Mit dem neuen Heimrecht setzt die Landesregierung ein Zeichen für mehr Lebensqualität und Selbstbestimmung von Menschen mit Pflege- bzw. Unterstützungsbedarf und Menschen mit Behinderung. Der heute vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf des Sozialministeriums „für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege“ (WTPG) ersetzt das bisherige Landesheimgesetz. Mit dem neuen Gesetz schafft die Landesregierung ein differenziertes und flexibles System der Ausgestaltung von unterstützenden Wohnformen und fördert so innovative gemeinschaftliche Wohnformen, wie etwa ambulant betreute Wohngemeinschaften. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialministerin Katrin Altpeter: „Wir reagieren damit auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Anders als früher wollen heute die Menschen, die Hilfe und Begleitung im Alltag oder Pflege benötigen, so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben und nicht mehr allein die Wahl haben zwischen Heim oder häuslicher Pflege. Sie wollen vielmehr entsprechend ihrem jeweiligen Hilfebedarf aus einer breiten Palette von Wohn- und Betreuungsformen die für sie beste Alternative auswählen.“
Mit dem neuen Heimrecht werde zugleich auch der Weg hin zu dezentralen, wohnortnahen Wohnformen weiter beschritten. Spezielle Regelungen des neuen Gesetzes eröffneten die Möglichkeit, weitere, neue Betreuungs- und Wohnformen zu erproben. Dabei gehe es insbesondere um die konzeptionelle Weiterentwicklung des Inklusionsgedankens.
Ministerpräsident Kretschmann: „Wir wollen die Initiativen stärken, deren Ziel es ist, kleine dezentrale Wohngruppen für Menschen mit Unterstützungsbedarf einzurichten. Gerade im ländlichen Raum sind Wohngruppen eine sehr gute Möglichkeit, eine wohnortnahe Versorgung und Betreuung sicherzustellen“.
Gleichzeitig werde mit diesem Gesetz auch das Informationsrecht von behinderten und pflegebedürftigen Menschen in den Pflege- und Behinderteneinrichtungen gestärkt, so Altpeter.
Abgestufte Anforderungen je nach Wohnform
Mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz werden alle „unterstützenden Wohnformen“ unter den Schutz des Heimrechts gestellt. Das sind - wie bisher – die „stationären Einrichtungen“ (Heime) für ältere Menschen, volljährige Pflegebedürftige und volljährige Menschen mit Behinderung und – neu – „ambulant betreute Wohngemeinschaften“ mit bis zu acht Personen. Dazu gehören auch Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung. Für stationäre Einrichtungen gelten dabei andere Vorgaben als für ambulant betreute Wohngemeinschaften.
Ministerin Altpeter: „Es gilt der Grundsatz: Je weniger der Einzelne über seine Wohn- und Lebensform selbst bestimmen kann, desto stärker greifen die abgestuften Mechanismen des neuen Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes zur Qualitätssicherung in der Pflege.“
Wichtige Vorgaben zur Sicherung der Qualität aus dem bisherigen Landesheimgesetzes bleiben für stationäre Einrichtungen bestehen, so etwa die Fachkraftquote (im Fall von pflegebedürftigen Heimbewohnern müssen mindestens 50 Prozent der Beschäftigten Fachkräfte sein) und Kernelemente der baulichen Gestaltung. Für ambulant betreute Wohngemeinschaften gelten demgegenüber geringere Anforderungen, weil die Bewohner bewusst eine wohnungsähnliche Umgebung gewählt hätten. Jedem Bewohner müssten mindestens 25 qm Wohnfläche zur Verfügung stehen und es müsse - je nach Unterstützungsbedarf zwischen 12 und 24 Stunden - eine Präsenzkraft anwesend sein, so Altpeter.
Mehr Recht auf Information für Heimbewohner und Interessenten
Mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz wird das Informationsrecht für Heimbewohner und Interessenten für einen Heimplatz deutlich erweitert. Sie haben während des Wohnens im Heim bzw. vor Vertragsabschluss das Recht, die Prüfberichte der Heimaufsichtsbehörde einzusehen bzw. sich diese aushändigen zu lassen. Ministerin Altpeter zufolge wird dadurch das Transparenzgebot im Pflegebereich gestärkt.
Engere Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen
Neu geregelt ist eine engere Zusammenarbeit von Heimaufsicht, Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung bei der Überprüfung von stationären Einrichtungen. Sie werden verpflichtet, sich gegenseitig über ihre Arbeit zu informieren, ihre Prüftätigkeit und Termine in den Einrichtungen zu koordinieren sowie Einvernehmen über Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Beseitigung von Mängeln anzustreben. Damit sollen Mehrfachprüfungen gleicher Sachverhalte künftig vermieden werden.
Keine Ausweitung des Gesetzes auf häuslich-privates Umfeld
Ministerin Altpeter wies darauf hin, dass die heimrechtliche Überwachung auch mit dem neuen Landesgesetz nicht auf ambulante Pflegeserviceangebote ausgeweitet wird. Ebenfalls nicht unter den Schutzbereich des neuen Landesgesetzes fielen Wohngemeinschaften, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner die Lebens- und Haushaltsführung umfassend selbst organisieren, bei der Wahl und Inanspruchnahme von Pflege- und Unterstützungsleistungen frei sind und über die Aufnahme von neuen Bewohnern frei entscheiden können.
Ebenso nicht unter das neue Heimrecht fielen Angebote des betreuten Wohnens bzw. des Servicewohnens, in denen lediglich allgemeine Unterstützungsleistungen, wie z.B. die Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen, Hausmeisterdienste u. ä. verpflichtend geleistet werden, alle anderen weitergehenden Unterstützungsleistungen und die jeweiligen Anbieter aber frei wählbar sind. Auch Angebote der Tages- und Nachtpflege blieben als Unterstützungsangebote häuslichen Wohnens außerhalb des Heimrechts, weil die Menschen hier überwiegend zuhause lebten. Altpeter: „Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen wir mit staatlichem Ordnungsrecht nicht in das häuslich-private Umfeld eingreifen.“