Gesetzentwurf

Änderung des Unterbringungsgesetzes

Rede von Sozialministerin Katrin Altpeter auf der Plenarsitzung des Landtags:

"Ich freue mich sehr darüber, dass ich Ihnen nun nach einem intensiven Prozess der Anhörung von Bürgern, Experten und Betroffenen den Entwurf zur notwendigen Zwangsbehandlung im Unterbringungsrecht vorstellen kann. Die neue gesetzliche Regelung musste geschaffen werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2011 die bisherige Rechtsgrundlage in § 8 UBG für verfassungswidrig erklärt hat. Bereits zuvor hatte es im März 2011 die Rechtsgrundlage zur Zwangsbehandlung in Rheinland-Pfalz für verfassungswidrig erklärt und mittlerweile im Februar 2013 auch die sächsische.

Die Problematik ist somit keine rein baden-württembergische, vielmehr arbeiten inzwischen viele Bundesländer an entsprechenden Rechtsgrundlagen. Baden-Württemberg ist jedoch das erste Bundesland, das jetzt eine entsprechende Regelung in den Landtag eingebracht hat."

Stand der zwangsweisen Behandlungsmöglichkeit heute

"Nachdem die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt worden ist, gibt es für die psychiatrischen Krankenhäuser, in denen die gerichtlichen Unterbringungen und auch der Maßregelvollzug vollzogen werden, gesetzlich keine ausdrückliche Möglichkeit, Patienten zwangsweise zu behandeln. Nur in den schwerwiegendsten Fällen, in denen tatsächlich das Leben des Patienten auf dem Spiel steht, kann derzeit gegebenenfalls unter den Voraussetzungen des gesetzlichen Notstands behandelt werden. Dies stellt für die Ärzte jedoch eine rechtliche Grauzone dar. Sie schließt viele Patienten aus, die behandlungsfähig wären und denen die Behandlung sowohl objektiv als auch subjektiv helfen würde, wieder zu einem selbstbestimmten Leben zu finden. Die Folge davon ist zurzeit, dass Fixierungen und Isolierungen, wenn sie unvermeidbar werden, ohne begleitende medikamentöse Behandlung durchgeführt und oft von den Betroffenen als unerträglich empfunden werden. Dies stellt auch für den behandelnden bzw. besser gesagt den nicht behandelnden Arzt eine Situation am Rand des Erträglichen dar. Wir haben hier also dringenden Handlungsbedarf, dem wir mit unserem Gesetzentwurf jetzt nachkommen."

Die neue Behandlungsmöglichkeit des § 8 UBG

"Die vorgelegte Neuregelung des § 8 UBG berücksichtigt alle verfassungsrechtlichen Vorgaben, indem sie sich eng an den Voraussetzungen orientiert, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsmedikation aufgestellt hat. Demnach ist eine Behandlung grundsätzlich nur mit Einwilligung des untergebrachten Patienten möglich. Eine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Untergebrachten gibt es nur in Ausnahmefällen.

Hier muss der Patient krankheitsbedingt nicht einsichtsfähig in seine Krankheit und ihre Behandlungsbedürftigkeit sein. Hinzukommen müssen Selbstgefährdung des Patienten oder die Unmöglichkeit, ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ohne Behandlung zu führen. Die Regelung unterstreicht die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des untergebrachten Patienten. Bei akuter Fremdgefährdung bedarf es keiner krankheitsbedingten Einsichtsunfähigkeit. Zunächst muss der Arzt, der eine Zwangsbehandlung für notwendig erachtet, alle Einzelheiten des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchprüfen. Hier spielt vor allem die Frage nach dem milderen Mittel eine große Rolle.

Wenn das erstrebte Ziel, zum Beispiel die Überwindung einer akuten suizidalen Krise, mit milderen Mitteln, beispielsweise der Psychotherapie, erreicht werden kann, muss dieses Mittel gewählt werden. Außerdem muss der Wille des Patienten, den er in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat, beachtet werden. Hat er hier verfügt, dass im Falle seiner krankhaften Einsichtsunfähigkeit keine Zwangsmedikation erfolgen darf, ist die Einrichtung hieran gebunden. Eine Zwangsmedikation darf dann nicht erfolgen. Schutz erfährt der Patient dann nur durch die Unterbringung selbst und etwaige Fixierungs- und Isolierungsmaßnahmen sowie Gesprächs- und andere Formen der Therapie. Ist die Zwangsmedikation jedoch nicht durch eine Patientenverfügung ausgeschlossen und ist sie verhältnismäßig, hat der Arzt den Patienten als weitere Voraussetzung für die Behandlung entsprechend aufzuklären. Bleibt er bei seiner Weigerung, hat die Einrichtung, also das psychiatrische Krankenhaus, bei Gericht einen Antrag auf Zustimmung zur Zwangsbehandlung zu stellen. Das Gericht hat dann zwingend ein Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. Die Zwangsbehandlung steht also von Vorneherein unter richterlicher Aufsicht.

Diesen Richtervorbehalt, der mir persönlich sehr wichtig war, haben wir gewählt, da nur er unserer Meinung nach dem hohen Rechtsgut des Selbstbestimmungsrechtes psychisch kranker Menschen angemessen ist. Wir greifen hier in gewichtige Rechtsgüter ein. Das ist in den gesetzlich geregelten Fällen zwar nicht zu vermeiden, muss dann aber unter hohen Voraussetzungen erfolgen. Andere Formen der Einschaltung einer neutralen Stelle anstelle der Gerichte, zum Beispiel die Gesundheitsämter, genügen dem Gewicht der zu treffenden Entscheidung und dem Stellenwert, den wir der körperlichen und psychischen Unversehrtheit psychisch kranker Mitbürger zumessen, nicht. Die Einschaltung von unabhängigen Gerichten sichert größtmögliche Neutralität.

Diesen Weg ist im Februar dieses Jahres deshalb auch der Bundesgesetzgeber gegangen, der die Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht auch unter Richtervorbehalt gestellt hat. Deshalb war es zusätzlich wichtig, hier im Bundesrecht und Landesrecht das gleiche Verfahren zu wählen."