Sozialministerin Katrin Altpeter sieht das Land im Hinblick auf die künftigen Anforderungen an die Pflegeinfrastruktur gut aufgestellt. Mit über 100.000 teil- und vollstationären Pflegeplätzen verfüge Baden-Württemberg über eine moderne, leistungsfähige und zahlenmäßig ausreichende stationäre Pflegeinfrastruktur.
Die vorhandenen Daten zur Auslastung der Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg deuteten derzeit eher auf eine Überversorgung mit einer Auslastung von etwa 85 Prozent im Landesdurchschnitt hin. Gleichwohl sei die heute vorgelegte Vorausberechnung des Statistischen Landesamtes zur Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und des benötigten Pflegepersonals für die Jahre 2030 und 2050 eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft sowie die politisch Verantwortlichen in Land und Bund.
Nach der Modellrechnung des Statistischen Landesamtes steigt die Zahl der pflegebedürftigen Personen in Baden-Württemberg von 246 038 im Jahr 2009 um 43 Prozent auf rund 352 000 Menschen im Jahr 2030. Dabei würde der Anteil der vollstationär Gepflegten mit 54 Prozent von 84 019 auf fast 130 000 Personen zunehmen, die Zahl der ambulant Gepflegten von 49 650 auf rund 76 000 um 52 Prozent. Altpeter machte darauf aufmerksam, dass diese Prognose bestehende Trends fortschreibe, die jedoch durch politische Gestaltungskraft und gesellschaftliche Prozesse auch Veränderungen unterlägen.
Altpeter zeigte sich überzeugt, dass der Ausbau der ambulanten Pflegeinfrastruktur der Schlüssel ist, um angesichts veränderter Familienstrukturen für die Bevölkerung auch in Zukunft eine angemessene Pflege sicherzustellen. Da die Menschen am liebsten zu Hause gepflegt werden möchten, müssten häusliche Pflegearrangements durch einen Mix aus bürgerschaftlichem Engagement, professionellen Diensten und Unterstützungsangeboten im Wohnumfeld ermöglicht werden. Die Ministerin machte aber auch deutlich, dass der Bund zur Gewährleistung einer angemessenen Pflege endlich die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen müsse: durch eine echte Pflegereform mit einer nachhaltigen Finanzierung.
Wichtige Ziele und Maßnahmen der Pflegepolitik im Land
Ambulant vor stationär – Ausbau der Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege – Unterstützung Demenzkranker
Priorität in der Pflegepolitik hat der Grundsatz „ambulant vor stationär“. Rund 2/3 aller Pflegebedürftigen werden in Baden-Württemberg zu Hause versorgt, aber nur 20 Prozent auch durch ambulante Pflegedienste. Der Ausbau der ambulanten Pflegeinfrastruktur soll pflegende Angehörige unterstützen. Dazu gehört auch der Ausbau der Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege.
Um ein flächendeckendes Netz an Angeboten zur Betreuung von pflegebedürftigen und von demenzkranken Menschen im häuslichen Umfeld zu etablieren und pflegende Angehörige zu entlasten, seien die Fördermittel um gut 700 Tsd. Euro aufgestockt worden, so Ministerin Altpeter. Auch der Ausbau bürgerschaftlich organisierter Initiativen werde damit vorangetrieben.
Geschaffen würden damit auch niedrigschwellige Betreuungsangebote in der Form von Betreuungsgruppen oder häuslichen Besuchsdiensten, die insbesondere demenzkranke Menschen ein- bis zweimal pro Woche für zwei bis drei Stunden betreuen und die pflegenden Angehörigen entlasten. Landesweit bestünden derzeit über 500 solcher Angebote.
Unterstützt werden zudem niedrigschwellige Betreuungsangebote in Form von Seniorennetzwerken und Pflegebegleiter-Initiativen, die neben den demenzkranken Hilfe- und Pflegebedürftigen zusätzlich auch körperlich Pflegebedürftige mit einschließen.
Ausbau des teilstationären Pflegeangebots
„Wir fördern den weiteren Ausbau teilstationärer Pflegeangebote, vor allem im ländlichen Raum, sowie wohnortnahe und innovative Versorgungsstrukturen“, so die Ministerin. Dafür würden im Rahmen des „Modellprogramms Pflege“ etwa 3,2 Mio. Euro ausgegeben. Die geförderten Projekte sollen Älteren und auch demenzkranken Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in ihrer gewohnten Umgebung ermöglichen und die Familien unterstützen. Dazu zählt insbesondere der Ausbau von Tages- und Nachtpflegeplätzen im ländlichen Raum. Finanziell unterstützt werden auch modellhafte Dezentralisierungs- und innovative Demenzprojekte.
Sozialministerin Altpeter verwies zudem auf Modellprojekte des Landes, die mit insgesamt 3,6 Mio. Euro pflegebedürftigen und älteren Menschen durch Technikunterstützung und Monitoring-Technologien das Verbleiben in ihrer gewohnten Umgebung ermöglichen sollen.
Pflegeberufe attraktiver machen
Das Statistische Landesamt geht davon aus, dass sich der Bedarf an Pflegekräften bis 2030 auf knapp 163.000, also gegenüber 2009 um 54 Prozent erhöhen wird. „Dafür müssen wir heute die Weichen stellen“, so die Ministerin. Baden-Württemberg sei derzeit noch in einer vergleichbar guten Ausbildungssituation mit knapp 17.000 Schülerinnen und Schülern für einen Pflegeberuf. „Dennoch müssen wir mehr Menschen für einen Pflegeberuf interessieren und gewinnen.“
Die Informations- und Werbekampagne „Attraktivität der Pflegeberufe und sozialen Berufe“ (derzeit läuft die Ausschreibung) sei ein Baustein dazu. Auch die Träger von Pflegeeinrichtungen stünden in der Pflicht, durch angemessene Rahmenbedingungen den Pflegeberuf attraktiver zu machen.
Baden-Württemberg habe auf Bundesebene sehr engagiert mitgearbeitet bei der Reform der Pflegeausbildung. Ziel sei die Zusammenführung der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Pflegeberuf. Diese Reform sei eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die Pflegeberufe attraktiver werden und müsse deshalb vom Bund bald umgesetzt werden, so Altpeter.
Reform der Pflegeversicherung auf Bundesebene angemahnt
Scharfe Kritik übte Ministerin Altpeter am geplanten Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz der Bundesregierung. Mit den teilweise höheren Leistungen für Menschen mit Demenz enthalte es zwar Maßnahmen, die in die richtige Richtung gingen. „Es fehlt jedoch an einem Gesamtkonzept für die Zukunft der Pflege.“
Die Bundesregierung weiche den notwendigen politischen Entscheidungen nach wie vor aus, insbesondere zur Finanzierung eines zukunftsfähigen Leistungssystems und der Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes.
Die Pflegeversicherung brauche eine verlässliche Finanzierungsstruktur und dafür biete eine solidarische Bürgerversicherung die Grundlage. Außerdem müsse es in der Pflegeversicherung gleichberechtigte Leistungsansprüche für Menschen mit Behinderung geben.
Altpeter fordert von der Bundesregierung zudem eine umfassende Verbesserung der sozialrechtlichen Ansprüche pflegender Angehöriger. Das neue Familienpflegezeitgesetz reiche bei weitem nicht aus. Insbesondere vor dem Hintergrund des Rückgangs familialer Pflegepotentiale seien hier verstärkte Anreize notwendig.
Quelle:
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Frauen, Familie und Senioren Baden-Württemberg