Der Elternkonsens stellt das Wohl des Kindes auch in hochstrittigen Trennungs- und Scheidungssituationen in den Mittelpunkt. Das seit mehr als 10 Jahren bewährtes und erfolgreich arbeitendes Schlichtungsverfahren im Familienrechtsstreit fördert die Zusammenarbeit der am Sorge- und Umgangsrechtsstreit beteiligten Professionen in Baden-Württemberg.
In Baden-Württemberg sind jährlich circa 20.000 minderjährige Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Hinzu kommen die Kinder, deren nicht miteinander verheiratete Eltern sich trennen. Damit ist die Trennung und Scheidung von Eltern zum statistischen Normalfall geworden. Für die Betroffenen – Kinder wie Eltern – stellt sie dennoch eine hochemotionale Krise dar.
Nicht selten werden die Kinder dabei von ihren Eltern zur Durchsetzung eigener Interessen instrumentalisiert. In circa 10 Prozent der Verfahren streiten die Eltern unversöhnlich um ihr Kind, und es ist außergerichtlich keine einvernehmliche gemeinsame Verantwortung der Eltern zu erreichen. Hier setzt der Elternkonsens an, ein seit mehr als 10 Jahren bewährtes und erfolgreich arbeitendes Schlichtungsverfahren im Familienrechtsstreit.
Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen
Der Elternkonsens stellt das Wohl des Kindes auch in hochstrittigen Trennungs- und Scheidungssituationen in den Mittelpunkt und fördert seit Jahren die Zusammenarbeit der am Sorge- und Umgangsrechtsstreit beteiligten Professionen in Baden-Württemberg. Sie sollen bei ihrem gemeinsamen Ziel unterstützt werden, im Interesse der betroffenen Kinder tragfähige einvernehmliche Lösungen zu fördern. Ziel der Bemühungen von Richtern, Rechtsanwälten und den Mitarbeitern von Jugendämtern und Beratungsstellen ist, dass Eltern auch in dieser schwierigen Situation selbst die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen und sich gemeinsam auf alltagstaugliche Umgangsregelungen einigen. Das Kindeswohl soll dabei im Vordergrund aller Überlegungen stehen.
Die wesentlichen Elemente des Elternkonsenses sind:
- Ein früher erster Anhörungstermin findet innerhalb von 4 Wochen nach Eingang eines Antrags durch eine Partei statt.
- Von schriftlichen Äußerungen aller beteiligten Professionen vor dem ersten Termin wird abgesehen.
- Alle am Verfahren beteiligten Professionen wirken auf ein Einvernehmen der Eltern in Fragen des Umgangs mit ihren Kindern hin.
- Die Eltern werden auf Beratungsangebote, Mediation oder andere Angebote der außergerichtlichen Streitbeilegung hingewiesen, wenn im ersten Termin kein Einvernehmen hergestellt werden kann.
Durch das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FamFG) soll die Verfahrensgestaltung nach dem Elternkonsens begünstigt werden. Es ist am 1. September 2009 in Kraft getreten.
In Fällen einer Kindeswohlgefährdung, wie zum Beispiel bei Gewalt in der Familie oder bei sexuellem Missbrauch, können Ausnahmen von dieser Verfahrensweise gemacht werden. Diese Einzelfälle müssen dann sehr genau geprüft werden im Hinblick auf eine mögliche Retraumatisierung der Kinder.
Das Sozialministerium und das Justizministerium haben das Projekt Elternkonsens (damals noch unter dem Namen Cochemer Praxis) im Jahr 2005 in einer gemeinsamen, bundesweit einmaligen Fortbildungsreihe in Baden-Württemberg bekannt gemacht. In den Bereichen der vier Regierungspräsidien fanden interprofessionelle Fortbildungen statt, an denen ca. 160 Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Professionen des Jugendamtes, der Familienberatungsstellen, der Familiengerichte und der Anwaltschaft teilgenommen haben.
In vielen Regionen wurden danach schon bestehende Arbeitskreise um noch fehlende Professionen erweitert oder erstmals regionale Arbeitskreise gebildet.
Seither bieten beide Ministerien gemeinsam im Zweijahresabstand Fortbildungen zur interdisziplinären Zusammenarbeit im Sorge- und Umgangsrechtsstreit für Familienrichter, Fachanwälte für Familienrecht, Sachverständige und Mitarbeiter von Jugendämtern und Beratungsstellen an.
Die Tagungen wenden sich sowohl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendämter und Beratungsstellen, die bereits mit dem Projekt Elternkonsens vertraut sind, als auch an solche Mitarbeiter, die sich über das Projekt erstmals informieren möchten.
Weiterführende Links:
Die am Trennungs- und Scheidungsprozess beteiligten Professionen organisieren sich in regionalen Arbeitskreisen, um ihre Arbeitsweise aufeinander abzustimmen und einzelfallübergreifende Themen zu besprechen.
Das Justizministerium hat auf Wunsch der gerichtlichen Praxis zwei Muster-Informationsblätter zur Verfügung gestellt. Eines richtet sich an die Eltern, eines an die professionell Beteiligten. Zahlreiche örtliche Arbeitskreise haben bereits eigenes Informationsmaterial entwickelt.
Weiterführende Links:
elternkonsens.de: Informationsmaterial der Arbeitskreise
Karlsruher Weg
Arbeitskreis Trennung und Scheidung Cochem
Downloads:
Projekt Elternkonsens Informationsblatt Eltern (PDF)
Projekt Elternkonsens Informationsblatt Professionen (PDF)
Cochemer Modell im Bodenseekreis (PDF)
Böblinger Weg (PDF)