Wege aus der Sucht müssen vielfältig gestaltet sein: Wenn Prävention ihr Ziel nicht erreicht und es zur Abhängigkeit von Suchtstoffen oder zu nicht stoffgebundenen Süchten kommt, ist Hilfe erforderlich. Diese Hilfe muss in den unterschiedlichsten Formen organisiert werden, damit die Betroffenen erreicht und angemessen betreut werden. Nur differenzierte Maßnahmen können der Vielfalt der Suchtmittel und Suchtverläufe gerecht werden. Das Hilfesystem, das in Baden-Württemberg entwickelt wurde, um Suchtabhängigen zu helfen, ist in den vergangenen Jahren wesentlich ausgebaut und verfeinert worden.
In der Landesarbeitsgemeinschaft Sucht (LAG Sucht) arbeitet das Sozialministerium kontinuierlich mit den Verbänden der Suchthilfe und den Kommunalen Suchtbeauftragten der Stadt- und Landkreise zusammen an der Weiterentwicklung. So wurden in allen Stadt- und Landkreisen die kommunalen Netzwerke für Suchtprävention und Suchthilfe eingerichtet, die sich zu einer – bundesweit beachteten – Grundstruktur entwickelt haben. Die beteiligten Personen und Einrichtungen kooperieren verbindlich miteinander und können dadurch die verfügbaren Ressourcen effektiver und effizienter einsetzen.
Kommunale Netzwerke für Suchtprävention und Suchthilfe, Beauftragte für Suchtprävention/Kommunale Suchtbeauftragte
Zur Sicherstellung der örtlichen Suchtprävention und der Kommunalen Suchthilfeplanung sind bei fast allen Stadt- und Landkreisen Beauftragte für Suchtprävention/Kommunale Suchtbeauftragte (BfS/KSB) bestellt. Sie sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Kommunalen Netzwerken für Suchtprävention und Suchthilfe und übernehmen damit eine wichtige Bündelungs- und Koordinierungsfunktion. Die BfS/KSB setzen im Rahmen von Präventionsprojekten unter anderem auch den "Setting-Ansatz" nach §§ 20 und 20a SGB V um. Damit hat sich in Baden-Württemberg ein gutes Modell zur Stärkung der örtlichen Suchtprävention wie auch der kommunalen Suchthilfeplanung etabliert, das bundesweit Beachtung findet.
Die Stellen der Beauftragten für Suchtprävention/Kommunalen Suchtbeauftragten bei den Stadt- und Landkreisen werden vom Land anteilig gefördert. Die entsprechenden Richtlinien des Sozialministeriums (VwV BfS/KSB) stehen samt Anlagen unten zum Download zur Verfügung.
Die Förderung von Präventionsprojekten im Rahmen des "Setting-Ansatzes" nach den §§ 20 und 20a SGB V durch die Krankenkassen ist in der gemeinsamen Rahmenempfehlung von Städtetag, Landkreistag, Land, AOK, BKK Landesverband Süd, IKK classic, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Landwirtschaftliche Krankenkasse Baden-Württemberg und Knappschaft - Regionaldirektion München (Anlage 6 zu Nummer 1.1 VwV BfS/KSB) näher geregelt. Die Rahmenempfehlung mit allen Antragsunterlagen steht unten zum Download zur Verfügung.
Ambulante Suchtkrankenhilfe
Das Sozialministerium hat ein dichtes Netz von Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtgefährdete und Suchtkranke im ganzen Land geknüpft.
Die Fachkräfte in den Beratungsstellen
- beraten und betreuen Suchtkranke und Suchtgefährdete sowie deren Angehörige, Bezugspersonen und andere Ratsuchende,
- vermitteln sie in ambulante oder stationäre medizinische Behandlungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen oder in Hilfen zur beruflichen Eingliederung,
- behandeln Suchtkranke ambulant auf der Grundlage eines Hilfeplans,
- übernehmen im Rahmen einer Substitutionsbehandlung in Kooperation mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin die psychosoziale Betreuung bei von illegalen Drogen Abhängigen,
- nehmen im Anschluss an eine ambulante oder stationäre Therapie Aufgaben der Nachsorge wahr, mit dem Ziel einer umfassenden psychischen, sozialen und beruflichen Rehabilitation,
- wirken im Rahmen des Kommunalen Suchthilfenetzwerks an der Entwicklung örtlicher vorbeugender Maßnahmen mit und ergreifen selbst Initiativen.
Um weitere Suchtgefährdete und Abhängigkeitskranke zu erreichen, wurden vor allem in größeren Städten und Ballungsgebieten niedrigschwellige Angebote – die so genannten Kontaktläden – eingerichtet. Sie sollen insbesondere von illegalen Drogen Abhängigen Überlebenshilfen anbieten und die mit dem Drogenmissbrauch verbundenen Risiken (z.B. durch „needle-sharing“) mindern. Außerdem fördern sie die soziale Stabilisierung und Orientierung und erleichtern die Heranführung an die Angebote der Drogenberatung. Auf Grund der Rechtsverordnung der Landesregierung über den Betrieb von Drogenkonsumräumen (s. Download unten) sind seit 2019 auch Drogenkonsumräume in Baden-Württemberg möglich. Ein erster Drogenkonsumraum wurde in Karlsruhe eingerichtet.
In den Suchtberatungseinrichtungen werden die Fachkraftstellen nach der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Gewährung von Zuwendungen für Psychosoziale Beratungs- und ambulante Behandlungsstellen für Suchtgefährdete und -kranke sowie für Kontaktläden (VwV-PSB/KL) gefördert (Download siehe unten).
Stationäre und teilstationäre Suchtkrankenhilfe
Baden-Württemberg verfügt über ein leistungsfähiges Angebot an stationären Suchthilfeeinrichtungen. Der Suchtentwöhnungsbehandlung geht grundsätzlich eine Entgiftungs- bzw. Entzugsbehandlung voraus, die zur Behandlung akuter Begleiterscheinungen in Krankenhäusern bzw. in den Zentren für Psychiatrie durchgeführt wird. Als besondere Behandlungsform für Drogenabhängige hat sich in diesem Bereich die niedrigschwellige und qualifizierte Entzugsbehandlung etabliert, die ohne Vorbedingungen begonnen werden kann.
Entwöhnungsbehandlungen werden in speziellen Fachkliniken für Suchtkranke durchgeführt. Daneben halten Krankenhäuser und die Zentren für Psychiatrie im Rahmen ihres umfassenden Versorgungsauftrags Behandlungsplätze bereit.
Ergänzt werden die ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten durch suchtmedizinische Tageskliniken und teilstationäre Rehabilitationsangebote. Nachsorgeeinrichtungen erleichtern die Rückkehr in den Alltag und in das Berufsleben. Außerdem gibt es verschiedene Ansätze und Modelle zur besseren Verzahnung von Suchtrehabilitation und Wiedereingliederung in das Erwerbsleben.
Digitale Projekte im Bereich Suchthilfe und -prävention
Über den Förderaufruf „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ fördert das Land im Zeitraum 2021 bis Ende 2023 mit rund zwei Millionen Euro die Digitalisierung im Bereich Suchtprävention und Suchthilfe. Das Geld fließt an insgesamt 12 Projekte, die sich durch einen innovativen Ansatz, welcher auf nachhaltige Strukturen mit einer anhaltenden Wirkung und erkennbaren Mehrwert für die Zielgruppen abzielt, auszeichnen.
Über die digitale Plattform „DigiSucht“ können Betroffene und Angehörige online unkompliziert Unterstützung bei Fragen rund um das Thema Sucht finden und Kontakt zu Suchtberatungsstellen aufnehmen. Die Nutzung der Plattform ist kostenfrei und anonym. Das Projekt knüpft an ein bundesweites Modellprojekt an und wird in Baden-Württemberg von der Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege koordiniert.
Weitere Hilfeangebote
Chronisch mehrfachgeschädigte Abhängigkeitskranke weisen neben ihrer chronifizierten Abhängigkeitserkrankung weitere Beeinträchtigungen und Schädigungen auf. Auch diesem Personenkreis stehen in Baden-Württemberg ausreichend Heimplätze beziehungsweise Plätze im Betreuten Wohnen mit einem speziell auf seine Belange ausgerichtetes Versorgungsangebot zur Verfügung.
Suchtselbsthilfe
Eine eigene Säule des Hilfesystems stellt die ehrenamtliche Suchtselbsthilfe dar. Ihr Ziel ist insbesondere, Möglichkeiten für eine zufriedene und suchtmittelfreie Lebensgestaltung aufzuzeigen. Suchtselbsthilfe sieht die Abstinenz als entscheidende Grundlage für ein gelingendes Leben in geklärten Beziehungen. Im Verbund der Suchtkrankenhilfe übernimmt die Suchtselbsthilfe wichtige Aufgaben der Begleitung und Nachsorge für suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen und stabilisiert die Behandlungserfolge von Suchtberatungsstellen und Fachkliniken.