzlösungen in der Pflege mit bis zu 5 Millionen Euro im Jahr. Für neuartige Betreuungs- und Versorgungsmodelle, die Leuchtturmcharakter für die Pflegelandschaft haben, gibt es in Baden-Württemberg bereits etliche Beispiele. Denn Baden-Württemberg nimmt im Bereich der AAL-Technologien eine Vorreiter-Rolle ein.

Das Projekt SONIA zum Beispiel bringt Menschen zueinander, hält Menschen in Verbindung und schafft es, dass Menschen im Alter versorgt werden und nicht vereinsamen. In Tübingen ist im vergangenen Jahr das technologisch ausgerichtete LebensPhasenHaus eröffnet worden. Es gibt eine „Rollende Ausstellung“, die übrigens für Veranstaltungen gebucht werden kann, und einen internetbasierten „Wegweiser Pflege und Technik“. Es gibt ehrenamtliche Wohnberater, die nun gezielt auch Wissen um die Nutzung technischer Hilfen in ihre Beratung einbringen. Am Landratsamt im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde eine Beratungsstelle für technische Assistenzsysteme eingerichtet. Das alles zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Eines aber muss uns allen klar sein: Technische Assistenzlösungen, so smart sie auch sein mögen, können Pflege nicht automatisieren und ersetzen. Technische Assistenzlösungen können häusliche Pflegearrangements jedoch stabilisieren. Gut ausgebildetes und gut bezahltes Pflege- und Betreuungspersonal wird aber nach wie vor der entscheidende Faktor für eine gute Pflegeinfrastruktur bleiben. Gutes Personal, intelligente Technik: Das sind Ziele, die wir kombinieren und umsetzen wollen.

Deutlich mehr Mittel für Krankenhäuser

Der Schutz im Falle von Krankheit ist ohne Zweifel eine der Grundaufgaben des Staates. Die Krankenhäuser in Baden-Württemberg leisten unter oft schwierigen Rahmenbedingungen eine hervorragende Arbeit. Auch auf Grund der laufend vorgenommenen Strukturanpassungen steht uns in Baden Württemberg eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung zur Verfügung. Das gravierendste Problem der baden-württembergischen Krankenhäuser – die unzureichende Betriebskostenfinanzierung – wird durch die Regelungen im Krankenhausstrukturgesetz entschärft. Diese sind nicht zuletzt durch den hartnäckigen Einsatz Baden-Württembergs zustande gekommen.

Ich gehe davon aus, dass die baden-württembergische Krankenhauslandschaft mit den gefundenen Kompromissen gut leben kann, auch wenn das Jahr 2016 für die Häuser durch die Regelung beim Landesbasisfallwert nicht leicht werden wird. Ich rufe aber nicht nur nach dem Bund.

Die Landesregierung in Baden-Württemberg ist sich auch ihrer eigenen Verantwortung durchaus bewusst. So ist für uns das Zusammenwirken von Krankenhausplanung und Krankenhausinvestitionsförderung wichtig, um flächendeckende Versorgung zu garantieren.

Wir haben die finanziellen Mittel des Landes für die Förderung des Krankenhausbaus und der Krankenhausinvestitionen deutlich aufgestockt: Wir haben die Mittel in den Jahren 2015/2016 im Vergleich zu 2009/2010 um mehr als 30 Prozent gesteigert. Die Krankenhäuser bekommen in den Jahren 2016/2017 vom Land nahezu 1 Mrd. Euro für Investitionen.

Damit können alle wichtigen und zentralen Krankenhausbauprojekte in den nächsten Jahren zeitnah gefördert werden. Darüber hinaus profitieren davon aber auch alle anderen Krankenhäuser über eine pauschale Förderung kleinerer Investitionen und Gerätebeschaffungen.

Parallel zur Erhöhung der Mittel haben wir unsere Förderkriterien von Krankenhausinvestitionen neu ausgerichtet. Unser Ziel ist es dabei, die Krankenhäuser zu stärken und für den immer härter werdenden Wettbewerb gut und sinnvoll aufzustellen. Wir unterstützen aber auch innovative medizinische Projekte und Vorhaben, mit denen die Zusammenarbeit von Krankenhäusern und Arztpraxen verbessert wird. Insgesamt wollen wir mit der Landesförderung eine flächendeckende, wohnortnahe Grundversorgung sicherstellen. Wir legen dabei auch großen Wert auf eine sinnvolle regionale und fachliche Aufgabenteilung zwischen den medizinischen Leistungserbringern. Wir wollen unsere Krankenhäuser befähigen, ihre Leistungen effizient zu erbringen und ihnen so den Weg in eine gute Zukunft ebnen.

1. Landeskongress Gesundheit Baden-Württemberg