Medizinprodukte / Sicherheit

Brüsseler Gespräche zur europäischen Medizinprodukteverordnung

Verschiedene Arten von Medikamenten liegen auf einem Tisch

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und Gesundheitsminister Manne Lucha fordern Erleichterungen bei der europäischen Medizinprodukteverordnung. Sie befürchten sonst einen Engpass bei der Versorgung mit sicheren Medizinprodukten.

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und Gesundheitsminister Manne Lucha fordern Erleichterungen bei der europäischen Medizinprodukteverordnung. Denn Aufwand und Kosten für die Zertifizierung von Medizinprodukten sind durch die Verordnung so gestiegen, dass sie die Unternehmen, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, zu erdrücken drohen. Wenn das so bliebe, seien Geschäftsaufgaben und ein Engpass bei der Versorgung mit sicheren Medizinprodukten zu befürchten – erste Beispiele dafür gäbe es schon jetzt. Darauf haben die beiden Minister bei einer virtuellen Veranstaltung in der Landesvertretung in Brüssel am heutigen Dienstag (22. Februar) hingewiesen.

Versorgung mit sicheren Medizinprodukten muss gewährleistet sein

Die Verordnung wird seit Mai 2021 angewendet – Industrie und Ärzteschaft berichten immer häufiger über Schwierigkeiten bei ihrer Umsetzung. „Die Europäische Medizinprodukteverordnung muss umgesetzt werden, das steht für uns außer Frage. Sie dient der Sicherheit von Patientinnen und Patienten“, stellte Gesundheitsminister Manne Lucha am Dienstag klar. Er machte deutlich: „Ärztinnen und Ärzte berichten uns jedoch von ersten Versorgungsengpässen – und das macht uns große Sorgen. Denn die Versorgung mit sicheren und innovativen Medizinprodukten muss jederzeit gewährleistet sein.“

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut betonte: „Unsere Unternehmen können den Praxen und Kliniken immer öfter bewährte oder innovative Produkte, beispielsweise auch für seltene Erkrankungen, nicht mehr zur Verfügung stellen. Damit riskieren wir auf der einen Seite, dass der europäische Wirtschaftsstandort geschwächt wird, auf der anderen Seite aber auch eine deutlich schlechtere Patientenversorgung in ganz Europa. Beides gilt es unbedingt zu verhindern. Anforderungen für die Zertifizierung von Medizinprodukten müssen für die Unternehmen auch umsetzbar bleiben.“

Baden-württembergische Handlungsempfehlungen vorgestellt

Bei der virtuellen Veranstaltung warben die beiden Minister für Handlungsempfehlungen, die Expertinnen und Experten auf Initiative der Landesregierung Baden-Württemberg hin erarbeitet haben. Erleichterungen müsse es insbesondere für die Zertifizierung von Bestandsprodukten geben – aber auch für die Zertifizierung von innovativen Nischenprodukten, die nur für einen bestimmten Anwenderkreis mit seltenen Erkrankungen, was besonders oft bei Kindern der Fall ist, bestimmt sind. So könne verhindert werden, dass vor allem kleinere Unternehmen vom Markt verschwinden und ein Versorgungsengpass bei sicheren und innovativen Medizinprodukten entsteht.

„Wir haben in Brüssel ganz konkrete Vorschläge präsentiert, wie die in der Verordnung gegebenen Spielräume im Sinne aller Beteiligten genutzt werden könnten. Denn es braucht schnelle Erleichterungen. Nur mit einer funktionierenden Wirtschaft können innovative Produkte auf den Markt gebracht und damit der Schutz der Patientinnen und Patienten weiterhin gewährleistet werden“, sagte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut. 

Gesundheitsminister Lucha drängte darauf, die Versorgung bei Medizinprodukten auf Bundesebene zu analysieren und die Voraussetzungen für unionsweite Ausnahmeregelungen genau zu prüfen – insbesondere vor dem Hintergrund des befürchteten Zertifizierungsstaus am Ende der Übergangsfrist für Bestandsprodukte im Jahr 2024. Für Nischenprodukte, die für seltene Erkrankungen oder speziell für Kinder bestimmt sind, seien aber schon jetzt eigene medizinprodukterechtliche Regelungen mit Blick auf die Anforderungen an klinische Daten notwendig.

„Wir dürfen bei all diesen Problemen keine Zeit verlieren. Wir begrüßen es sehr, dass es auf EU-Ebene bereits Beratungen gibt – diese müssen nun auch schnell zu einem Ergebnis kommen“, betonten die Ministerin und der Minister abschließend.

Hintergrund zur Umsetzung der europäischen Medizinprodukteverordnung 

Die Spitzenstellung Baden-Württembergs bei der modernen medizinischen Versorgung lebt von der mittelständischen Gesundheitsindustrie im Land. Im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort stärkt das Land Baden-Württemberg einen innovationsfreundlichen Gesundheitsstandort. Expertentische haben Handlungsempfehlungen zur Implementierung der europäischen Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 auf europäischer und nationaler Ebene erarbeitet und drohende Versorgungsengpässe aufgrund des stark gestiegenen Zertifizierungsaufwandes thematisiert. Die Dauer der Zertifizierungsprozesse nach dem neuen Rechtsrahmen wird mittlerweile mit 700 Tagen angegeben. Daher stellt die europäische Medizinprodukteverordnung insbesondere kleine und mittelständische Hersteller vor große Herausforderungen. Diese stellen das Rückgrat der Innovationsfähigkeit im Zentrum Baden-Württembergs dar, daher bedarf es hier besonderer Unterstützung, damit auch kleinere und mittlere Unternehmen die Medizinprodukteverordnung umsetzen können, und spezieller Lösungsansätze für innovative Medizinprodukte mit geringem Absatz.

Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums zum Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz, 26.11.2021:

„Wirtschaftsministerium setzt sich weiter erfolgreich für Medizintechnik-Branche ein“

Pressemitteilung des Sozialministeriums zum Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, 23.12.2021:

„Sorge um Versorgungssicherheit mit bestimmten Medizin- und Nischenprodukten“

Downloads zur Online-Veranstaltung am 22. Februar 2022

Weitere Informationen zu den „Brüsseler Gesprächen zum Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg“ sowie die dort vorgestellten Unterlagen (Präsentationen, Handlungsempfehlungen) finden sich auf der Website des Forums Gesundheitsstandort Baden Württemberg.

Quelle:

Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mit Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus