Das Hausrecht eines Ladeninhabers findet unter anderem seine Grenze, wenn gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen wird. Ein Verstoß gegen das AGG kann zudem einen Anspruch auf Unterlassen künftiger Benachteiligung sowie einen Anspruch auf Schadensersatz oder finanziellen Entschädigungen zur Folge haben. Nach § 19 Absatz 1 AGG ist eine Benachteiligung wie die Verweigerung des Zutritts wegen Behinderung beispielsweise beim Einkauf im Supermarkt oder Bekleidungsgeschäft, bei einem Gaststättenbesuch oder bei der Nutzung von Bahn und öffentlichen Personennahverkehr oder auch beim Besuch im Museum nicht erlaubt.
Kann eine Person aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die eine Behinderung im Sinne des AGG darstellt, keine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) tragen, so hat es eine mittelbar benachteiligende Wirkung für sie, wenn ihr der Zutritt etwa zu einem Ladengeschäft verweigert wird, weil sie keine MNB trägt. Die Glaubhaftmachung der Behinderung hat in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen. Das Berufen auf das Hausrecht oder das Verweigern des Zutritts, etwa als Inhaber eines Ladengeschäfts, kann deshalb wegen einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung unzulässig sein, sofern die ausnahmslose Maskenpflicht nicht im Einzelfall sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein sollte.
Diesen Konflikten kann durch eine Sensibilisierung aller Kund:innen bzgl. der Ausnahmen zur Maskenpflicht vorgebeugt werden. Es liegt eine Vielzahl von Beispielen aus der Praxis vor, die zeigen, dass beispielsweise Ladengeschäfte, Gastronomien oder Museen sowohl ihrer Verpflichtung die Maskenpflicht durchzusetzen als auch ihrer Verpflichtung begründete Ausnahmen hiervon zuzulassen, nachkommen, indem sie zum Beispiel Plakate am Eingang anbringen, die die Verpflichtung, wie auch die Ausnahmen eindeutig aufzeigen.
Es ist nicht zulässig, Personen die von der Maskenpflicht befreit sind zu stigmatisieren, indem sie vom Ladeninhaber bspw. durch das Tragen von Abzeichen, Schildern oder Gesichtsvisieren als „Maskenbefreite“ für andere Kund:innen kenntlich gemacht werden sollen. Es gibt zudem Menschen, die aus psychischen Gründen von der Maskenpflicht befreit und oftmals aufgrund ihrer Erkrankung weder eine Mund-Nasen-Bedeckungen noch ein Gesichtsvisier tragen können. Daher haben solche vermeintlichen Ersatzmaßnahmen generell zu unterbleiben.
Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und die Befreiung hiervon stehen in einem Regel-/Ausnahmeverhältnis. Grundsätzlich muss die Person, die sich auf eine gesetzliche Ausnahme beruft, durch entsprechende Dokumente oder andere geeignete Nachweise das Vorliegen der Ausnahme glaubhaft machen. Daraus folgt, dass Personen, die aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen befreit sind, dies gegenüber den Ordnungsbehörden aber auch gegenüber der Vertretung von Ladengeschäften glaubhaft machen müssen, sofern sie die betreffende Örtlichkeit betreten möchten oder dort von Personal angesprochen werden. Die Corona-Verordnung sieht vor, dass diese Glaubhaftmachung in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung erfolgt.
Informationen zur Gesundheit und Erkrankung eines Menschen stellen sehr sensible persönliche Daten dar, sie stehen deshalb unter besonderem Schutzes. Daher hat die Landesregierung Baden-Württemberg festgelegt, dass die Nennung konkreter medizinischer Befunde bzw. Diagnosen in ärztlichen Bescheinigungen nicht erforderlich ist. Die ärztliche Bescheinigung muss den Namen, die Anschrift und die Fachrichtung des ausstellenden Arztes erkennen lassen und von diesem unterschrieben sein. Die Nennung konkreter medizinischer Befunde ist nicht erforderlich.
Wir empfehlen, bei akuten Problemen zunächst das Gespräch mit der Geschäftsführung beziehungsweise der Geschäftsleitung des Ladens, des Gastronomiebetriebs, des Museums usw. zu suchen und diese auf die gesetzlich festgelegten Ausnahmen der Maskenpflicht aufmerksam zu machen.
Darüber hinaus können Sie sich in Fällen besonders schwerwiegender Diskriminierungen an die Beratungsstellen gegen Diskriminierung in Baden-Württemberg wenden. Die Beratungsstellen erhalten aktuell sehr viele Anfragen in Bezug auf die Befreiung von der Maskenpflicht. Sie können in diesem Kontext meist nur Menschen unterstützen, wenn deren Gesundheitsversorgung gefährdet ist, oder deren Grundversorgung an Lebensmitteln und sonstigen Gütern nicht gewährleistet ist oder die ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können. Unterstützung finden auch Menschen, die im Zusammenhang mit der Pandemie verstärkt Diskriminierung erfahren (zum Beispiel wenn Gruppen aufgrund von rassistischen Zuschreibungen oder Alter häufiger und strenger auf Einhaltung der Pandemie-Vorschriften hingewiesen werden oder Menschen mit Behinderung, die durch die Vorschriften noch stärkere Barrieren erfahren).
Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch folgende Stellungnahme der LAG Antidiskriminierungsberatung Baden-Württemberg: Stellungnahme zur Beratung von Menschen, die von der Maskenpflicht befreit sind