Vor rund 800 Gästen haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha in Stuttgart den ersten Integrationspreis des Landes Baden-Württemberg in vier verschiedenen Kategorien vergeben.
„Integration findet überall in Baden-Württemberg statt und hat viele Gesichter. Zahlreiche Menschen, Kommunen und Organisationen setzen sich im Land mit viel Herzblut und Leidenschaft für ein gelingendes und selbstverständliches Zusammenleben von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte ein“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart. Dieses Engagement hat die Landesregierung nun mit dem ersten Integrationspreis des Landes Baden-Württemberg gewürdigt.
„Wir wollen mit dem Preis das riesige Engagement der Zivilgesellschaft, der Kommunen, der Verwaltungen, der Verbände und auch der Unternehmen im Land würdigen. All diese Initiativen und Projekte tragen wesentlich zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei und zeigen, dass Vielfalt ein selbstverständlicher Teil Baden-Württembergs ist“, sagte Kretschmann. Integrationsminister Lucha wies auf die überwältigende Resonanz auf die Ausschreibung hin: „Das Interesse war enorm und hat all unsere Erwartungen übertroffen. Alle eingegangenen Projekte und Initiativen greifen wichtige Herausforderungen auf. Die Menschen hier im Land sind kreativ und engagiert, sie sind Impulsgeber und zeigen, dass Integration gelingt, wenn wir alle an einem Strang ziehen.“
Drei Kategorien und ein Sonderpreis
Die Jury, bestehend aus den Mitgliedern des Landesbeirats für Integration, hat die Preisträger in den drei Kategorien Zivilgesellschaft, Unternehmen & Verbände sowie Kommunen & Verwaltungen ermittelt. Zusätzlich wurde noch ein Sonderpreis im Bereich „Kinder und Jugend“ vergeben. Als Wertschätzung für deren vielfältiges Engagement waren alle Bewerberinnen und Bewerber zum Festakt eingeladen, der von der Moderatorin und Journalistin Pinar Atalay moderiert wurde.
Startschuss für Integrations-Initiative #gemeinsamBW
Ebenfalls an diesem Abend startete das Ministerium für Soziales und Integration unter dem Hashtag #gemeinsamBW eine Integrations-Initiative, für die das Haus zahlreiche prominente Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen konnte. Teil der Initiative sind neben vielen anderen der Trainer des SC Freiburg, Christian Streich, der Stuttgarter Sternekoch Vincent Klink, der Ex-Fußballprofi und Integrationsbeauftragte des DFB, Cacau, der Tänzer und Choreograf Eric Gauthier sowie die Unternehmerin Antje von Dewitz.
„Ich freue mich, dass so viele Menschen in Baden-Württemberg zeigen: Integration ist bei uns im Land gelebte Praxis. Lassen Sie uns weiterhin Farbe bekennen und für Vielfalt und ein respektvolles Miteinander eintreten“, so Integrationsminister Lucha.
Ergänzende Informationen
Der Landespreis für Integration wird in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. Bewerben konnten sich Einzelpersonen, Vereine, Unternehmen, Initiativen, Kommunen, Schulen und Verbände, die sich in besonderer Weise für Integration und Zusammenhalt in Baden-Württemberg einsetzen. Es sind insgesamt 380 Bewerbungen eingegangen.
In allen vier Kategorien werden ein erster, zweiter und ein dritter Platz sowie Anerkennungspreise vergeben.
Für den ersten Platz wird jeweils ein Preisgeld von 4.000 Euro vergeben, für den zweiten Platz 2.000 Euro und für den 3. Platz 1.000 Euro. Beim Sonderpreis „Kinder und Jugend“ gibt es Preisgelder in Höhe von 3.000 Euro, 2.000 Euro bzw. 1.000 Euro.
Liste der Preisträger
Nach intensiven Beratungen hat der Landesbeirat für Integration als Jury beschlossen, den Integrationspreis an folgende Projekte und Initiativen zu verleihen:
Sonderpreis „Kinder und Jugend“
Platz 1: Psychosoziales Zentrum des Diakonischen Werks Lörrach
Das Psychosoziale Zentrum in Lörrach setzt seit 2017 fach- und kulturspezifische Projekte im Bereich der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung für geflüchtete Kinder, Jugendliche und deren Familien um. Traumatisierte Kinder und Jugendliche werden über einen Zeitraum von zehn Wochen hinweg einmal pro Woche unter Anleitung einer Psychotherapeutin und mit Begleitung der 60 ausgebildeten, ehrenamtlich tätigen Traumahelferinnen und -helfer psychotherapeutisch behandelt. Die Einrichtung bietet Gruppentherapien für Flüchtlingskinder und Jugendliche im Landkreis Lörrach sowie Männerabende und Frauencafés mit Sprachunterricht an.
Platz 2: Buschgirls im Jungbusch, Mannheim
Die Initiative setzt sich seit 2011 für die Stärkung von jungen Menschen, insbesondere mit bulgarischem und rumänischem Migrationshintergrund, im Mannheimer Stadtteil Jungbusch ein. Dabei wird mit „Empowerment“ ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Hierzu gehören die Förderung der Selbstkompetenz und des Coachings, Lernen lernen und die Förderung der ganzen Persönlichkeit bis hin zur Ernährung, zur Demokratiebildung und zum sozialen Handeln. Zu den letzten Projekten gehörte ein Videoworkshop unter professioneller Anleitung.
Platz 3: Leben in Vielfalt im evangelischen Waldheim Tannenberg, Böblingen
Das Projekt fokussiert sich auf die Betreuung von Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren. 140 ehrenamtlich Helfende und zwei Hauptamtliche betreuen in den Sommerferien 1.000 Waldheimkinder. Hierzu gehören auch geflüchtete Kinder und andere Kinder mit Migrationshintergrund. Das Angebot umfasst jeden Tag gemeinsames Frühstück, Mittag- und Abendessen, Spiele im Wald und verschiedene Ausflüge, Bastelaktionen und freies Spiel sowie die Organisation von Begegnungsreisen nach Ägypten, Tunesien und Italien.
Anerkennungspreis: Verein zur Förderung von Jugendlichen e. V., Stuttgart
Der Verein verfolgt das Ziel, durch Aufklärung und Beratung eine gewaltpräventive sexuelle Bildung für Jungen und junge Männer im Alter von zehn bis 27 Jahren zu erreichen. Zwei Sozialpädagoginnen bieten hierfür gezielt Workshops an, die vor allem in Schulen und Flüchtlingsunterkünften stattfinden. Sie werden mindestens an zwei Wochentagen, jeweils in drei Zyklen von zehn Wochen pro Jahr angeboten. Auch werden Zugänge zu sozialraumorientierten Beratungs- und Hilfenetzwerken aufzeigt, um konkrete gesellschaftliche Verortungsmöglichkeiten darzustellen.
Kategorie „Zivilgesellschaft“
Platz 1: Cook Your Future, Heidelberg
Die Initiative setzt sich für die Integration und Ausbildung junger Geflüchteter zwischen 18 und 35 Jahren im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes ein. Die Initiative identifiziert mit einem Assessment-Center geeignete Kandidatinnen und Kandidaten, übernimmt aus einer Assessment-Gruppe von 40 Personen zwölf und bildet sie in einem integrierten Gastro- und Sprachkurs mit nachfolgendem Praktikum so aus, dass ein Großteil der Absolventinnen und Absolventen ausbildungsfähig ist. Begleitet wird die Initiative von einem Netzwerk aus Gastronomen und Hoteliers.
Platz 2: Fußballjugend FSV Schwenningen
Der Sportverein nimmt seit 2008 gezielt geflüchtete Kinder in seiner Jugendabteilung auf, um diese zu integrieren. An der überwiegend ehrenamtlichen Vereinsarbeit beteiligen sich übergreifend Eltern aller kultureller Hintergründe. Mittlerweile haben 50 geflüchtete Kinder eine Mitgliedschaft erworben. Während des Sports und der Freizeitmaßnahmen wird ausschließlich Deutsch gesprochen, um den Spracherwerb zu fördern.
Platz 3: Projektgruppe Traumanetzwerk im Landkreis Calw, StadtLandKultur e. V.
Die Projektgruppe kümmert sich um eine große Anzahl traumatisierter Geflüchteter im Landkreis Calw. Viele davon sind Kinder. Durch frühzeitige Aufarbeitung eines Traumas lässt sich häufig ein lebenslanges Leiden vermeiden. Die Projektgruppe sorgt für die Schulung von haupt- und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern im Bereich der traumafokussierten und traumatherapeutischen Maßnahmen. Durch diese Flüchtlingshelfer ist, trotz Mangels an Therapieplätzen, eine flächendeckende Versorgung aller traumatisierten Geflüchteten im Landkreis Calw möglich.
Platz 3: Hoffnungshaus der Hoffnungsträger Stiftung, Leonberg
Die Hoffnungsträger Stiftung hat das Projekt „Hoffnungshaus“ als ein nachhaltiges integratives Wohnkonzept im Bereich der Integration und der gesellschaftlichen Herausforderungen geschaffen. Ehrenamtlich Tätige wohnen mit Geflüchteten zusammen und unterstützen diese. Primäres Ziel ist es, Geflüchtete in ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu begleiten und sie dabei in ihrem Integrationsprozess individuell zu unterstützen.
Anerkennungspreis: Integrationszentrum der Stiftung Würth, Künzelsau
Schwerpunkt der Arbeit des in einem Gebäudes der Würth Stiftung untergebrachten Integrationszentrums ist es, Flüchtlingen rasch deutsche Sprachkenntnisse zu vermitteln und ihnen konkrete Maßnahmen zur Integration in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben anzubieten. Dabei wird mit allen Akteuren vor Ort kooperiert.
Anerkennungspreis: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e. V.
Der Flüchtlingsrat erhält den Preis stellvertretend für alle Flüchtlingshilfenetz-werke und Arbeitskreise Asyl im Land.
Kategorie „Unternehmen und Verbände“
Platz 1: Café Morlock der Werkstätten Esslingen Kirchheim gGmbH, Plochingen
Das Café Morlock ist eine traditionelle Konditorei mit Café, eröffnet im Jahre 1959. Heute arbeiten 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit und ohne Behinderungen sowie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zusammen. Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Geflüchtete, werden seit 2015 als Konditoren oder als Auszubildende eingestellt und lokale Spezialitäten aus deren Herkunftsländern ausprobiert und ins Sortiment aufgenommen. Während der Arbeit entsteht ein persönlicher und kultureller Austausch, insbesondere durch das Engagement ehrenamtlich Tätiger.
Platz 2: Firma Niemann und Heselschwerdt GmbH, Bad Rappenau
Das Unternehmen beschäftigt gezielt Migrantinnen und Migranten und unterstützt diese sowie deren Familien und andere Menschen mit Migrationshintergrund im Ort bei der Integration. Seit 2014 werden wöchentlich nach einem kostenlosen Abendessen Sprachkurse angeboten. Darüber hinaus gibt es Unterstützung bei der Wohnungssuche und allen alltäglichen Dingen. Viele Kursteilnehmer sind gut im Unternehmen integriert und werden zu Führungskräften.
Platz 3: Buddy Projekt, Young Caritas Mannheim
Das Projekt verbindet mehrere Elemente der Integrationsarbeit um jungen Geflüchteten das alltägliche Leben in Mannheim altersentsprechend zu vermitteln und dabei Kenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln. Seit August 2016 treffen sich ehrenamtliche, volljährige Engagierte mit diesen Jugendlichen, den Buddys, und entdecken ihren Stadtteil und unternehmen Freizeitaktivitäten. Dabei geht es um die deutsche Sprache sowie um Fragen rund um Studium, Ausbildung oder Schule. Bisher wurden 60 Patenschaften vermittelt.
Anerkennungspreis: Unternehmer-Initiative Bleiberecht durch Arbeit, Leutkirch
Das Ziel der Initiative ist die langfristige Integration von Geflüchteten in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, sowie die Gestaltung einer gesetzlichen Regelung, die integrierten Geflüchteten in Arbeit eine Bleibeperspektive und den Unternehmen Planungssicherheit bietet. Bis Februar 2019 haben sich über 150 Unternehmen der Initiative angeschlossen – insgesamt bedeutet dies, dass in diesen Unternehmen über 2.500 Geflüchtete beschäftigt werden.
Kategorie „Kommunen und Verwaltungen“
Platz 1: Integration in der Stadt, Ravensburg
Bereits seit den 1970er Jahren engagiert sich die Stadt für Menschen mit Migrationsgeschichte, anfangs mit dem Arbeitskreis für Gastarbeiterfragen, später mit dem Ausländerbeirat, der in den 1990er Jahren in Beirat für Integration umbenannt wurde. Integration wird als Querschnittsaufgabe verstanden, bei der Stadtverwaltung, Kirchen, Verbände, Unternehmen und (Migranten-) vereine zusammengebracht werden und gemeinsam agieren.
Platz 2: Jobmentorenprogramm des Landkreises Reutlingen
Das Jobmentorenprogramm ist ein Projekt zur Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt. Geflüchtete sollen zunächst über den Helferbereich Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt bekommen und dabei im Bereich der sozialen Kompetenzen gestärkt werden, um dann in anspruchsvollere Tätigkeitsprofile geführt zu werden. Sobald ein Arbeitsvertrag über eine Helfertätigkeit geschlossen wurde, liegt es in der Aufgabe des Jobmentors, sowohl die teilnehmenden Betriebe als auch die Geflüchteten zu begleiten, zu motivieren und die Weiterentwicklung zu fördern.
Platz 3: Frauensprachcafé im KARO Familienzentrum, Waiblingen
Motivation für das Projekt war es, ein niederschwelliges Lernangebot zu schaffen, das neben der Unterstützung beim Erwerb und der Verfestigung der deutschen Sprache auch Erfahrungsräume für mehr Selbstsicherheit und Handlungskompetenz bietet. In der Regel nutzen zehn bis 20 Frauen unterschiedlicher Nationen und Altersgruppen regelmäßig das Angebot. Es richtet sich an Analphabetinnen ebenso wie an Migrantinnen mit einem hohen Bildungsniveau. Häufig ist eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Ehrenamtliche möglich.
Anerkennungspreise: Dr. Wolfgang G. Müller, Oberbürgermeister der Stadt Lahr
Dr. Müller ist seit 1997 Oberbürgermeister in Lahr und steht seitdem für die Integration in der Stadt. Die Stadt Lahr ist für ihre Integrationsarbeit und das „Lahrer Konzept" bundesweit bekannt, insbesondere für die Integration der seit Mitte der 1990er Jahre zahlreich in die Stadt migrierenden Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Dr. Müller hat vielfältige Projekte und Unterstützungen ins Leben gerufen und war auch selbst tatkräftig aktiv.
Anerkennungspreis: Projekt Nordirak, Landratsamt Esslingen
Vom humanitären Nordirak-Kontingent der Landesregierung aus dem Jahr 2014 sind insgesamt 103 jesidische Frauen und Mädchen im Alter von drei Monaten bis 60 Jahren im Landkreis Esslingen aufgenommen worden. Handlungsbedarfe waren vor allem die Schaffung von Schutzräumen, Traumabewältigung, Schaffung von Wohngruppen und Gemeinschaftsräumen, Bekämpfung von Unterernährung und Krankheit. Nach einer ersten Phase der Erfahrungsbewältigung und Ankunft gilt es nun, die Integration in das Gemeinwesen gezielt zu unterstützen und zum Beispiel die schulische Integration der Kinder zu fördern.
Druckfähige Fotos der Veranstaltung finden Sie ab Mittwochvormittag in unserer Mediathek.