Das Kabinett hat den Entwurf des Landespflegekammergesetzes gebilligt. Damit ist eine weitere wichtige Etappe bei der Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg genommen. Die Aufbauarbeiten beginnen voraussichtlich im Sommer 2023.
Eine weitere wichtige Etappe bei der Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg ist genommen: Das Kabinett hat in seiner Sitzung am Dienstag (4. April) den Entwurf des Landespflegekammergesetzes gebilligt und zu den parlamentarischen Beratungen an den Landtag weitergeleitet. Die Aufbauarbeiten für die Pflegekammer Baden-Württemberg beginnen voraussichtlich im Sommer 2023.
Gesundheitsminister Manne Lucha ist überzeugt: „Die Gründung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg würde den Pflegeberuf deutlich aufwerten. Die Pflege kann mit einer Kammer als Berufsstand besser gehört und beteiligt werden, sich sachkundig und demokratisch legitimiert einbringen und damit auch das Ansehen des Berufs verbessern.“
Aufwertung des Pflegeberufs
Bereits im Winter 2019/2020 hatte das Gesundheitsministerium eine Gesetzesinitiative zur Errichtung einer Landespflegekammer auf den Weg gebracht, diese musste jedoch aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend ruhen. Der im vergangenen Jahr wiederaufgenommene Gesetzgebungsprozess kommt nun in die entscheidende Phase. Nach dem Beschluss des Ministerrats soll die erste Lesung des Landespflegekammergesetzes am 20. April 2023 im Landtag stattfinden.
Eine Pflegekammer soll die rund 110.000 Pflegefachkräfte im Land künftig in einer beruflichen Vertretung vereinen. Pflegefachkräfte sollen in Zukunft ihren Beruf selbstbestimmt mitgestalten und insbesondere auch die eigene Weiterbildung in die Hand nehmen. Durch die Gleichbehandlung mit den bereits bestehenden Heilberufe-Kammern soll die gewünschte Augenhöhe der Pflegefachberufe mit den approbierten Heilberufen hergestellt werden.
Ziel der Pflegekammer ist es, die Attraktivität des Berufsstands zu erhöhen und damit auch einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs zu leisten. Der Pflegekammer sollen schrittweise wichtige Aufgaben übertragen werden. Dazu gehören unter anderem die Wahrnehmung von beruflichen Belangen und die Förderung der Ausbildung. Auch gilt es, Qualitätsmaßnahmen vorzunehmen und bei der Prävention, der Förderung und dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung mitzuwirken. Perspektivisch soll die Pflegekammer die Aufgaben zur Weiterbildung und Fortbildung übernehmen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind die Fachkunde und Erfahrung aller Pflegefachkräfte aus allen Bereichen gefragt. Ziel ist es, den Pflegefachkräften eine starke berufliche Selbstbestimmung zu geben, wodurch sie ihr Berufsbild aktiv gestalten und weiterentwickeln können.
Eine Pflichtmitgliedschaft in der Pflegekammer soll dann bestehen, wenn folgende drei Voraussetzungen vorliegen:
- Die Person ist Pflegefachkraft (durchgängige dreijährige Fachausbildung).
- Die Person übt den Beruf nicht nur vorübergehend aus.
- Sie übt den Beruf in Baden-Württemberg aus.
Eine freiwillige Mitgliedschaft ist auch möglich, zum Beispiel für Auszubildende, Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Hochschuldozierende.
Durch die Mitgliedschaft aller Berufsangehörigen soll die Vertrauenswürdigkeit und die umfassende Sachkunde und Objektivität der Landespflegekammer institutionell gesichert und deren demokratische Legitimation und Wahrnehmung als unabhängige Interessensvertretung sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zu einem eingetragenen Verein, der die Interessen seiner Mitglieder vertritt, ist eine Kammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die berufspolitischen Belange aller Berufsangehörigen vertritt.
Es ist von einem durchschnittlichen monatlichen Beitrag zwischen 5 und 9 Euro auszugehen. Die Mitgliedsbeiträge sollen nach Gehalt gestaffelt sein – bis zur Beitragsfreistellung. Als unabhängiges Selbstverwaltungsorgan muss sich die Pflegekammer so wie die bereits bestehenden Heilberufe-Kammern selbst finanzieren. Die Pflegekammer hat die Möglichkeit, im ersten Jahr ihres Bestehens einen pauschalen monatlichen Mitgliedsbeitrag von maximal 5 Euro zu erheben.
Um der Landespflegekammer Baden-Württemberg von Beginn an eine starke demokratisch legitimierte Grundlage zu geben, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Wahl zur ersten Vertreterversammlung nur stattfinden darf, wenn ein Quorum von mindestens 60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder erreicht wird. Das Registrierungsverfahren wird vom noch einzuberufenden Gründungsausschuss durchgeführt. Bemessungsgrundlage ist die dann aktuelle Pflege- und Krankenhausstatistik des Statistischen Landesamtes. Wird dieses Errichtungsquorum nicht erreicht, wird keine Pflegekammer errichtet und der Gründungsausschuss aufgelöst.
Die Landespflegekammer wird durch einen Gründungsausschuss vorbereitet, der sich aus Pflegefachkräften aus den verschiedenen Beschäftigungsfeldern zusammensetzt. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration bestellt spätestens sechs Wochen nach Inkrafttreten des Landespflegekammergesetzes die Mitglieder des Gründungsausschusses. Der Gründungsausschuss wird voraussichtlich im Sommer 2023 seine Arbeit aufnehmen. Er hat 18 Monate Zeit, die Landespflegekammer Baden-Württemberg vorzubereiten. Zu den wichtigsten Aufgaben des Gründungsausschusses gehören die Registrierung der Pflichtmitglieder und die Vorbereitung zur Wahl der ersten Vertreterversammlung. Die achtzehnmonatige Errichtungsphase wird mit rund 1,8 Millionen Euro im Jahr 2023 und rund 2,1 Millionen Euro im Jahr 2024 durch das Land finanziert. Nach Errichtung der Landespflegekammer soll die Finanzierung der Pflegekammer über die Beiträge der Kammermitglieder erfolgen.
Mit dem erstmaligen Zusammentreten der Vertreterversammlung wird die Pflegekammer gegründet. Dies soll dem Gesetzentwurf nach voraussichtlich Ende 2024 der Fall sein.
Bis zum 1. Februar 2023 hatten 56 Verbände und öffentliche Stellen die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf zum Landespflegekammergesetz. Auf dem Beteiligungsportal Baden-Württemberg konnten ebenfalls bis zum 1. Februar 2023 Kommentare abgegeben werden. 71 Prozent der Kommentare beinhalteten zustimmende Äußerungen. Angeregt wurde insbesondere die Konkretisierung des Registrierungsverfahrens, was im aktuellen Gesetzentwurf und der Gesetzesbegründung umfassend umgesetzt wurde. Am Errichtungsquorum in Höhe von 60 Prozent wird festgehalten. Durch diese Errichtungsquote soll eine hohe Legitimität der ersten Vertreterversammlung gewährleistet werden.
Hintergrundinformationen
Eine Landespflegekammer Baden-Württemberg würde die Zahl der Pflegekammern in Deutschland auf drei erhöhen. In Rheinland-Pfalz besteht seit 2016 eine Pflegekammer und in Nordrhein-Westfalen seit Dezember 2022.
Das Vorhaben der Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg geht zurück auf die Enquetekommission Pflege des Landtags Baden-Württemberg, die der Landesregierung 2016 bei entsprechend zustimmender Umfrage unter den Pflegekräften die Errichtung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg empfahl. Bei der Befragung im Jahre 2018 von insgesamt 2.699 Personen in 228 Einrichtungen sprachen sich 68 Prozent der Pflegekräfte und Auszubildenden, die sich an der Umfrage beteiligten, für die Errichtung einer Pflegekammer aus.
Gemäß dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode (2021-2026) wurde der Vorbereitungs- und Gründungsprozess zur Errichtung einer Landespflegekammer wieder aufgenommen.