Gesundheit

Abschlussbericht des Modellprojekts sektorenübergreifende Versorgung liegt vor

Symbol Sektorenübergreifende Versorgung

Eine stärkere Vernetzung der Versorgungssysteme und eine Überwindung der starren Sektorengrenzen ist in Zukunft unerlässlich. Das zeigen die Projektergebnisse eines vom Ministerium für Soziales und Integration eingerichteten Modellprojekts zur sektorenübergreifenden Versorgung.

Wer versorgt uns zukünftig im medizinischen Notfall? Wo finde ich ärztliche Versorgung, wenn eine hausärztliche Praxis schließt und sich keine Nachfolger finden? Welche Versorgungsmodelle brauchen wir in einer immer älter werdenden Gesellschaft? Diese und weitere Fragen wurden in einem vom Ministerium für Soziales und Integration eingerichteten Modellprojekt zur sektorenübergreifenden Versorgung untersucht. Das Ergebnis: Ambulante und stationäre Versorgung, Gesundheitsförderung und Prävention, Rehabilitation, Pflege und palliative Medizin sowie ehrenamtlichen Strukturen müssen enger verzahnt und zusammen gedacht werden.

„Jede Bürgerin und jeder Bürger soll auch in Zukunft am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt die richtige Behandlung bekommen. Das ist unser großes Ziel“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha anlässlich der Vorstellung der Projektergebnisse in Stuttgart.

In dem bundesweit einzigartigen, von Anfang an wissenschaftlich begleiteten Modellprojekt in der Region Südwürttemberg (Landkreise Reutlingen, Biberach und Ravensburg), für das das Land insgesamt eine Million Euro zur Verfügung gestellt hatte, sei von 2016 bis 2018 über Kreisgrenzen hinweg untersucht worden, wie die Gesundheitsversorgung derzeit aussieht und wie sie weiterentwickelt werden muss, um auch künftig eine leistungsstarke, bedarfsgerechte gesundheitliche und medizinische Versorgung im Land sicherzustellen. „Mit dem Modellprojekt haben wir bundesweit Pionierarbeit geleistet, worauf ich richtig stolz bin“, sagte Lucha.

Modellprojekt liefert Datengrundlage für Gestaltung zukünftiger Versorgungskonzepte

„Es wurden sowohl die derzeitigen Versorgungsstrukturen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie den Kliniken, aber auch der Pflege und Reha genau unter die Lupe genommen. Daraus resultierend sind konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt worden, wie wir die gesundheitliche Versorgung in Baden-Württemberg weiter optimieren können“, so der Minister weiter. „Für tragfähige Konzepte braucht es eine umfassende Datengrundlage. Erst auf dieser Grundlage ist es uns möglich, zukünftige Versorgungskonzepte bedarfsgerecht zu gestalten.“ Mit dem Projekt erhalte das Land wichtige Impulse für die Gesundheitsversorgung auch in anderen Regionen in Baden-Württemberg.

„Die Sicherstellung einer flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung ist Teil der Daseinsvorsorge und eine wichtige Aufgabe der Stadt- und Landkreise“, betonte der Koordinator des Modellprojekts und Leiter des Reutlinger Kreisgesundheitsamtes, Dr. Gottfried Roller. Dabei fordert er eine stärkere Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in der regionalen Versorgungsplanung. „Die vom Land etablierten Kommunalen Gesundheitskonferenzen sind eine ideale Drehscheibe zwischen bürgerschaftlichem Dialog, politischer Steuerung und fachlich sinnvollem Handeln“, so Roller weiter. Das Modellprojekt habe gezeigt, wie wichtig die Einbindung der Kommunalen Gesundheitskonferenzen und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für eine sektorenübergreifende Versorgung sei.

Handlungsempfehlungen: Lokale Zentren, multiprofessionelle Teams, digitale Vernetzung

Als Ergebnis des Projekts sind Handlungsempfehlungen entstanden, die sich an die unterschiedlichen Entscheidungs- und Umsetzungsebenen (Bund/Land/lokale Ebene) richten. Konkret soll insbesondere auch in strukturschwachen Regionen die Einrichtung von Primärversorgungszentren erreicht werden, in denen multiprofessionelle Behandlungsteams zusammenarbeiten und gut vernetzt sind.

Ein Beispiel hierfür sind lokale Gesundheitszentren, die auf den regionalen Bedarf abgestimmt und kommunal gut eingebunden sind. In diesen Zentren arbeiten Teams aus Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Gesundheits-, Sozial- und anderer Berufe zusammen (Hausärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Akteure aus dem Bereich der Pflege und der Sozialarbeit). Weitere lokale professionelle und ehrenamtliche Angebote sollen an die Zentren angeschlossen werden. Die Zentren können über die Nutzung digitaler Technik mit stationären Einrichtungen vernetzt werden.

Methodik des Projekts

Im Zuge des Modellprojektes wurden bei sieben Krankheitsbildern (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bösartige Neubildungen, psychische, neurologische und andere Erkrankungen) die derzeitigen Versorgungsstrukturen analysiert und dargestellt, wie eine optimale Versorgung für die Patientinnen und Patienten aussehen kann. Dabei wurde deutlich, dass einerseits in Baden-Württemberg eine exzellente Versorgung auf hohem Niveau besteht. Andererseits zeigte die Sicht der Betroffenen und Angehörigen, dass teilweise keine strukturierten Patientenpfade erkennbar sind, es wenig Transparenz über die bestehenden Angebote gibt und Angehörige ihrem Schicksal alleine überlassen werden. Am Beispiel der Essstörungen wurden mehrere Problemfelder deutlich: eine fehlende abgestimmte ambulante und stationäre Planung, lange Wartezeiten auf ambulante und stationäre Therapieplätze, die dazu führen, dass Betroffene zu spät stationär aufgenommen werden und aufgrund des Krankheitsbildes dann lange stationäre Aufenthalte mit hohen ökonomischen Kosten verursachen. Ebenfalls wurden die inadäquate Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Therapeuten und der fehlende Übergang bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ins Erwachsenenalter deutlich.

„Die nun vorliegenden Empfehlungen und Schlussfolgerungen sehen wir als wichtige Diskussionsgrundlage, weil sie ganz konkrete Schritte hin zu einer wirklich sektorenübergreifenden Versorgung aufzeigen. Diese werden wir nun mit unseren Partnern im Gesundheitswesen, aber auch mit meinen Kollegen in der Gesundheitsministerkonferenz und dem Bundesgesundheitsminister in Berlin diskutieren und auf ihre Umsetzbarkeit prüfen“, so Minister Lucha abschließend.

Ergänzende Informationen

Das Versorgungskonzept wurde gemeinsam mit zahlreichen Partnern in der Region, mit Krankenhausträgern, Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenkassen, mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, Vertretungen der Gesundheitsfachberufe und der Pflege sowie den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet. Wissenschaftlich begleitet wurde die Konzeptentwicklung durch das Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt/Main unter der Leitung des Vorsitzenden des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Dr. med. Ferdinand M. Gerlach.

Die begleitenden Dialogveranstaltungen wurden durch das Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (Professor Dr. Dr. h.c. Ortwin Renn/Professor Dr. André Bächtiger) wissenschaftlich konzipiert, moderiert und durchgeführt. Grundlage für die Erarbeitung des Konzepts ist eine Datenerhebung und -analyse durch die Universität Heidelberg (Professor Dr. med. Joachim Szecsenyi). Darin sind die Morbidität, also die Häufigkeit von Erkrankungen unter den Bürgerinnen und Bürgern Baden-Württembergs sowie der Ist-Zustand der ambulanten (haus- und fachärztlichen) und der (teil )stationären Gesundheitsversorgung beschrieben. Außerdem wird der zukünftige Versorgungsbedarf perspektivisch aufgezeigt. Insgesamt wurden auch Daten an den Schnittstellen zur Pflege sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention einbezogen. Die Daten werden im Abschlussbericht sowohl auf Landesebene als auch für die Land- und Stadtkreise Baden-Württembergs dargestellt.

Abschlussbericht sowie Zusammenfassung der Ergebnisse des Modellprojekts

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