Im Januar ist in Baden-Württemberg das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz in Kraft getreten, das die Rechte psychisch kranker Menschen stärkt. Nun gilt es, dieses Gesetz in der Praxis umzusetzen. Die drei Kommunalen Landesverbände, der KVJS und die Liga der Freien Wohlfahrtspflege haben den Impuls des Gesetzgebers aufgegriffen und zu einer gemeinsamen Fachtagung eingeladen. Rund 300 Fachleute, Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung und Angehörige haben heute diskutiert.
Mit dem neuen Gesetz werden Leistungen erweitert. Zum Beispiel werden in den Stadt- und Landkreisen erstmals sogenannte Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen eingerichtet. Das sind Anlaufstellen, die zwischen psychiatrischen Einrichtungen und Betroffenen vermitteln und über wohnortnahe Hilfsangebote informieren. Die Arbeit der Sozialpsychiatrischen Dienste wird erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Besuchskommissionen sollen die Qualität in stationären psychiatrischen Einrichtungen überprüfen.
Bereits 2012 stockte die Landesregierung die Förderung der Sozialpsychiatrischen Dienste um zwei Millionen Euro jährlich auf. Für die Umsetzung des neuen Gesetzes steht jährlich eine weitere Million Euro zur Verfügung.
„Dem Gesetz ging ein breiter Beteiligungsprozess voraus, weshalb es auch hohe Zustimmung auf politischer Ebene fand“, sagte Senator e.h. Prof. Roland Klinger vom KVJS in seiner Begrüßung im Namen der Veranstalter. „Darauf sind wir alle stolz. Nun gilt es, das Gesetz gemeinsam mit allen Beteiligten vor Ort umzusetzen.“ Deshalb haben die Teilnehmer den Impuls der Landesregierung aufgegriffen und in der heutigen Auftaktveranstaltung Ansätze erarbeitet. Im Fokus standen die Versorgung im Gemeindepsychiatrischen Verbund, die Informations- und Beschwerdestellen sowie die Frage, ob die Sozialpsychiatrischen Dienste Motor für die Weiterentwicklung sein können.
„Die Versorgungssituation in den einzelnen Regionen stellt sich unterschiedlich dar“, sagte Eva-Maria Armbruster, Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. „Was wir brauchen, sind einheitliche und flächendeckende Standards in der Grundversorgung durch die Sozialpsychiatrischen Dienste. Dass diese nun gesetzlich verankert sind, ist ein wichtiger Schritt. Aus der kommunalen Daseinsvorsorge für psychisch kranke Menschen sind sie schon lange nicht mehr wegzudenken“.
Auch die Betroffenen begrüßen das Gesetz und freuen sich, „dass damit den besonderen Belangen von Psychiatrie-Erfahrenen Rechnung getragen wird“, sagte Rainer Höflacher vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg. Dennoch hätten sie sich noch mehr Innovatives gewünscht. „Die Chancen für neue, sektorenübergreifende Hilfen werden mit dem neuen Gesetz nicht ausreichend genutzt.“
Für Sozialministerin Katrin Altpeter liegt die Bedeutung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes darin, dass damit zum ersten Mal die Rahmenbedingungen für eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung verbindlich vorgegeben werden. „Davon profitieren nicht nur die 100.000 Menschen in psychiatrischer Behandlung in Baden-Württemberg, sondern auch deren Angehörige“, so die Ministerin. Durch viele mit dem Gesetz einhergehende Verbesserungen im Hilfenetz – etwa durch die Festschreibung der Landesförderung für die Sozialpsychiatrischen Dienste – werde ein dichtes Netz an wohnortnaher Grundversorgung sichergestellt. Das Gesetz setze auch positive Impulse für eine Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg. In den erstmals auf gesetzlicher Ebene geregelten gemeindepsychiatrischen Verbünden arbeiteten auch Träger aller Sektoren – z. B. Krankenhäuser und ambulante Dienste – verbindlich zusammen.