Die Beratungen finden im Freien statt, bei Spaziergängen, in angemieteten Räumlichkeiten mit besseren Abstandsmöglichkeiten oder im mobilen Kleinbus: Seit 2020 gibt es in Baden-Württemberg 23 mobile Teams, die Frauen mit Gewalterfahrung und deren Kinder direkt vor Ort unterstützen.
„In der Corona-Pandemie mussten die Beratungsstellen flexibel sein – dies haben wir in der Landesregierung sehr gerne unterstützt und sehr schnell und unbürokratisch Geld für die Einrichtung der mobilen Teams zur Verfügung gestellt. Seitdem haben sie sich zu echten Vorbildern und Leuchttürmen der Gewaltschutz- und Gleichstellungsarbeit entwickelt – daher wollen wir anderen Regionen in Europa einen Einblick in ihre Arbeit ermöglichen“, sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, Dr. Ute Leidig, am Mittwoch (7. September) in Brüssel.
Die Staatssekretärin ist nach Brüssel gereist, um die erfolgreiche Gewaltschutz- und Gleichstellungspolitik Baden-Württembergs in Europa vorzustellen und gleichzeitig Input zu aktuellen Gleichstellungsthemen der EU für Baden-Württemberg mitzunehmen. Auf dem Programm stand zudem ein Gespräch mit EU-Kommissarin Helena Dalli zur EU-Gleichstellungsstrategie.
Bei einer Veranstaltung in der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Brüssel präsentierte die Staatssekretärin einer breiten Öffentlichkeit die erfolgreiche Beratungsstruktur des Landes – wie die Mobilen Teams und die Koordinierungsstelle Digitale Gewalt. „Überall in der EU ist es eine enorme Herausforderung, Gewaltschutz und Beratungsangebote nicht nur in den Ballungsräumen anzubieten, sondern auch in die Fläche zu bringen“, sagte Dr. Ute Leidig. Als wichtige Erfolgsfaktoren der Mobilen Teams erwiesen sich das niedrigschwellige Vor-Ort-Beratungsangebot für betroffene Frauen wie auch die zentrale Projektkoordination der Teams. Außerdem: Durch die Anknüpfung an bereits bestehende Beratungsstellen mit hoher Fachkompetenz konnten die Mobilen Teams bereits vorhandene Netzwerke von Beginn an nutzen.
Flexible Beratungsangebote
„Ich freue mich besonders, dass die Leiterinnen von zwei Mobilen Teams und die Projektkoordinatorin mit mir zusammen in Brüssel ihre Erfahrungen und ihr Wissen ganz konkret vorstellen,“ so die Staatssekretärin. Die Projektkoordinierung aller mobilen Teams läuft über die Werkstatt „PARITÄT“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg. Dessen Vorstandsvorsitzende Ursel Wolfgramm, betonte: „Die erfolgreiche Arbeit der Mobilen Teams zeigt, wie wichtig der Ausbau des Hilfsangebots für von Gewalt betroffene Frauen im ländlichen Raum in Baden-Württemberg ist. Bisher mussten Frauen weite Wege bis zur nächsten Beratungsstelle auf sich nehmen, was für viele aus organisatorischen Gründen kaum möglich war. Mit flexiblen Beratungsangeboten haben wir eine wichtige Lücke im Hilfesystem geschlossen“, sagte Wolfgramm. Die Verstetigung des Angebots auch nach der Projektlaufzeit sei außerordentlich zu begrüßen: „Das zeigt: Das Land nimmt seine gesetzliche Verpflichtung ernst, die auf europäischer Ebene geltende Istanbul-Konvention umzusetzen und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen effektiv zu bekämpfen und Betroffenen eine flächendeckende, bedarfsgerechte Versorgungsstruktur zu gewährleisten“, so die Vorstandsvorsitzende.
Der Praxisbericht über die innovativen Projekte aus Baden-Württemberg ist bei den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission auf großes Interesse gestoßen, weil das erfolgreiche Vorgehen der Mobilen Teams wie die proaktive Ansprache von Frauen im ländlichen Raum sich auf andere Länder übertragen lässt und damit in die Vorbereitung der neuen EU-Richtlinie zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen einfließen kann.
Im Fokus des Brüssel-Besuchs stand ebenfalls der im März vorgelegte Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission zur flächendeckenden Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Ein Schwerpunkt der EU-Richtlinie liegt auf der Bekämpfung von Cyber- und digitaler Gewalt, zu der sich Staatssekretärin Dr. Ute Leidig in Brüssel austauschte. Die Koordinierungsstelle „Digitale Gewalt“ in Baden-Württemberg gilt als bundesweites Leuchtturmprojekt, um auf die Herausforderungen dieser neuen Gewaltphänomene entschlossen zu reagieren.
Der aktuell gültige Koalitionsvertrag auf Landesebene sieht eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie vor. Vor diesem Hintergrund war das Gespräch mit Kommissarin Helena Dalli zur EU-Gleichstellungsstrategie 2020 bis 2025 besonders wertvoll, um Input und Erfahrungswerte für den eigenen Prozess und mögliche Zielsetzungen der Strategie auf Landesebene zu erhalten. „Von dem Austausch konnten wir sehr profitieren und wertvolle Erfahrungen für unsere Gleichstellungsstrategie in Baden-Württemberg erhalten“, sagte Dr. Leidig zum Abschluss ihres Besuchs in Brüssel.
Gegen Gewalt an Frauen: Informationen zum Hilfesystem in Baden-Württemberg