Die Landesregierung ist ihrem Ziel, Menschen mit Behinderung die freie Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie und wo sie leben wollen, einen wichtigen Schritt näher gekommen. Unter Moderation des Sozialministeriums haben Fachleute der freien Wohlfahrtsverbände, von Landkreis- und Städtetag, der Träger von Behinderteneinrichtungen sowie Betroffene in den vergangenen Monaten ein Eckpunktepapier erarbeitet, das die wesentlichen Voraussetzungen für die Dezentralisierung großer Behinderteneinrichtungen aufzeigt (Konversion von Komplexeinrichtungen). Vertreter der fünf Arbeitsgruppen stellten Sozialministerin Katrin Altpeter in Stuttgart das „Impulspapier Inklusion“ vor. Ministerin Altpeter machte deutlich, dass Menschen mit Behinderung auch in Zukunft die speziellen Angebote von Komplexeinrichtungen nutzen können: „Die Dezentralisierung großer Behinderteneinrichtungen ist kein Selbstzweck – es bleibt die freie Entscheidung der Menschen mit Behinderung, wie und wo sie leben wollen.“
Um die Dezentralisierung der Großeinrichtungen erfolgreich umsetzen zu können, sind nach einer Schätzung laut Eckpunktepapier in den kommenden zehn Jahren jährlich über 40 Mio. Euro von der Landesregierung erforderlich. Dabei sind allerdings auch Kosten in unbestimmter Höhe enthalten, die ohnehin - auch ohne Konversion - für die Sanierung der Behinderteneinrichtungen anfallen.
Altpeter: „In einem nächsten Schritt wollen wir gemeinsam mit den Kommunen, den Betroffenen, der breiteren Fachöffentlichkeit und vor allem mit den anderen Ministerien vereinbaren, wie wir bei dem Konversionsprozess weiter vorgehen. Außerdem wollen wir gemeinsam mit den Kommunen modellhaft erproben, wie Umwandlungsprozesse vor Ort konkret umgesetzt werden können.“
Zu klären sei auch, in welchem Umfang bereits bestehende Förderprogramme in der Behindertenhilfe genutzt werden können, sagte die Ministerin. Altpeter zufolge stellt die Landesregierung bereits heute jährlich 19 Millionen Euro für die Investitionsförderung von Behinderteneinrichtungen bereit.
Gültstein-Prozess sichert Wahlrecht für Menschen mit Behinderung
Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention im Jahr 2009 liegt der Schwerpunkt der Behindertenhilfe auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie behinderte und nicht behinderte Menschen trotz unterschiedlicher Voraussetzungen und Fähigkeiten gemeinsam in den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg leben, lernen, wohnen, arbeiten und die Freizeit verbringen können. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Frage nach der Wohnform. Bereits im Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung deshalb verpflichtet, die Umwandlung („Konversion“) von Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe unterstützend zu begleiten. Komplexeinrichtungen sind große Einrichtungen der Behindertenhilfe mit einem umfassenden Arbeits-, Betreuungs- und Wohnungsangebot für Menschen mit Behinderung. Sie befinden sich i. d. R. an Standorten außerhalb der Gemeinden und stellen eine gesonderte geschlossene Lebenswelt für Menschen mit Behinderungen dar. Ziel der Konversion ist es, an diesen zentralen Standorten stationäre Plätze abzubauen und dezentrale Wohnmöglichkeiten in den Gemeinden aufzubauen.
Das Sozialministerium und die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege haben für die Konversion einen breiten Mitwirkungsprozess ins Leben gerufen, den nach dem Ort der Auftaktveranstaltung (Gültstein im Kreis Böblingen) benannten Gültstein-Prozess.