Mit der inzwischen vierten Gewaltambulanz in Baden-Württemberg erhalten Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt die Möglichkeit, Spuren der Tat unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei gerichtsfest sichern zu lassen. Das Land unterstützt den Betrieb der neuen Gewaltambulanz Stuttgart mit 400.000 Euro.
„Opfer von sexualisierter Gewalt und Misshandlung können sich ab heute unbürokratisch und kostenlos an die neue Gewaltambulanz in Stuttgart wenden, um Spuren ihrer Gewalterfahrung zeitnah sichern zu lassen. Mit der inzwischen vierten Gewaltambulanz in Baden-Württemberg schafft die Landesregierung ein Angebot, um allen Opfern von Gewalttaten, unabhängig vom Alter und Geschlecht, eine verfahrensunabhängige Beweissicherung anzubieten“, sagte Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha anlässlich der Eröffnung am Donnerstag (23. November) in Stuttgart. „Betroffene Opfer können in Ruhe und mit zeitlichem Abstand zur Tat entscheiden, ob sie Anzeige erstatten wollen, ohne dass die Beweise für die Tat verloren gehen.“
Land verbessert den aktiven Opferschutz im Großraum Stuttgart nachhaltig
Das Land Baden-Württemberg unterstützt den Betrieb der neuen Gewaltambulanz mit 400.000 Euro. Die Gewaltambulanz ist im Klinikum Stuttgart direkt neben der Notaufnahme angesiedelt, sodass Betroffene von Gewalt umgehend nach der rechtsmedizinischen Spurensicherung behandelt werden können. Die Gewaltambulanz Stuttgart wird durch das Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg in Kooperation mit dem Klinikum Stuttgart betrieben. „Mit der Gewaltambulanz in Stuttgart stärken wir den aktiven Opferschutz im Land. Betroffene können sich sicher sein, dass sie mit der verfahrensunabhängigen Beweissicherung jederzeit eine Anzeige erstatten können und damit gerichtsfeste Beweise vorliegen. An die Täter geht ein klares Signal, dass jede Straftat zur Anzeige gebracht werden kann, auch Jahre nach der Tat“, so Minister Lucha. „Wir sind dankbar, dass es uns durch das Engagement des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und des Klinikums Stuttgart nun möglich ist, mit der Gewaltambulanz Gewaltopfern im Ballungsraum Stuttgart eine Anlaufstelle für eine rechtsmedizinische Spurensicherung zu bieten.“
Anlässlich des anstehenden Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen (25. November) machte Lucha deutlich, dass in Deutschland jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben physische und/oder sexualisierte Gewalt erlebt. Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner.
Stimmen zur neuen Gewaltambulanz
„Die Gewaltambulanz in Stuttgart stellt einen wichtigen Schritt zu einer landesweiten rechtsmedizinischen Versorgung von Gewaltopfern dar“, sagte Prof. Dr. med. Kathrin Yen, Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin am UKHD und Gründerin der Gewaltambulanz Heidelberg. „Die dort angebotenen Untersuchungen helfen nicht nur, gefährdete Menschen zu erkennen, sondern auch gerichtsverwertbare Beweise zu sichern, die die Verurteilungswahrscheinlichkeit deutlich erhöhen.“
„Im Klinikum Stuttgart werden jedes Jahr 100.000 Patienten in den Notaufnahmen kompetent medizinisch versorgt. Besonders Menschen, die Gewalt erfahren haben, brauchen schnelle und niederschwellige Hilfe“, betonte der Vorstand des Klinikums Stuttgart, Prof. Jan Steffen Jürgensen. „Unsere Notaufnahmen, das Kinderschutzteam in Deutschlands größter Kinderklinik und auch die Gynäkologie im Klinikum Stuttgart bekommen mit der Gewaltambulanz einen starken Partner. Hilfesuchende finden hier jetzt alles unter einem Dach – klinische Versorgung und Hilfe bei der forensischen Dokumentation. Das verhilft ihnen zu ihrem Recht und wirkt damit hoffentlich auch abschreckend auf potenzielle Täter.“
Barbara Straub, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart, sagte: „Ich freue mich sehr, dass Betroffene von Gewalt nun auch in Stuttgart die Möglichkeit haben, Spuren gerichtsfest sichern zu lassen. Neben der medizinischen Untersuchung nach einer Gewalterfahrung erachte ich auch die psychosoziale Begleitung als äußerst wichtig. Hierzu ein gutes Verfahren aufzubauen, wird eine wichtige Aufgabe sein.“
Weitere Informationen zu den Gewaltambulanzen im Land
Neben der Gewaltambulanz Heidelberg, die bereits seit 2015 durch das Land gefördert wird, öffneten im Januar 2021 die Gewaltambulanz in Freiburg und im Mai 2021 die Gewaltambulanz in Ulm. Das Land unterstützt diese drei Gewaltambulanzen mit 450.000 Euro und kommt damit dem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, nach. Der Aufbau der Gewaltambulanz Stuttgart als Außenstelle des Universitätsklinikums Heidelberg wurde durch das Land mit 100.000 Euro finanziert. Die jährliche Landesförderung der Gewaltambulanz Stuttgart beträgt 400.000 Euro.