Sprachbarrieren und fehlende Informationen über Strukturen und Abläufe in der Gesundheitsversorgung erschweren Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte den Zugang. Viele Betroffene wissen beispielsweise nicht, dass die Hausarztpraxis zentrale Anlaufstelle ist. Zeit- und Personalmangel im Gesundheitswesen verschärfen die Situation zusätzlich. Die Studienergebnisse der Charité sollen als Grundlage dienen, um die Situation zu verbessern.
Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass im Bereich der medizinischen Versorgung keine gleichberechtigte und gleichwertige Teilhabe von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte vorliegt. Das ist auch das Ergebnis einer Studie, die die Charité-Universitätsmedizin Berlin im Auftrag des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration erstellt hat. Migrantinnen und Migranten sind demnach zwar nicht grundsätzlich gesünder oder kränker, haben aber häufig Schwierigkeiten, im Gesundheitssystem zurechtzukommen. Dies wurde nicht zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie deutlich.
Interkulturelle Öffnung verbessern?
„Dass Migrantinnen und Migranten Probleme im Gesundheitswesen haben, wurde uns immer wieder berichtet, die Datenlage dazu war aber bislang noch unzureichend“, sagte Integrations- und Gesundheitsminister Manne Lucha am Donnerstag (22. Juni) in Stuttgart anlässlich der Veröffentlichung der Untersuchung. „Deshalb war es uns wichtig, mit der Studie mehr Klarheit zu schaffen. Ziel war es zu untersuchen, wie Patientinnen und Patienten mit Flucht- und Migrationsgeschichte in Baden-Württemberg behandelt werden und wie weit die interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen ist. Und wir haben nach konkreten Maßnahmen zur Verbesserung gefragt.“
Der Minister wies darauf hin, dass auf dem Gebiet Migration und Gesundheit schon viel geschehen ist. „Wir merken, dass es inzwischen eine größere Sensibilität für dieses Thema gibt“, erläuterte er. „Trotzdem bleibt noch einiges zu tun, um den Zugang zum Gesundheitswesen und die Gesundheitskompetenz von Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu stärken.“
Nach der von Prof. Dr. Ulrike Kluge geleiteten Studie der Charité wirkt sich der Zeit- und Personalmangel in der Gesundheitsversorgung besonders deutlich auf die Versorgung von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte aus. Es gibt Sprachbarrieren und die Menschen sind oft nicht vertraut mit den Strukturen und Abläufen, was für die medizinischen Fachkräfte zu mehr Aufwand führt. Aus Interviews mit Ärztinnen und Ärzten sowie einer landesweiten Online-Umfrage geht hervor, dass oft Verwandte, auch minderjährige Kinder, zur Sprachmittlung eingesetzt werden.
Patientinnen und Patienten ernst nehmen
Grundsätzlich sind die Patientinnen und Patienten mit Migrationsgeschichte, so die Studie, zufrieden und auch dankbar, wenn der Zugang zur Gesundheitsversorgung gelingt. Andererseits fühlten sie sich laut den Interviewten häufig nicht ernst genommen und mit ihren Anliegen abgewiesen. Mit der Situation fühlen sich Behandelnde sowie Patientinnen und Patienten allein gelassen.
„Wir werten die Ergebnisse jetzt genau aus, um konkrete Maßnahmen zu konzipieren“, kündigte Gesundheitsminister Lucha an. Als zentrale Ansatzpunkte sieht die Charité-Studie Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsbildung in der Gesamtbevölkerung, Angebote zur Beratung und Orientierung im Gesundheitssystem, bessere Rahmenbedingungen für Sprachmittlung sowie die Etablierung koordinierender Netzwerkstrukturen an.
Ergänzender Hinweis:
Der Abschlussbericht kann auf der Website des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration heruntergeladen werden.
Abschlussbericht „MiG BaWü - Migration und Gesundheitsversorgung Baden-Württemberg“ (PDF)