Bei der 20. Integrationsministerkonferenz (IntMK) in Göttingen bekennen sich alle 16 Bundesländer in einem gemeinsamen Leitantrag dazu, dass Deutschland Einwanderungsland ist und bleibt. Zwei von Baden-Württemberg federführend eingebrachte Anträge mit Forderungen zur Stärkung der psychosozialen Versorgung und der Ausweitung der Migrationsberatung für Geflüchtete wurden ebenfalls einstimmig angenommen.
Erfolg für Baden-Württemberg mitten in Niedersachsen: Integrationsminister Manne Lucha hat sich sehr erfreut über die Ergebnisse der 20. Integrationsministerkonferenz (IntMK) in Göttingen gezeigt. In einem gemeinsamen Leitantrag bekennen sich alle 16 Bundesländer dazu, dass Deutschland Einwanderungsland ist und bleibt. Und dass die Notwendigkeit besteht, Erwerbszuwanderung weiter aktiv zu fördern. Minister Lucha: „Angesichts des demografischen Wandels und der prognostizierten Fachkräfteengpässe sind wir uns einig, dass wir eine jährlich positive Zuwanderungsbilanz von rund 400.000 Personen benötigen, um das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland stabil zu halten.“ Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Zuwanderung in Arbeit und Ausbildung sei systemrelevant, waren sich alle Mitglieder der IntMK einig. Der Leitantrag hebt zudem die besondere Bedeutung von Arbeit und Ausbildung für Integration und Teilhabe hervor. „Insbesondere bei geflüchteten Menschen hängt die Arbeitsmarktintegration stark von sicheren Aufenthaltsrechten, verlässlicher Förderung und unterstützenden Strukturen ab“, sagte Lucha weiter. Dafür erwarten die Ministerinnen und Minister vom Bund eine angemessene, dauerhafte und verlässliche Finanzierung der Integrationsinfrastruktur.
Anträge aus Baden-Württemberg einstimmig angenommen
Zwei von Baden-Württemberg federführend eingebrachte Anträge mit Forderungen in Richtung der nächsten Bundesregierung wurden ebenfalls mit einstimmiger Mehrheit aller Bundesländer angenommen. Diese betreffen die Stärkung der psychosozialen Versorgung und die Ausweitung der Migrationsberatung für Geflüchtete.
„Baden-Württemberg ist bundesweit seit Jahren führend in der psychosozialen Versorgung und Integrationsberatung. Der Bund muss hier nun endlich auch seiner Verantwortung gerecht werden und die notwendigen Mittel bereitstellen“, sagte Minister Lucha zum Abschluss der Konferenz in Göttingen. „Psychisch stabile Menschen sind weniger selbstgefährdend und stellen seltener eine Gefahr für andere dar. Die neue Bundesregierung muss deshalb rasch in die Gänge kommen und die notwendigen Ressourcen für 2025 bereitstellen.“ Mit dem bundesweit beachteten Pilot-Programm „BW schützt!“ und dem flächendeckend im Land angebotenen Integrationsmanagement berate man in Baden-Württemberg täglich einige tausend Menschen auf ihrem Weg zu einer gelingenden Integration, stelle der Minister fest. „Der Bund aber macht sich einen schlanken Fuß und kürzt teilweise die Mittel.“
Psychosoziale Versorgung stärken
„Um den Menschen, die zu uns geflohen sind zu helfen, müssen auch unorthodoxe Methoden in Betracht gezogen werden – wie zum Beispiel die Narrative Expositionstherapie, die wir in unserem viel beachteten baden-württembergischen Modellprojekt ,BW schützt! – Traumarehabilitation für Geflüchtete‘ unter Leitung der Universität Konstanz anwenden“, sagte Minister Lucha. „Ziel des 2023 gestarteten Projekts ist es, Traumatisierungen bei Geflüchteten frühzeitig zu erkennen und ihnen je nach der Schwere der Belastungen, unter denen sie leiden, passende Hilfen anzubieten.“ Denn eine angemessene psychosoziale Versorgung von Migrantinnen und Migranten mit Fluchtgeschichte sei vor dem Hintergrund steigender Bedarfe ein wichtiges und langfristiges Aufgabenfeld der Integrationsförderung. Nur wer psychisch stabil sei, könne sein Leben in die Hand nehmen, die deutsche Sprache lernen und Arbeit finden, so der Minister weiter. Daher habe Baden-Württemberg den Bund mit einem Antrag auf der IntMK aufgefordert, hier in die finanzielle Mitverantwortung zu gehen. Die Finanzierung von „BW schützt!“ in Höhe von 3,7 Millionen Euro für zwei Jahre erfolgt derzeit durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat.
Migrationsberatung ausweiten
„Die vom Bund finanzierte Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) ist das zentrale Beratungsangebot für Migrantinnen und Migranten. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen“, so Minister Lucha. „Obwohl der Bund bereits im Jahr 2023 versprochen hat, die MBE quantitativ und qualitativ bedarfsgerecht auszubauen, sind hier bis heute keine Taten gefolgt.“ Die Länder hätten deshalb bereits mehrfach den Bund eindringlich ermahnt, seine Zusage einzuhalten. Mit einem Antrag Baden-Württembergs, dem sich alle anderen Länder angeschlossen haben, wurde diese Forderung in Göttingen nun noch einmal bekräftigt. „Die neue Bundesregierung muss beim Haushalt für 2025 noch eine Schippe drauflegen, um dem steigenden Beratungsbedarf gerecht zu werden und Planungssicherheit für die Träger zu gewährleisten“, so Lucha abschließend. „Das Land wird beim Integrationsmanagement seiner Verantwortung gerecht. Der Bund ist gefordert, das mit einer stärkeren zukunftssicheren und verlässlichen Beratung von Zugewanderten ebenfalls unter Beweis zu stellen. Das wäre ein wichtiger Meilenstein für eine nachhaltige und erfolgreiche Integrationsarbeit in ganz Deutschland.“
Erwerbstätigenquote von weiblichen Geflüchteten erhöhen
Die jüngsten Studien zur Arbeitsmarktintegration belegen zwar eindrucksvoll, dass männliche Geflüchtete nach wenigen Jahren zu über 80 Prozent in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind. Die Teilhabe von Frauen mit Zuwanderungsgeschichte am Arbeitsmarkt ist allerdings weit davon entfernt. Ziel muss daher eine spürbare Erhöhung ihrer Erwerbstätigenquote sein. Ein von Baden-Württemberg mitinitiierter Antrag, der von der IntMK in Göttingen heute ebenfalls einstimmig angenommen wurde, setzt genau hier an. Minister Lucha: „Grundsätzlich gilt, dass die besonderen Bedarfe und Kompetenzen von Frauen mit Zuwanderungsgeschichte bei Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration strukturell in den Blick genommen werden müssen.“ Ein Schlüssel für die Arbeitsmarktteilhabe seien Sprachkenntnisse. Lucha: „Wir fordern den Bund auf, die spezifischen Frauen- und Elternintegrationskurse weiterzuführen.“ Auch in der Beratungspraxis der Jobcenter und Agenturen für Arbeit müssten diese Bedarfe berücksichtigt werden. Zudem seien verstärkt niedrigschwellige sowie aktivierende Angebote für zugewanderte Frauen nötig. Auch hier gehe Baden-Württemberg mit eigenen Programmen wie dem „Empowerment von Frauen mit Zuwanderungsgeschichte“ voran, so der Minister abschließend.
Weiterführende Informationen
Integrationsministerkonferenz
Die 20. Integrationsministerkonferenz fand dieses Jahr in Göttingen unter dem Vorsitz des niedersächsischen Integrationsministers Andreas Philippi statt.
Fachministerkonferenzen in Deutschland dienen der Zusammenarbeit und der Koordinierung der Länderinteressen in den verschiedenen Themenfeldern. Die Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren (IntMK) ist ein Gremium der freiwilligen Zusammenarbeit der Länder auf dem Gebiet der Integration. Mitglieder der IntMK sind die für Integration zuständigen Ministerinnen, Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder.
Die IntMK berät und beschließt über grundsätzliche und länderübergreifende Angelegenheiten der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Außerdem koordiniert und fördert sie den Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den Ländern.
BW schützt!
- Kosten seit 2023: 3,7 Millionen Euro für zwei Jahre
- Standorte: Diverse Gemeinschaftsunterkünfte in den Räumen KA und KN
- Aktuelle Förderung ab 2025: 1,5 Millionen Euro pro Jahr
Das Projekt wird durchgeführt von der Universität Konstanz (Projektträger), der NGO vivo international e. V., und dem Freundeskreis Asyl Karlsruhe. Projektziel ist es, Traumatisierungen bei Geflüchteten frühzeitig zu erkennen und ihnen je nach der Schwere der Belastungen, unter denen sie leiden, passende Hilfen anzubieten. Beratungsmaßnahmen sollen zum Beispiel aufgestaute Belastungen erkennen und den Geflüchteten helfen, sie abzubauen. Es ist nachgewiesen, dass solche Bewältigung aufgestauter Belastungen präventiv Gesundheitsschäden und Aggressionen vorbeugen, die auftreten können, wenn Menschen lange unversorgt bleiben und Traumareaktionen entwickeln, die von selbst nicht mehr verschwinden.
Integrationsmanagement
- Finanzvolumen Integrationsmanagement: 58 Millionen Euro/Jahr
- Integrationsmanagende in BW: 1.200
- Zuwendungsempfänger der Fördermittel: 44 Stadt- und Landkreise
Das Integrationsmanagement ist das landesweit größte sowie erfolgreichste Förderprogramm im Integrationsbereich, das bundesweit neue Standards setzt. Ziel des Integrationsmanagements: Geflüchteten in der Anschlussunterbringung soll durch eine gezielte und am Einzelfall ausgerichtete Beratung eine frühzeitige und nachhaltige Orientierung und Teilhabe ermöglicht und der individuelle Integrationsprozess dadurch gefördert werden. Das Integrationsmanagement wirkt insbesondere auf eine Stärkung ihrer Selbständigkeit hin. Die Geflüchteten sollen in die Lage versetzt werden, vorhandene Angebote der Integration sowie Strukturen der Regeldienste für ihre gesellschaftliche Teilhabe selbständig zu nutzen.