Gesundheit

Neufassung der Regelungen zur Zwangsmedikation

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Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2011 § 8 Abs. 2 Satz 2 des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes (UBG) für verfassungswidrig erklärt. Das Sozialministerium erarbeitet deshalb eine Neufassung der Rechtsgrundlage für die medizinische Zwangsbehandlung untergebrachter Personen. Neben einer schriftlichen Anhörung von betroffenen Institutionen und Organisationen gab es am 14. Mai 2012 auch eine presseöffentliche Expertenanhörung, um so eine fundierte Basis für die notwendig gewordene Neuregelung zu schaffen. Wir haben Ihnen seinerzeit zugesagt, die Statements der Experten als Dokumentation zuzuleiten. Dies wollen wir hiermit tun.

Aus Sicht von Sozialministerin Katrin Altpeter ist Zwangsmedikation unter den engen, vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Voraussetzungen auch künftig erforderlich, weil sonst die Zahl von behandlungsbedürftigen, aber (rechtlich) nicht behandelbaren Patientinnen und Patienten spürbar ansteigen würde. Dies könnte in vielen Fällen die Rückkehr zu einer reinen Verwahrpsychiatrie bedeuten. Daher soll die Neufassung - neben der Anwendung zur reinen Gefahrenabwehr - auch die Möglichkeit der Zwangsmedikation mit dem Ziel der Wiederherstellung der Einsichtsfähigkeit des Patienten vorsehen, die ihn entlassungs­fähig macht. Nach den Berichten in der Expertenanhörung würde bei einem vollständigen Verzicht auf Zwangsmedikation die Zahl und Dauer anderer Zwangsmaßnahmen, wie etwa Fixierung oder Isolierung - mit allen negativen Folgen für die betroffenen Personen - voraussichtlich steigen und zudem auch zu großen Belastungen für die übrigen Patientinnen und Patienten sowie für das Personal auf den Stationen führen.

Grundsätzlich soll künftig gelten, dass eine medizinische Behandlung nur mit Einwilligung der untergebrachten Person durchgeführt werden darf. Zwangsbehandlung soll nur in Ausnahmefällen möglich sein,

  • wenn die untergebrachte Person krankheitsbedingt zur Einsicht in ihre Krankheit bzw. in deren Behandlungsbedürftigkeit nicht in der Lage ist und
    • die Gefahr der Selbstgefährdung der untergebrachten Person besteh

oder

    • ihr durch die Behandlung ermöglicht werden soll, in Zukunft ein möglichst selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu führen

oder

  • eine Gefahr für Leben oder Gesundheit dritter Personen abgewendet werden muss.

Es soll zudem eine strenge Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geben (Erforderlichkeit der Behandlung, Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Ziels, Belastung darf nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg stehen), eine Zwangsmedikation muss vorab durch ein Gericht überprüft werden (Richtervorbehalt), Anordnung und Überwachung der Behandlung sollen durch einen Arzt bzw. eine Ärztin geschehen, die ärztliche Aufklärung vorab bzw. das Gespräch mit der untergebrachten Person nach der Behandlung muss dokumentiert werden. Eine wirksame Patientenverfügung, in der z.B. eine Zwangsmedikation abgelehnt wird, hat grundsätzlich Vorrang, es sei denn, durch die Behandlung soll eine Lebensgefahr oder eine akute schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit dritter Personen abgewendet werden.

Der Gesetzentwurf zur Neufassung von § 8 UBG, der sich strikt an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hält, soll nach der Sommerpause im Kabinett eingebracht werden.

Quelle:

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg