Entgegen der Absicht der kommunalen Spitzenverbände muss an dem ursprünglichen Zeitplan für die Novellierung des baden-württembergischen Schulgesetzes zum Schuljahr 2013/14 unbedingt festgehalten werden. Die Vorgaben der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen müssen unverzüglich in Landesrecht umgesetzt werden. Eine zeitliche Verschiebung wäre eine große Enttäuschung für Eltern und ihre behinderten Kinder, aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer, die Inklusion wollen und würde die derzeit bestehende Verunsicherung für alle Beteiligten zur Hängepartie werden lassen“, betonte der Landes-Behindertenbeauftragte, Gerd Weimer, heute in Stuttgart. Diese Besorgnis habe er in einem Schreiben der Kultusministerin des Landes, Gabriele Warminski-Leitheußer, gegenüber zum Ausdruck gebracht.
Aus vielen Gesprächen und Begegnungen wisse er, dass sich derzeit Eltern mit ihren behinderten Kindern in einem rechtsfreien Raum befänden, sie hingen buchstäblich in der Luft. Auch seine Geschäftsstelle werde im Moment mit Anfragen verzweifelter Eltern geradezu überhäuft. Den Betroffenen bleibe oft nur der Rechtsweg und am Ende stünden sie als Verlierer da. Die Gerichte verneinten Ansprüche auf inklusive Bildung, die auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention gelten gemacht würden. „Daher brauchen wir durch die Umsetzung der Vorgaben der UN-Konvention für das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen in Landesrecht Klarheit bis zum Schuljahr 2013/14. Inklusion in der Bildung und Erziehung darf kein Lippenbekenntnis bleiben“, so der Landes-Behindertenbeauftragte weiter.
„Auch die durchgesickerten Überlegungen des Kultusressorts, einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zulasten der Inklusion zu erbringen, haben mich gleich zu Beginn des neuen Schuljahres aufgeschreckt. Bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen handelt es sich um keine Aufgabe, die je nach Kassenlage mehr oder weniger ernst genommen werden kann. Es geht um unteilbare Grund- und Menschenrechte, die nicht disponibel sind und damit um eine Daueraufgabe für alle Politikfelder. Daher muss die Inklusion bei den finanzpolitischen Überlegungen ganz nach oben“, appellierte der Landes-Behindertenbeauftragte an die Kultusministerin. Einsparungen in diesem Bereich seien in jeder Hinsicht teuer zu bezahlen.
Es gehe jetzt auch darum, das Versprechen im Koalitionsvertrag „Gleichberechtigte Teilhabe aller: Inklusion umsetzen“ ohne Abstriche einzulösen und durch eine entsprechende Prioritätensetzung sichtbar zu machen. „Hierzu verpflichtet uns auch die UN-Behindertenrechtskonvention, wenn sie vom Prinzip der progressiven Realisierung ausgeht. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, aber das Projekt „Baden-Württemberg auf dem Weg zum Inklusionsland Nummer eins“ duldet keinen Aufschub“, so Gerd Weimer.
Bei der Inklusion stünden wir am Anfang eines Prozesses, bei dem es für alle Beteiligten oft mehr Fragen als Antworten gäbe. Das gelte sicher auch für die Klärung der Finanzierungstableaus und der Konnexität mit den Kommunen. Weil angeblich keine belastbaren Zahlen aus den fünf Modellregionen im Land vorlägen, dränge die kommunale Seite auf eine Verschiebung der Schulgesetznovelle mit der Konsequenz, dass die gegenwärtige Hängepartie um mindestens ein weiteres Schuljahr verlängert werde. „Dies ist für mich und für die betroffenen Eltern eine Horrorvision“, bekräftigte der Landes-Behindertenbeauftragte. Daher forderte er die Kultusministerin auf, möglichst rasch vorhandene Widerstände gegen eine Schulgesetznovelle auszuräumen und sich gegebenenfalls mit der kommunalen Seite auf eine Revisionsklausel zu verständigen.
Quelle:
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg