Gesundheit

Informationsaustausch bei berufs- und strafrechtlichen Verstößen von Ärzten

Sozialministerin Katrin Altpeter hat unmittelbar nach dem Skandal um einen niederländischen Honorararzt das bestehende Informationssystem für die Übermittlung von sogenannten Warnmeldungen bei Ärzten auf den Prüfstand stellen lassen. Der Arzt ist in den wohl größten medizinischen Strafprozess in der niederländischen Geschichte verwickelt. Dennoch hat er auch in Baden-Württemberg jahrelang unentdeckt gearbeitet.

Seit dem Bekanntwerden dieses Falles zu Beginn dieses Jahres haben die Fachleute des Sozialministeriums zahlreiche Gespräche auf Bundesebene geführt und auch hier im Land u.a. mit der Krankenhausgesellschaft, der Landesärztekammer und dem Landesprüfungsamt, um Lücken im bestehenden Informationssystem aufzudecken und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Zuletzt gab es vor wenigen Tagen ein Gespräch mit Vertretern des holländischen Gesundheitsministeriums und Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums.

Ministerin Altpeter: „Wir haben in der kurzen Zeit schon eine Menge angestoßen. Wir sind auf Bundesebene aktiv und wir haben in zahlreichen Gesprächen auch die Schwachstellen auf Landesebene herausgearbeitet und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Nach Abschluss der Beratungen mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes werden wir umsetzen, was uns möglich ist.“

Die Ministerin warnte zugleich vor überzogenen Erwartungen: „Wir werden auch mit den ausgefeiltesten Regelungen zum Informationsaustausch zwischen den Behörden nie ganz gegen kriminelle Machenschaften von Ärzten gefeit sein. Wir wollen aber zumindest verhindern, dass solche Ärzte aus Nachlässigkeit, insbesondere auch bei den Verantwortlichen in den Krankenhäusern, unbemerkt bleiben. Das sind wir dem Schutz der Patientinnen und Patienten schuldig.“

Meldesysteme weiterentwickeln

Auf Betreiben Baden-Württembergs wurde das Thema „Informationsaustausch bei berufs- und strafrechtlichen Verfehlungen von Ärztinnen und Ärzten“ bei der Sitzung der AG „Berufe des Gesundheitswesens“ am 5. und 6. Februar 2013, bei der auch das BMG vertreten war, aufgerufen. Die Länder haben den Bund aufgefordert, zu prüfen, welche rechtlichen und praktischen Möglichkeiten bestehen, die bereits vorhandenen Meldesysteme weiterzuentwickeln und den Gegebenheiten erhöhter, insbesondere länderübergreifender Mobilität anzupassen.

Der Bund hat die Länder nach den Angaben von Ministerin Altpeter inzwischen wissen lassen, dass Änderungen im Bundesrecht „nicht erforderlich“ seien, um Verbesserungen zu erreichen. Altpeter wies demgegenüber auf einen eklatanten Widerspruch hin. Denn nach der Bundesärzteordnung können die Approbationsbehörden das Ruhen der Approbation schon während laufender Ermittlungen anordnen, wenn es um schwere Straftaten geht. Nach der justizinternen Verordnung über die Mitteilung von Strafsachen des Bundesjustizministeriums (MiStra) dürfen Staatsanwaltschaften die Approbationsbehörden darüber aber erst nach Abschluss der Ermittlungen unterrichten. Die Ministerin fordert deshalb vom Bund, die MiStra zu ändern oder unmittelbar in der Bundesärzteordnung eine Meldepflicht der Staatsanwaltschaften zu verankern, wonach schwere Straftaten schon bei laufenden Ermittlungen an die Approbationsbehörden zu melden sind.

Baden-Württemberg verlangt vom Bund auch die Einführung eines bundesweit angelegten Informationssystems, ein bundesweites Arztregister. „Hier würden alle Ärztinnen und Ärzte eingetragen, die über ein gültiges Berufsausübungsrecht verfügen. Insbesondere die Arbeitgeber in den Krankenhäusern hätten so eine schnelle und zuverlässige Informationsquelle“, so Altpeter. Erforderlich hierfür wäre in jedem Fall eine bundesgesetzliche Rechtsgrundlage. Bisher habe sich der Bund dazu leider noch nicht abschließend geäußert. Die Ministerin verwies in diesem Zusammenhang auf die Berufsgruppe der Rechtsanwälte, für die ein vergleichbares Rechtsanwaltsregister bei der Bundesrechtsanwaltskammer längst eingerichtet worden sei.

Bei einem Treffen mit Vertretern des niederländischen Gesundheitsministeriums Mitte Juni 2013 wurde von dort mitgeteilt, dass inzwischen Anklage gegen den früheren SLK-Arzt erhoben wurde und sicherten zu, die Anklageschrift zu übersenden. Das Landesprüfungsamt beabsichtigt, anschließend das Ruhen der Approbation anzuordnen.

Verbesserungsansätze auf Landesebene

Die bisher von den Fachleuten im Sozialministerium entwickelten Lösungsansätze für den Informationsaustausch innerhalb des Landes und zwischen den Bundesländern werden derzeit unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zusammen mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz geprüft.

Nach den Vorstellungen von Ministerin Altpeter sollen die Krankenhäuser künftig über die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) verstärkt und regelmäßig u.a. darüber informiert werden:

  • Bei Berufserlaubnissen Befristungen überprüfen.
  • Von Ärzten aus dem Ausland Unbedenklichkeitsbescheinigung („certificate of good standing“) des Herkunftslandes vorlegen lassen.
  • Durch Vorlage eines Führungszeugnisses überprüfen, ob Approbation entzogen bzw. zum Ruhen gebracht wurde.
  • Bei der Landesärztekammer Auskunft bezüglich der Kammermitgliedschaft des Bewerbers einholen (aus datenschutzrechtlichen Gründen ist nur eine Negativauskunft möglich: „Person nicht aufgelistet“).
  • Da Ärzte aus dem Ausland häufig durch Vermittlungsagenturen an Krankenhäuser vermittelt werden, sicherstellen, dass die Vermittlungsagenturen die Qualifikation der zu vermittelnden Ärzte vor der Vermittlung an Krankenhäuser prüfen, auch bei Honorarärzten.
  • Honorarärzte (bundesweit ca. 5000) sind freiberuflich tätige ärztliche Mitarbeiter des Krankenhauses, die zumeist dort eingesetzt werden, wo ein akuter Personalbedarf besteht. Honorarärzte kommen meistens über Vermittlungsagenturen zu den Krankenhäusern. Aufgrund der oft nur sehr kurzen Beschäftigungsdauer wird von den Krankenhäusern bei Beschäftigungsbeginn häufig weder die Vorlage der Originalapprobationsurkunde noch ein Führungszeugnis verlangt. Krankenhäuser dürfen sich nicht blind darauf verlassen, dass von den Vermittlungsagenturen die Gültigkeit des Berufsausübungsrechts vor der Vermittlung überprüft wurde. Aufgrund der ständig wechselnden Arbeitsstellen fallen Unregelmäßigkeiten bei Honorarärzten weniger auf.
  • Die BWKG hat sich bereit erklärt, eine Checkliste insbesondere für die Beschäftigung von Honorarärzten zu erarbeiten.
  • Die Landesärztekammer soll von der Approbationsbehörde künftig informiert werden, an wen eine Approbation erteilt wurde. Kammermitglieder haben die Pflicht, sich innerhalb eines Monats bei der Kammer zu melden. Oftmals kommen die Kammermitglieder ihrer Meldepflicht jedoch nicht nach, so dass der Kammer eine effektive Überwachung der Berufspflichten schwer fällt.
  • Arbeitgeber sollen künftig verpflichtet werden, die Anstellung bzw. die Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Arztes bei der Landesärztekammer zu melden. Hierdurch könnte die Einhaltung der Meldeverpflichtung beispielsweise auch bei Ärzten, die in einem anderen Bundesland approbiert wurden, effektiv überwacht werden. Weiterhin wäre sichergestellt, dass bei der Kammer aktuelle Informationen über die jeweilige Beschäftigungsstelle vorliegen.
  • Das Landesprüfungsamt soll künftig bei Entscheidungen über Widerruf, Rücknahme und Anordnung des Ruhens der Approbation die zuständigen Behörden aller Bundesländer unterrichten.

Bei einer weiteren Besprechung mit Landesärztekammer, Landesprüfungsamt und baden-württembergischer Krankenhausgesellschaft im kommenden Monat werden die weiteren Schritte der Umsetzung erörtert.