Im Rahmen einer Dialogveranstaltung mit den Sozialverbänden hat das Sozialministerium erstmals die Impfquoten der Stadt- und Landkreise bezogen auf Wohnorte veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Impfkampagne erreicht manche Teile der Bevölkerung noch nicht ausreichend.
Der Landesimpfgipfel läutete am 16. April eine neue Phase der Impfkampagne in Baden-Württemberg ein und bildete gleichzeitig den Auftakt zu einer Reihe von Dialogveranstaltungen des Ministeriums für Soziales und Integration mit unterschiedlichen Akteuren. Am Montagabend hat das Ministerium die Sozialverbände sowie die Interessenvertretungen impfberechtigter Menschen zu einer Dialogveranstaltung eingeladen. Dabei ging es auch um die Frage, wie bestimmte gesellschaftliche Gruppen noch besser erreicht werden können – und um mehr Transparenz bei den landesweiten Impfzahlen. Erstmals veröffentlicht das Land auf die Bewohner der Kreise heruntergebrochene Impfquoten (PDF).
„Noch ist der Impfstoff knapp. Deshalb konzentrieren wird uns bei den Impfungen in den kommenden Wochen weiter auf die besonders schützenswerten Personengruppen und deshalb gilt bis auf Weiteres auch die Priorisierung. Unser Ziel ist, im Sommer jedem Erwachsenen in Baden-Württemberg ein Impfangebot machen zu können. Die Zahlen zeigen, dass wir unter den Impfberechtigten bisher bestimmte Gruppen sehr gut erreichen, andere nicht oder fast nicht“, sagte der Amtschef des Ministeriums, Prof. Uwe Lahl, nach der Dialogveranstaltung am Dienstag (4. Mai) in Stuttgart. „Auch in Baden-Württemberg zeigt sich: Gerade sozial schlechter Gestellte erreicht die Impfkampagne noch zu wenig. Das nehmen wir sehr ernst, und das hat uns der heutige Dialog noch einmal sehr klar vor Augen geführt. Das Gespräch heute war deshalb nur ein erster Schritt. Schon am Mittwoch dieser Woche trifft sich Minister Manne Lucha deshalb mit Migrantenverbänden und Vertreterinnen und Vertretern von Religionsgemeinschaften. Wir bleiben weiter im Gespräch“, so Lahl.
Impfquoten in Stadtvierteln und Landkreisen unterscheiden sich stark
Der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz berichtete von Erfahrungen in seiner Stadt. Auch in Mannheim werde ein Muster deutlich, das seit einigen Tagen bundesweit diskutiert werde: Stadtteile mit besonderen sozialen Herausforderungen – geringen Einkommen, engen Wohnverhältnissen, Menschen in Berufen, die keine Möglichkeit zum Homeoffice bieten – haben die höchsten Infektionsraten, aber gleichzeitig um den Faktor 3 niedrigere Impfquoten. Bei den geimpften über 80-Jährigen fehlten Menschen mit Migrationshintergrund laut einer Auswertung der ersten sechs Impf-Wochen fast völlig – obwohl sie in Mannheim rund 25 Prozent dieser Altersgruppe ausmachen.
Im Rahmen der Dialogveranstaltung veröffentlichte das Sozialministerium erstmals die Impfquoten der Stadt- und Landkreise bezogen auf die jeweiligen Wohnorte der Bürgerinnen und Bürger (ohne Impfungen durch Hausärzte). Sie beruhen auf der Postleitzahlenauswertung der Geimpften, unabhängig davon, wo die Impfung stattfand. Ergebnis: Die Impfquoten sind gerade in Universitätsstädten besonders hoch, teilweise auch im ländlichen Raum, wie etwa im Kreis Emmendingen. Städte mit größeren Bevölkerungsgruppen, die im Durchschnitt vergleichbar schwierigere sozioökonomische Bedingungen aufweisen (Arbeitslosigkeit, Bildungsniveau, etc.), haben hingegen oft niedrigere Impfquoten. Bevölkerungszahl, Impfstoffmengen, die Frage, ob ein Zentrales Impfzentrum im Stadt- oder Landkreis liegt, sowie die Entfernung zum nächsten Impfzentrum können die großen Unterschiede zwischen den Landkreisen allein nicht erklären. Die Impfzentren arbeiten überall gut und effektiv, werden in den Kreisen mit niedrigen Impfquoten aber offenbar verstärkt von Menschen aus den Nachbarkreisen genutzt. Es ist davon auszugehen, dass Detailauswertungen innerhalb der einzelnen Stadt- und Landkreise ähnliche Ergebnisse bringen wie die in Mannheim, was die Impfquoten in Vierteln mit besonderen sozialen Herausforderungen angehe.
Mannheim hat auf die Auswertung der Impfquoten bereits mit einem Modellprojekt reagiert. Seit gestern werden dort im Stadtteil Hochstätt Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort im Stadtteilzentrum geimpft. Amtschef Lahl lobt das Projekt: „Die Corona-Impfkampagne erreicht manche Teile der Bevölkerung noch nicht ausreichend, das betrifft vor allem Stadtteile mit besonderen sozialen Herausforderungen. Das vorbildhafte Projekt der Stadt Mannheim ist die richtige Antwort darauf, indem Mobile Impfteams direkt in ein Quartier fahren und so niederschwellig das Impfen direkt zu den Menschen bringen.“
Ministerium will Impfbereitschaft stärken: Kommunikation, Vorbilder, Hürden senken
Im Gespräch mit den Podiumsgästen wurde bei der Dialogveranstaltung deutlich, dass Kommunikation, direkte Ansprache und Vorbilder grundsätzlich wichtig sind, um das Impfen voranzubringen, und dass es grundsätzlich darum geht, Hürden zu senken oder auszuräumen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen unter anderem wie folgt Bilanz: Unter den derzeit impfberechtigten Menschen – darunter überwiegend Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Vorerkrankungen – komme das Impfen gut voran. Durch die wachsenden Impfstofflieferungen und mit der Möglichkeit, seit Ostern auch beim eigenen Hausarzt geimpft zu werden, habe sich die Situation für viele von ihnen, die noch auf die Impfung warten, deutlich entspannt. Auch unter Pflegekräften, die aufgrund ihrer Arbeit von Anfang an impfberechtigt waren, hätten Gespräche, persönliche Beispiele und Erfahrungsberichte die Impfbereitschaft noch einmal deutlich erhöht. Die Impfquote unter Obdachlosen, die in Wohnheimen und Unterkünften seit einigen Wochen von Mobilen Impfteams geimpft werden können, unterscheide sich ebenfalls deutlich zwischen einzelnen Städten – je nachdem, wie engagiert dort Sozialarbeit betrieben werde, die die Menschen zum Impfen motiviert und darüber aufklärt.
„Der heutige Dialog hat uns sehr gute Ideen und Impulse vermittelt, wie wir beim Thema Impfen auf die Menschen zugehen und Menschen mitnehmen können. Deutlich wurde: Am Wichtigsten sind Kommunikation, Kontakte und Vorbilder. Wir überlegen nun, wie wir das in unserer Impfkampagne noch besser umsetzen können“, so Amtschef Uwe Lahl.
Hintergrundinformation
Die Grundgesamtheit aller Impfungen sind die im Dokumentationsprogramm esQlab dokumentierten Impffälle für Baden-Württemberg. Die Fallzahlen der Impfstatistik werden über die Postleitzahl des Geimpften dem jeweiligen Land- oder Stadtkreis zugeordnet. Die Zuordnung der Postleitzahl zu den Landkreisen erfolgt auf Grundlage einer offiziellen Postleitzahlliste mit entsprechender Zuordnung von der Deutschen Post AG. Für wenige Postleitzahlbereiche gibt es dabei gewisse Unsicherheiten, weil diese in zwei oder mehr Landkreisen liegen. Die so ermittelten Fallzahlen pro Land- bzw. Stadtkreis bezieht das Gesundheitsministerium auf den Stand der Bevölkerung im jeweiligen Land- bzw. Stadtkreis vom 31.12.2020. Impfungen der Arztpraxen sind in den ausgewerteten Daten nicht enthalten.
Auf dem digitalen Podium vertreten waren Stephanie Aeffner, Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Prof. Dr. Eckart Hammer, der Vorsitzende des Landesseniorenrats, Joachim Hessler, Referent Pflegeeinrichtungen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Argyri Paraschaki, Geschäftsführerin des Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg, Wolfgang Sartorius, Vorstand der Erlacher Höhe (Wohnungslosenhilfe), Stefan Kraft, Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, und Beatrix Vogt-Wuchter, Vorsitzende des Liga-Ausschusses Alter und Gesundheit.
Informationen zur Corona-Impfung: Standorte der Impfzentren und Antworten auf häufige Fragen