Telemedizinische Anwendungen, alltagsunterstützende Assistenzsysteme oder auch Gesundheits-Apps gewinnen in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Was ist aber der beste Weg, um diese neuen digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen vom Projektstatus in die Regelversorgung zu überführen und sie für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen? Diese und weitere Fragen diskutierten die rund 250 Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gesundheitssektor beim zweiten Symposium „Telemedizin - Digitalisierung in Medizin und Pflege“, das in Stuttgart stattfand. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom Ministerium für Soziales und Integration und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg ausgerichtet.
„Nichts verändert die Gesellschaften radikaler als der immer schneller voranschreitende technologische Wandel. Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Teil dieses Wandels – diese Entwicklungen sind längst auch im Gesundheits- und Pflegebereich angekommen. Ich sehe hier große Chancen für den Einsatz digitaler Technologien, zum Beispiel in der Telemedizin, der sektorenübergreifenden Versorgung, bei der elektronischen Patientenakte oder in der häuslichen Pflege“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha.
„In den vergangenen Jahren wurde in Baden-Württemberg viel geforscht im Bereich Telemedizin. Dabei konnten große Fortschritte erzielt werden. Jetzt geht es darum, dass die neuen Erkenntnisse bei Ärzteschaft und Pflegenden ankommen und die Telemedizin zum Nutzen der Patientinnen und Patienten auch Anwendung findet – in der Vorsorge, Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation. Der Fokus liegt jetzt klar auf dem Transfer der digitalen Anwendungen in die medizinische Praxis“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Umso wichtiger sei es, die entscheidenden Akteure miteinander zu vernetzen.
Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter
Baden-Württemberg positioniere sich derzeit erfreulicherweise als bundesweiter Vorreiter, beispielsweise wenn es um Modellversuche zur Video-Sprechstunde gehe, so Lucha. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg habe als bisher erste Kammer bundesweit die Berufsordnung gelockert, so dass nun modellhaft Projekte mit echter Fernbehandlung, also ohne vorherigen Kontakt von Patientin und Patient mit Ärztin oder Arzt, erlaubt seien. Derzeit seien vier solcher Projekte von der Landesärztekammer genehmigt worden. Lucha: „Mein Haus hat geprüft, dass im Rahmen der Modellprojekte auch e-Rezepte ausgestellt werden dürfen.“
Minister Lucha weiter: „Die Modellprojekte können der Verbesserung und Förderung der ärztlichen Versorgung dienen – besonders auch im ländlichen Raum. Sie haben das Ziel, nicht zwingend notwendige Direktkontakte zwischen Patientinnen und Patienten und Krankenhausambulanzen zu vermeiden. Arztpraxen sollen in unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Regionen entlastet werden, indem ‚einfache‘ Fälle telemedizinisch beraten und versorgt werden. Ärztinnen und Ärzte haben somit mehr Zeit für Patientinnen und Patienten, die tatsächlich in die Sprechstunde kommen müssen.“ Die Ausstellung von e-Rezepten biete gerade auch für ältere Menschen einen Vorteil. Folgerezepte müssten dann nicht mehr bei der Ärztin oder dem Arzt abgeholt werden, sondern könnten unmittelbar in eine Apotheke der eigenen Wahl gesendet und das Medikament dort abgeholt werden.
Neues Handbuch zur Qualitätsentwicklung in der Telemedizin
„Damit der wichtige Transfer von der Forschung in die Praxis gelingt, unterstützt künftig das ‚Praktische Handbuch zur Qualitätsentwicklung in der Telemedizin‘ mit wertvollen Informationen. Somit kommen wir dem Ziel, Telemedizin in der Fläche einzusetzen, ein gutes Stück näher“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Das beim Symposium vorgestellte und von der Universitätsklinik Heidelberg in Kooperation mit der Koordinierungsstelle Telemedizin erstellte neue Handbuch wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit 130.000 Euro gefördert.
Das Buch ist eine Handreichung für alle, die mit einer Idee für eine telemedizinische Lösung einen sinnvollen Beitrag leisten möchten. Es enthält auch eine Checkliste mit Qualitätskriterien, anhand derer telemedizinische Projekte auf ihre Anwendungstauglichkeit hin überprüft werden können. „Damit sich die Behandlung via Bildschirm, Laptop oder Smartphone durchsetzen kann, muss gewährleistet sein, dass die telemedizinischen Behandlungskonzepte alltagstauglich sind und in der Praxis gut funktionieren“, so Bauer weiter. Die Beurteilung, ob ein telemedizinisches Projekt diesen Sprung schaffen könne, sei Teil der Aufgabe der Koordinierungsstelle Telemedizin in Mannheim.
Quartiersentwicklung und digitale Anwendungen in der Pflege
Darüber hinaus würden die Quartiersentwicklung und digitale Anwendungen in der Pflege verzahnt, hierzu fördere sein Ministerium bereits Projekte im Innovationsprogramm Pflege, sagte Lucha. „Insgesamt ist es uns wichtig, die technischen Möglichkeiten zu nutzen, um allen Menschen im Land eine qualitativ hochwertige und effiziente medizinische und pflegerische Versorgung zu ermöglichen, die höchste technische, aber auch ethische Standards erfüllt. Eines ist aber auch ganz klar: Die telemedizinischen Angebote werden die bisherigen Behandlungsformen unterstützen und ergänzen – sie werden menschliche Zuwendung und Empathie aber niemals ersetzen können“, so der Minister abschließend.
Symposium „Telemedizin - Digitalisierung in Medizin und Pflege“
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