Drei Jahre forschte ein Team der dhbw zur nachhaltigen Verankerung von institutionellen Schutzkonzepten gegen (sexualisierte) Gewalt in Einrichtungen mit einer breiten Angebotspallette für Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Im Rahmen des Projekts wurden in den Einrichtungen der Johannes Diakonie und St. Franziskus Bedingungsfaktoren für eine nachhaltige Verankerung von Schutzkonzepten untersucht, die nachfolgend umgesetzt werden sollen. Im Zentrum stand die Frage, wie in pädagogischen Kontexten eine Kultur des grenzachtenden Handelns gelebt und nachhaltig beeinflusst werden kann.
Beim Abschlusssymposium am 19. Juli dankte die Landes-Beauftragte Simone Fischer dem Projektteam um Prof. Anja Teubert und Julia Huber (wissenschaftliche Mitarbeiterin) an der dhbw und ihrem Team für die intensive Arbeit.
Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen wird oft verschwiegen
In ihrem Grußwort sagte Simone Fischer: „Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, insbesondere in Einrichtungen der Behindertenhilfe, ist ein ernstes Problem, das oft verschwiegen wird. Studien belegen, dass Menschen mit Behinderungen, vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche, ein deutlich höheres Risiko haben, Gewalt zu erleben. Das kann von freiheitsentziehenden Maßnahmen, zum Beispiel dem Feststellen von Bremsen am Rollstuhl, bis hin zu körperlicher oder sexualisierter Gewalt reichen. Menschen, die in einer besonderen Wohnform leben, in einer WfbM arbeiten oder in einem Förderbereich begleitet werden, nicht immer Bedingungen vor, die auf Schutz und Empowerment ausgerichtet sind. Auch wenn die Angebote der Eingliederungshilfe ein sicheres Lebens- und Arbeitsumfeld bieten müssen, sieht die Realität oft anders aus. Menschen, die diese Angebote nutzen, empfinden ihr Leben häufig als fremdbestimmt, sind in ihren Entscheidungen eingeschränkt oder erleben unterschiedliche Formen von struktureller und individueller Gewalt. Dies kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.“
Die aktuelle "Studie zur Gewalt gegen Frauen und Männer in Einrichtungen der Behindertenhilfe" des BMAS bestätige, dass in diesen Einrichtungen ein hohes Risiko für Gewalt bestehe. Die Empfehlungen umfassen geschlechtsspezifische Ansätze, frühzeitige Intervention, Aufklärung, Vernetzung und die Fortbildung von Fachkräften.
Transformation der Eingliederungshilfe unerlässlich
In der "Stuttgarter Erklärung" fordern die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen das Recht auf selbstbestimmte Lebensführung und den Schutz vor Gewalt gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention endlich umzusetzen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Simone Fischer sagte: „Dies beinhaltet unter anderem, dass die Deinstitutionalisierung der Eingliederungshilfe auf Grundlage der Leitlinien zur Deinstitutionalisierung (CRPD/C/5) des UN-Fachausschusses entschlossen vorangetrieben wird. Ziel muss sein, dass alle Menschen, unabhängig von Art und Schwere der Behinderungen, entscheiden können, wie, wo und mit wem sie leben wollen. Eine gesellschaftliche Transformation der Eingliederungshilfe ist unerlässlich, um die Autonomie, Wahlfreiheit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern.“ Es bedürfe einer ressortübergreifenden Gewaltschutzstrategie und Reformen des Gewaltschutzgesetzes. Ziel müsse sein, Gewaltschutzlücken zu schließen und ein gewaltfreies Leben für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Dabei gehe es nicht nur um die Prävention von Gewalt, sondern auch darum, Vorfällen von Gewalt nachzugehen, sie aufzuklären und aufzuarbeiten und Vertrauen in den Gewaltschutz zu schaffen. „Eine redliche Aufarbeitung, Transparenz und die Partizipation sind zentral, um mit Gewaltvorkommnissen professionell umzugehen.“
Die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern, dass § 37a SGB XI angepasst und konkretisiert wird, Qualitäts- bzw. Mindeststandards verankert werden. „Dies trägt dazu bei, dass Prävention und Schutz verbindlich und nachhaltig sichergestellt sind. Alle Menschen haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden und ihr Leben selbstständig und selbstbestimmt zu führen und nicht auf das Wohnen in Einrichtungen verwiesen zu werden.“, so Simone Fischer.