Familie

Familienreport zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf veröffentlicht

Wer Angehörige pflegt, gerät beruflich oft ins Hintertreffen und auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf klaffen Wunsch und Wirklichkeit häufig noch weit auseinander. Dies lässt sich dem „Report Familien in Baden-Württemberg“ entnehmen,  den Familienministerin Katrin Altpeter der Öffentlichkeit vorstellte. „Grundlage für eine gute Familienpolitik ist zu wissen, wie es den Familien im Land geht und wo sie sich mehr Unterstützungsleistungen und Wertschätzung wünschen.“ Die FamilienForschung Baden-Württemberg (FaFo) im Statistischen Landesamt, die diese Berichte im Auftrag des Sozialministeriums erstellt, leiste dazu hervorragende Grundlagenarbeit. 

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: für die Mehrheit der Unternehmen bisher von untergeordneter Bedeutung

Laut Familienreport gaben bei einer bundesweiten Befragung 62 Prozent der befragten Personalverantwortlichen an, sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt zu haben. Und 86 Prozent der pflegenden Angehörigen sind der Meinung, dass sich Pflege und Beruf nicht so gut vereinbaren lassen. Angesichts der voranschreitenden Alterung der Bevölkerung und der wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen gewinne die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aber zunehmend an Bedeutung, so Altpeter. Zwei Drittel der Pflegebedürftigen in Baden-Württem­berg würden zu Hause gepflegt, ganz überwiegend von Frauen. Und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt nach Modellrechnungen des Statistischen Landesamtes bis 2020 um rund 25 Prozent auf etwa 300.000 Menschen. 

Um Berufstätigkeit und häusliche Pflege unter einen Hut bringen zu können, seien auch Betriebe und Unternehmen gefordert. „Immer mehr Beschäftigte setzen sich der Doppelbelastung aus. Deshalb sind betriebsinterne Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gefragt.“ Eine pflegesensible Ausgestaltung der Arbeitszeit umfasse beispielsweise Regelungen wie Gleitzeit, Befreiung von Kernarbeitszeit, Möglichkeiten zur kurzfristigen Teilzeit oder kurzzeitigen Arbeitsunterbrechungen, ohne dass berufliche Nachteile entstehen, erklärte die Ministerin.

Das seit Jahresbeginn 2012 in Kraft getretene Familienpflegezeitgesetz des Bundes gehe in die falsche Richtung. Es sei ganz im Ermessen des Arbeitgebers, ob er Anträge auf Familienpflegezeit genehmigt. Wegen seiner starren Regelungen gehe das Gesetz auch an der Lebenswirklichkeit vieler pflegender Angehöriger vorbei, insbesondere hätten geringverdienende Frauen das Nachsehen. Auch das knapp vier Jahre alte Pflegezeitgesetz des Bundes müsse dringend novelliert werden. Für die zehntägige Freistellung in einer akut aufgetretenen Pflegesituation müsse Lohnersatz bezahlt werden, fordert die Ministerin.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: für viele Eltern ein Problem

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2010 sind 60 Prozent der Mütter in Baden-Württemberg erwerbstätig. Es reiche aber nicht aus, Mütter nur in die Erwerbstätigkeit zu bringen. „Zwei Drittel der Eltern sehen Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir müssen deshalb bessere Rahmenbedingung auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft schaffen“, sagte Altpeter. Die Grün-Rote Landesregierung habe hier schon einiges in die Wege geleitet und beispielsweise die Zuschüsse an die Kommunen für den Ausbau der Kleinkindbetreuung fast verdreifacht.

Auch die Arbeitswelt müsse familienfreundlicher gestaltet werden, führte Altpeter weiter aus. Dazu gehöre der Ausbau flexibler Arbeitszeitmodelle. Bislang könne lediglich ein gutes Drittel der Beschäftigten solche Konzepte nutzen. Bei 58 Prozent der abhängig Beschäftigten sind Beginn und Ende der Arbeitszeit festgelegt. Somit unterliegen auch deren Kinder diesem Rhythmus, der nicht selten mit dem Rhythmus von Schule, Kindergarten und Freizeitaktivitäten oder den Öffnungszeiten von Ärzten kollidiere.

Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung von Teilzeit, Elternzeit und Elterngeld schaffen

In 56 Prozent der Paarfamilien in Baden-Württemberg sind beide Partner berufstätig. Dabei sind 77 Prozent der Mütter Teilzeit beschäftigt, partnerschaftliche Teilzeitmodelle kommen mit drei Prozent nur selten vor. In lediglich zwei Prozent der Familien arbeitet die Mutter Vollzeit und der Vater Teilzeit, so die Fakten im Report.

Teilzeitangebote werden nach dem Report demnach fast ausschließlich von Frauen angenommen. Obwohl sich Väter heute mehr an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen, sind für den Großteil der Familienarbeit und der Alltagsorganisation nach wie vor die Mütter verantwortlich. „Dass drei Viertel der Mütter in Paarbeziehungen in Teilzeit arbeiten, ist vermutlich seltener auf die Wünsche der Familien zurückzuführen. Es ist eher die Antwort auf die unzureichenden Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, so Altpeter.  

Auch nach der Elternzeit müsse die Teilzeitarbeit innerhalb der Familie gerechter aufgeteilt werden können, auch mit Blick auf die Altersvorsorge.

Junge Frauen hätten gute Bildungsabschlüsse, seien hoch qualifiziert, erfolgreich und wollten gleichberechtigt zum Familienunterhalt beitragen. Auch bei jüngeren Männern sei ein Einstellungswandel im Hinblick auf traditionelle Geschlechterrollen festzustellen, wie der Report belege. „Wir müssen deshalb Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung von Elternzeit und Elterngeld schaffen. Väter und Mütter sollten nicht nur sieben, sondern in Zukunft 14 Monate gleichzeitig Teilzeit arbeiten und Elterngeld beziehen können“, so die Ministerin. „Das fördert das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass Kinderbetreuung Aufgabe von Frauen und Männern ist.“

Vereinbarkeit für Führungskräfte

Lange Arbeitszeiten und das Volumen der zu bewältigenden Arbeit stellen laut Familienreport Führungskräfte vor besondere Herausforderungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frauen in solchen Positionen leisten laut Report fast dreimal so viel Familien- und Hausarbeit wie Männer.

Nach wie vor seien Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. So sind lediglich 22 Prozent der Führungskräfte in Baden-Württemberg weiblich, wobei 45 Prozent aller Beschäftigten Frauen sind. Nur über eine verbindliche Frauenquote könne erreicht werden, dass Frauen angemessen in den Führungsetagen vertreten sind, bekräftigt Ministerin Altpeter. Viele Studien belegten, dass sich dies auch für die Unternehmen auszahlt.

Ergänzende Hinweise:

1. Familienreport vier Mal im Jahr

Im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren erscheint viermal im Jahr der Report „Familien in Baden-Württemberg“ als Online-Publikation. Die einzelnen Berichte behandeln jeweils ein aktuelles familienpolitisches Thema und stellen hierzu die wichtigsten Daten dar. Durch eine vorausschauende Themenauswahl kann so auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert werden. Mit maximal dreißig Seiten, einer übersichtlichen Gliederung und anschaulichen Grafiken sind sie nicht nur informativ, sondern auch gut lesbar.

2. Erweiterung guter Praxisbeispiele Programm „STÄRKE“

Bei der Organisation des Familienalltags können auch Eltern- und Familienbildungsangebote wertvolle Hilfe leisten. Das Landesprogramm STÄRKE soll den Ausbau eines landesweiten Netzes an guten Kursangeboten unterstützen. STÄRKE wird zwischenzeitlich von den Familien sowie den Kursanbietern gut angenommen. Zehn gute Praxisbeispiele werden bereits im Internetportal www.familienfreundliche-kommune.de empfohlen, zehn weitere kommen jetzt dazu. Das Internetportal wird seit 2004 von der FaFo im Auftrag des Sozialministeriums betrieben. Ziel des Portals ist es, die familienpolitischen Akteure in den Kommunen über familienfreundliche Aktivitäten und Praxisbeispiele in Baden-Württemberg zu informieren und den Erfahrungsaustausch zu fördern.

Quelle:

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg