Gesundheitsminister Manne Lucha hat die Erarbeitung eines Studiendesigns für Blutkontrolluntersuchungen und deren anschließende Durchführung in der mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) belasteten Region Mittelbaden in Auftrag gegeben. Ziel der Maßnahme ist es, genauere Informationen über die PFC-Blutkonzentrationen bei Einwohnerinnen und Einwohnern der Region zu gewinnen.
Darüber hinaus kündigte Lucha die Einrichtung einer Expertengruppe PFC beim Landesgesundheitsamt an. Neben externen Fachleuten soll darin auch die Bürgerinitiative Kuppenheim mitwirken, die das Thema PFC in der Region seit Jahren zivilgesellschaftlich begleitet. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen wird Lucha zufolge unmittelbar begonnen.
Minister Lucha: „Die Landesregierung nimmt die Besorgnis der Menschen in der Region Mittelbaden über mögliche Belastungen sehr ernst. Deshalb gehen wir der Frage, ob die Menschen der betroffenen Region höhere Belastungen aufweisen als Menschen in einer nicht betroffenen Region, jetzt durch wissenschaftlich fundierte Blutkontrolluntersuchungen nach.“ Lucha zufolge sollen die Blutuntersuchungen von einem unabhängigen Labor durchgeführt werden.
Sind PFC für Menschen gefährlich?
Inwieweit PFC für Menschen gesundheitsschädlich sind, kann aufgrund der Verschiedenartigkeit der PFC-Verbindungen wissenschaftlich noch nicht abschließend beantwortet werden. Der vom Umweltbundesamt im Jahr 2016 festgelegte Humanbiomonitoring I-Wert (HBM I-Wert) stellt die Grenze dar, bis zu der davon ausgegangen werden kann, dass nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist. Eine Überschreitung bedeutet jedoch nicht, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist. Dies wäre erst bei einem HBM II-Wert, der höher liegt als der HBM I-Wert, der Fall. Einen solchen HBM II-Grenzwert gibt es derzeit nicht.
Verschiedene Studien deuten jedoch auf einen Zusammenhang von PFC-Belastungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Menschen hin. So besteht u.a. der Verdacht, dass einige PFC die Fruchtbarkeit von Frauen und die männliche Spermatogenese negativ beeinflussen können. Es gibt auch Hinweise, dass der Langzeitschutz von Tetanus- und Diphtherieimpfungen abgeschwächt werden könnte. Zudem wurden Wirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel bereits bei relativ niedrigen PFC-Belastungen beschrieben.
Blutuntersuchungen der Bürgerinitiative Kuppenheim
Anlass der von Minister Lucha beschlossenen Maßnahmen ist eine Stellungnahme des Landesgesundheitsamts (LGA) zu Blutuntersuchungen der Bürgerinitiative Kuppenheim, die diese in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt hatte. 2015 wurde das Blut von 17 und 2016 das Blut von 13 Einwohnerinnen und Einwohnern der Region Mittelbaden auf die PFC-Verbindung PFOA (Perfluoroktansäure), teilweise noch zusätzlich auf PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) untersucht. In seiner Stellungnahme kommt das LGA zu der Schlussfolgerung, dass die PFOS-Belastung der Probanden auf eine „normale“ Hintergrundbelastung zurückzuführen ist, während die PFOA-Belastung erhöht ist und auf eine Zusatzbelastung hindeutet.
Der Minister dankte der Bürgerinitiative für ihren Einsatz. „Auch wenn aufgrund der geringen Fallzahlen dieser Blutuntersuchungen statistisch keine sicheren Aussagen getroffen werden können, geben sie doch erste Hinweise auf eine PFC-Zusatzbelastung, denen wir jetzt konsequent nachgehen.“ Dem Minister ist es wichtig, die Datenbasis über mögliche PFC-Zusatzbelastungen in der Region Rastatt durch die anstehenden Blutkontrolluntersuchungen auf eine breitere Basis zu stellen.
Ergänzende Informationen
In Baden-Baden und im Landkreis Rastatt wurden rund 470 Hektar Ackerfläche und infolgedessen teilweise Grundwasser durch PFC-belastete Komposte verunreinigt. Die Bodenkontaminierung führte zu erhöhten PFC-Werten in Trinkwasserproben und in Pflanzen, die auf belasteten Böden angebaut wurden. Das Land hat seit Herbst 2013 Kenntnis von der Verunreinigung. Gemeinsam mit anderen Behörden hat das Land schnell und konsequent gehandelt und mögliche Belastungsquellen über Trinkwasser und andere Lebensmittel abgestellt. An langfristigen Lösungsstrategien zum Umgang mit dem PFC-Schaden wird mit Hochdruck auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.
PFC ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien. Die bekanntesten Vertreter sind die Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) und die Perfluoroktansäure (PFOA). PFC werden seit den 1960iger Jahren wegen ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften in vielen Produkten verwendet: beispielsweise in Outdoor- und Arbeitskleidung, in Imprägniermitteln, für Pappbecher und Pappkartons oder bei der Herstellung von Teflon. Die meisten Menschen kommen heutzutage in ihrem Alltag mit PFC in Kontakt, dementsprechend lassen sich die Substanzen im Blut nachweisen.
Antworten auf häufig gestellte Fragen zu PFC und zur PFC-Belastung im Landkreis Rastatt hat das Regierungspräsidium Karlsruhe in einem PDF-Dokument auf seiner Website zusammengefasst.