Arbeit

Regierung beschließt Konzept für „Gute und sichere Arbeit“

Mit neuen Ideen will die Landesregierung benachteiligten Menschen bessere Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung eröffnen. Das Kabinett hat ein entsprechendes Konzept für „Gute und sichere Arbeit“ beschlossen. „Wir brauchen neue Ideen, neue Konzepte und unkonventionelle Ansätze, um Menschen zu helfen, die mit besonderen Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche zu kämpfen haben“, erläuterten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialministerin Katrin Altpeter im Anschluss an die Kabinettssitzung vor der Landespresse. „Es hat sich gezeigt, dass die bestehenden Angebote nicht ausreichen“, sagte der Ministerpräsident und wies beispielhaft auf die immer noch hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen im Land hin (Stand November 2011: 60.000).

Das  Konzept „Gute und sichere Arbeit“ umfasse fünf Bausteine für unterschiedliche Zielgruppen, die bisher auf der Schattenseite des Arbeitsmarktes stünden, erklärte Altpeter. Die Landesregierung plane modellhaft neue Förderangebote zu erproben, die bei einem Erfolg ausgebaut bzw. vom Bund übernommen werden sollten. Kretschmann: „Das Konzept soll beispielsweise zur Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt beitragen, spezifische Zielgruppen wie etwa Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und Jugendliche ohne Schulabschluss fördern und damit zugleich auch helfen, den Fachkräftebedarf zu sichern.“

Mit dem Konzept sollten auch Lücken im bestehenden Fördersystem geschlossen werden, erklärten Kretschmann und  Altpeter weiter. Zudem solle mit dem bundesweit in dieser Form neuen „Passiv-Aktiv-Tausch“ der Nachweis erbracht werden, dass eine Weiterentwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB II zur Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt sinnvoll und auch möglich sei. Dabei solle („passive“) Unterstützung von Arbeitslosen dadurch „aktiviert“ werden, dass sie als „Zuschuss“ für einen Arbeitsplatz gezahlt werde. Altpeter: „Wir wollen die Aufnahme von Arbeit finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit.“

Ministerpräsident Kretschmann und Arbeitsministerin Altpeter wiesen darauf hin, dass sich fast 60 Prozent der Arbeitslosen im Land nicht mehr im Bereich der klassischen Arbeitslosenversicherung befänden, sondern in der Grundsicherung (Hartz IV). Sorge bereiteten hier insbesondere die Langzeitarbeitslosen (ein Jahr und länger arbeitslos), die trotz einer entspannten Arbeitsmarktsituation keine Arbeit bekämen. Diese Situation habe sich 2011 sogar noch weiter verfestigt. So sei zwar die Arbeitslosigkeit insgesamt in Baden-Württemberg von 260.000 (Jahresdurchschnitt 2010) um fast 16 Prozent auf 219.000 (Jahresdurchschnitt 2011) zurückgegangen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber sei im gleichen Zeitraum lediglich um etwa sieben Prozent von 70.000 auf 65.000 gesunken.

Ministerpräsident Kretschmann: „Wir wollen auch den Menschen, die seit langem auf einen Job hoffen, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und damit auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eröffnen und setzen uns deshalb für einen sozialen Arbeitsmarkt ein.“ Nach der Bundesratsinitiative für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und der Fachkräfteallianz sei ein weiteres Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht, um Baden-Württemberg zum „Musterland guter Arbeit“ weiter zu entwickeln, so Ministerin Altpeter. Weitere Projekte wie das Tariftreuegesetz oder Initiativen zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern und zur Arbeitnehmerüberlassung/Zeitarbeit seien bereits in Arbeit.

Finanzierung des Konzepts „Gute und sichere Arbeit“

Für das Konzept „Gute und sichere Arbeit“ werden im laufenden Jahr mindestens zehn Millionen Euro eingesetzt, davon fünf Millionen Euro – vorbehaltlich der Zustimmung durch den Landtag - aus Haushaltsmitteln des Landes und weitere fünf Millionen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds des Sozialministeriums. Dazu kommen noch Kofinanzierungsmittel Dritter, so etwa der Bundesagentur für Arbeit. Um den Erfolg der Vorhaben fundiert überprüfen zu können, wird das Konzept „Gute und sichere Arbeit“ wissenschaftlich begleitet. Erfahrungen des Bundes und anderer Bundesländer sollen bei der konkreten Ausarbeitung der einzelnen Konzeptteile mit einfließen.

Die fünf Bausteine des Konzepts für „Gute und sichere Arbeit“

Die fünf Bausteine des Konzepts wurden in Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, den Kommunalen Landesverbänden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ausgearbeitet und werden in ihren Grundzügen von den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit unterstützt.

1. Baustein: Modellhafte Entwicklung eines sozialen Arbeitsmarktes durch Passiv-Aktiv-Tausch

Ziel ist es, durch die Förderung  sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen bisher Langzeitarbeitslosen die aktive Teilhabe am Arbeitsleben zu fairen Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Gefördert werden können etwa 500 Arbeitsplätze, die in gewerblichen Unternehmen, aber auch bei Sozialunternehmen angesiedelt sein können. Die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit soll mittelfristig zu einer nachhaltigen Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt führen.
Altpeter: „Wir wollen in Baden-Württemberg die Chancen und Risiken des Passiv-Aktiv-Tauschs bundesweit erstmals in dieser Form überprüfen und – wenn das Modellprojekt erfolgreich verläuft – über Bundesratsinitiativen dann auch bundesweit verankern.“

2. Baustein: Ausbildung für Benachteiligte

Der Schwerpunkt liegt auf dem landesweiten Ausbau der assistierten Ausbildung und der Teilzeitausbildung von Frauen. Es hat sich gezeigt, dass problembehaftete Jugendliche dann eine Ausbildung zum Abschluss bringen können, wenn sie intensiv begleitet werden. Kern dieses Bausteins ist die Finanzierung der sozialpädagogischen Begleitung während der Ausbildung. Die besonderen Problemlagen von Migrantinnen und Migranten sowie von Alleinerziehenden werden im Rahmen dieses Bausteins besonders berücksichtigt, ebenso der hohe Bedarf an Personal im Bereich der Pflege und Altenhilfe.

Gefördert werden Ausbildung und berufliche Integration von Benachteiligten. 2012 sollen hierfür 2,5 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Ministerin Altpeter erklärte außerdem, dass insgesamt allein aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds des Sozialministeriums in den kommenden drei Jahren rund zehn Millionen Euro in die Finanzierung dieses Bausteins fließen würden. Beispielhaft verwies sie auf vier Projekte, die bereits in diesem Monat starten:

  • ESA: Projekt des CJD Stuttgart „ESA – Existenz sichernde Arbeit für Alleinerziehende in BW“. Gefördert werden alleinerziehen­de langzeitarbeitslose Frauen mit mindestens einem Kind, auch Frauen mit Migrationshintergrund. Durch Coaching und Berufsorientierung sollen in den Jahren 2012 bis 2014 mindestens 150 Frauen in Stuttgart und Karlsruhe auf eine Ausbildung oder Umschulung vorbereitet werden. Die Teilnehmerinnen werden in Umschulungs- und Ausbildungsverhältnisse in Voll- und Teilzeit gebracht. Alleinerziehende mit abgeschlossener Ausbildung werden in Arbeitsverhältnisse vermittelt. Die Frauen werden auch in der Probezeit begleitet.
  • KORA: Das Projekt „KORA Kreativität – Orientierung – Aktivität“ der Fördergesellschaft der Handwerkskammer Freiburg zielt insbesondere auf arbeitslose Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, aber auch Frauen aus der so ge­nannten stillen Reserve, die bisher nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Der Projektträger will in den Landkreisen Breisgau Hochschwarzwald, Emmendingen, Ortenaukreis, Lörrach und im Stadtkreis Freiburg unter anderem auch Handwerksbetriebe für die Teilnahme am Projekt gewinnen und berät die Betriebe während der Projektzeit. Die Teilnehmerinnen sollen sich in einem speziellen Berufsfeld qualifizieren und dann passgenau in entsprechende Betriebe vermittelt werden, wo sie auch in der Probezeit qualifiziert begleitet werden.
  • SAM: Das Projekt SAM (Stationäre Alltagsbetreuung durch alleinerziehende Mütter) des Pforzheimer Projektträgers Q-PRINTS&SERVICE fördert die Teilzeitausbildung von insgesamt 39 alleinerziehenden Müttern zu Alltagsbetreuerinnen. Die Ausbildung ermöglicht den Teilnehmerinnen, den Hauptschulabschluss nachzuholen und schließt mit dem staatlich anerkannten Abschluss zur Alltagsbetreuerin ab. Die praktische Ausbildung findet in den Krankenhäusern in den Landkreisen Ludwigsburg, Enzkreis und Karlsruhe statt. Der Abschluss ermöglicht den Zugang zur Altenpflegehilfe-, Altenpflege- und Krankenpflegehilfeausbildung. Der in dem Projekt entwickelte Ausbildungsgang soll in die Einrichtung einer privaten Schule für Alltagsbetreuer und Servicehelfer münden, die nach dreijähri­gem Schulbetrieb staatliche Förderung beantragen kann.
  • CARPO: Mit rund 4,5 Mio. Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds wird das Land in den kommenden drei Jahren das schon bisher sehr erfolgreiche Projekt „carpo - assistierte Ausbildung“ fördern. Rund 500 Frauen und 400 junge Männer sollen davon profitieren. Neue Projektstandorte werden in den Landkreisen Ludwigsburg und Zollernalbkreis sowie im Stadtkreis Pforzheim eingerichtet. Chancenarmen jungen Menschen soll mit carpo die Aufnahme und der Abschluss einer regulären Ausbildung sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit ermöglicht werden. Teilnehmen können junge Mütter und Väter, Jugendliche mit Migrationshintergrund, Jugendliche, die einen geschlechteruntypischen Beruf ergreifen wollen und junge Menschen, die seit über einem Jahr keine Ausbildungsstelle gefunden haben. Carpo ist ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werkes Württemberg e.V. und des Paritätischen Baden-Württemberg e.V.

3. Baustein: Sicherung der Nachhaltigkeit der Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt

Viele der in den ersten Arbeitsmarkt integrierten Langzeitarbeitslosen landen nach kurzer Zeit viel zu oft wieder in Hartz IV (SGB II). Denn nach derzeitigem Recht ist es der Bundesagentur für Arbeit verwehrt, eine in den ersten Arbeitsmarkt neu integrierte Person dort weiter zu begleiten. Diese Lücke soll mit diesem Baustein geschlossen werden. Das Land fördert Personalaufwendungen für eine erforderliche soziale Begleitung und Betreuung.
Für eine entsprechende Begleitung von ca. 400 Personen wird ein Bedarf von zwei Millionen Euro eingeplant.

4. Baustein: Modellhafte Unterstützung von Arbeitslosenzentren und Beschäftigungsförderstellen

Es soll überprüft werden, welchen Gewinn ein auf  regionaler Ebene eingesetzter „Beschäftigungsförderer“ (im Sinne eines Netzwerkers)  bringen kann, der Arbeitgeber z. B. auf Potentiale von Langzeitarbeitslosen hinweist und über konkrete arbeitsmarktpolitische Instrumente informiert, der den Übergang von subventionierter in nicht subventionierte, Beschäftigungsverhältnisse organisiert oder regionale Beschäftigungsfelder entwickelt.,
Für die Finanzierung dieses Bausteines werden Mittel in Höhe von etwa 1,75 Millionen  Euro angesetzt.

5. Baustein: Arbeit und Gesundheit

Die Bedeutung der Gesundheit nimmt vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung zu. Gerade bei Langzeitarbeitslosen sind häufig chronische Gesundheitsstörungen vorhanden. Deshalb sollen spezielle Präventionsprogramme auch für Langzeitarbeitslose bereitgestellt werden. In Abstimmung mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Unfallversicherungsträgern, der Rentenversicherung Baden-Württemberg, den Krankenkassen und der Agentur für Arbeit sind bereits konkrete Ansätze entwickelt worden, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Zielgruppe haben.

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