Pünktlich zu Beginn des neuen Kindergartenjahres widmet sich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „AKTIV – Frauen in Baden-Württemberg“ der geschlechtergerechten Erziehung von Mädchen und Jungen in Kindertageseinrichtungen. „Geschlechtergerechte Erziehung ist eine Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft, auch in Kindertageseinrichtungen“, betonte Sozialministerin Katrin Altpeter bei der Vorstellung des aktuellen AKTIV-Heftes am Donnerstag, 1. September 2011 in Stuttgart.
Nach den Worten von Ministerin Altpeter muss die Bildungspolitik schon früh stärker geschlechtergerecht und gleichstellungsorientiert ausgerichtet werden. Das sei durch den Ersten Bundesgleichstellungsbericht deutlich geworden. Der hatte die Lebensläufe von Frauen und Männern in den Blick genommen. „Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, Mädchen und Jungen ohne Rollenzuweisung zu fördern“, stellte Altpeter fest. „So können sie ihre Fähigkeiten entwickeln und einsetzen und später frei von Klischeedenken einen Beruf wählen.“ Schließlich habe die Berufswahl weitreichende Folgen für den Lebenslauf. „Die Entscheidung für einen Beruf hat Auswirkungen auf den Verdienst, die gesellschaftliche Anerkennung, die Zeit der Kindererziehung, auf das Rollenverhalten in einer Beziehung aber auch auf das Mobilitätsverhalten“, so die Ministerin.
Im Leitartikel des AKTIV-Heftes gibt Renate Niesel, Diplom-Psychologin vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München, einen Überblick über Entwicklungsprozesse bei Jungen und Mädchen und die Herausforderungen an eine geschlechtssensible Bildung und Erziehung. Darin erklärt sie: „In den ersten Lebensjahren fehlt Kindern noch das Verständnis dafür, dass es neben den Unterschieden zwischen den Geschlechtern auch Unterschiede innerhalb eines Geschlechts gibt. Sie denken eher in absoluten Kategorien. Pädagogisch kann auf eine Identitätsentwicklung mit geschlechtstypischen Merkmalen unterschiedlich reagiert werden: Entweder mit Achselzucken ‘So sind richtige Mädchen und Jungs nun mal – da kann man nichts machen` oder ‘Das sind entwicklungsabhängige Verhaltensmuster. Wir achten darauf, dieses Verhalten nicht zu verstärken und bieten den Kindern ein breites Spektrum an Erfahrungsmöglichkeiten an.`“ Gerade bei Überschreitungen von Geschlechternormen und Geschlechterstereotypen sei es Aufgabe der Fachkräfte sicherzustellen, dass solche Kinder weder diskriminiert noch ausgegrenzt werden.
Weitere Artikel stellen Praxisprojekte, wie das Kinderwelten-Projekt in Stuttgart, das Gender-Modellprojekt einer Sindelfinger Kindertagesstätte sowie das Bundesprojekt „Mehr Männer in Kitas“ ausführlich dar. Damit wird veranschaulicht, wie eine geschlechtersensible Pädagogik beziehungsweise Teamarbeit in einer Kita funktionieren kann. Sie geben auch Hinweise auf die notwendigen Rahmenbedingungen.
Als weitere Expertin kommt Professor Dr. Ursula Rabe-Kleberg von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im aktuellen AKTIV-Heft zu Wort. Im Interview erläutert sie, wie Fortbildungsveranstaltungen funktionieren können, welche politische Unterstützung notwendig ist und welche Fallstricke im Alltag von Kitas zu beachten sind. Ihr Fazit: „Der Satz, ‘Wir behandeln Mädchen und Jungen gleich‘ ist ein ziemlich dummer Satz! Zum einen haben Mädchen andere Entwicklungsaufgaben zu bewältigen als Jungen, sie dürfen also gerechterweise nicht gleich behandelt werden. Zum anderen heißt dieser Satz in der Praxis in der Regel, dass Jungen an den ruhigeren Mädchen gemessen werden und dabei schlecht abschneiden. Auch das ist ungerecht.“
Hinweis:
Die einzelnen AKTIV-Hefte können als PDF-Datei im Internet unter www.frauen-aktiv.de heruntergeladen oder gegen Zusendung eines ausreichend frankierten DIN A4-Umschlages (an den Staatsanzeiger, Postfach 10 43 63, 70038 Stuttgart) kostenlos bezogen werden.
Quelle:
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg