Der baden-württembergische Landtag hat in zweiter Lesung das Gesetz zur Errichtung einer Landespflegekammer beschlossen. Im nächsten Schritt wird der Gründungsausschuss im Juli seine Arbeit aufnehmen.
Der baden-württembergische Landtag hat heute (24. Mai) ein klares Signal an die Pflegefachkräfte in Baden-Württemberg gesendet und in zweiter Lesung das Gesetz zur Errichtung einer Landespflegekammer beschlossen. Gesundheitsminister Manne Lucha zeigte sich erfreut und dankte den Regierungsfraktionen: „Der Stellenwert des Pflegeberufs und die Interessen der Pflegefachkräfte in Baden-Württemberg werden durch die Errichtung einer Landespflegekammer deutlich gestärkt. Pflegefachkräfte sollen endlich die Chance erhalten, ihren Beruf selbst mitzugestalten und sich auf Augenhöhe einzubringen. Die Einrichtung einer Landespflegekammer ist daher ein wichtiger Schritt zur Aufwertung des Pflegeberufs und ein Baustein zur Sicherung des Fachkräftebedarfs“, so Lucha am Mittwoch (24. Mai) in Stuttgart.
Starke Stimme für Pflegefachkräfte im Land
Die Landespflegekammer soll nach dem Willen der Landesregierung die sechste Heilberufe-Kammer in Baden-Württemberg werden und wichtige Aufgaben übernehmen. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Kammer eine eigene Weiterbildungsordnung erarbeitet, um für die Bürgerinnen und Bürger im Land eine qualitätsgesicherte pflegerische Versorgung auf höchstem Niveau sicherzustellen. Zudem soll sie eine Berufsordnung erarbeiten, bei der es die Pflegekräfte selbst in der Hand haben, die Rechte und Pflichten für ihren eigenen Berufsstand festzulegen.
Darüber hinaus soll die Pflegekammer den Pflegefachkräften im Land eine Plattform bieten, die es ihnen ermöglicht, sich zu vernetzen und auszutauschen und damit die Gemeinschaft der in der Pflege beschäftigten Fachkräfte zu stärken. Und letztlich soll sie mit einer starken Stimme, die alle rund 110.000 Pflegefachkräfte in Baden-Württemberg vereint, ihre Interessen gegenüber Öffentlichkeit, Politik und anderen Akteuren des Gesundheitswesens vertreten. Vorgesehen ist, dass die Pflegekammer in Gesetzgebungsprozessen und bei allen Themen, die die Profession Pflege betreffen, mit am Tisch sitzt. „In Zukunft wird nicht mehr über, sondern mit der Pflege geredet. Somit zieht dieser Berufsstand endlich gleich zu den bereits bestehenden Heilberufe-Kammern“, so Minister Lucha.
Gründungsausschuss nimmt Arbeit auf
Im nächsten Schritt wird nun im Juli dieses Jahres der Gründungsausschuss – das Gremium, das die Pflegekammer vorbereitet – seine Arbeit aufnehmen. Er wird sich aus Pflegefachkräften zusammensetzen und hat 18 Monate Zeit, die rund 110.000 Pflichtmitglieder zu registrieren und die Wahl zur ersten Vertreterversammlung vorzubereiten. Ende 2024 soll die gewählte Vertreterversammlung zum ersten Mal zusammentreten. Mit dem Zusammentritt der ersten Vertreterversammlung soll dann die Landespflegekammer offiziell gegründet und der Gründungsausschuss aufgelöst werden.
Bereits bei der Besetzung des Gründungsausschusses wird das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration darauf achten, dass der Anteil von Frauen und Pflegefachkräften aus den verschiedenen Bereichen dem tatsächlichen Pflegealltag entspricht. Wichtig ist, dass Pflegefachkräfte aus allen Bereichen angemessen vertreten sind, damit sie ihre berufliche Expertise bestmöglich einbringen können.
60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder müssen registriert sein
Um der Landespflegekammer von Anfang an eine starke demokratische Grundlage zu geben, findet die Wahl zur ersten Vertreterversammlung nur statt, wenn 60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder registriert sind. Für dieses Errichtungsquorum werden nur Kammermitglieder berücksichtigt, die keine Einwendungen gegen die Registrierung erhoben haben. Wird das Errichtungsquorum nicht erreicht, wird die Landespflegekammer nicht errichtet und der Gründungsausschuss aufgelöst. Das Verfahren der Registrierung wird vom Gründungsausschuss in den nächsten Monaten durchgeführt und alle Einrichtungen und Pflegekräfte werden darüber niederschwellig und direkt informiert.
Für Baden-Württemberg ist die Verabschiedung des Gesetzesvorhabens zur Errichtung einer Landespflegekammer ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Pflege und zur Fachkräftesicherung. „Denn niemand kann die Pflege besser vertreten als die Pflege selbst“, ist der Sozialminister überzeugt.
Antworten auf häufige Fragen zur Errichtung einer Landespflegekammer
Eine Pflichtmitgliedschaft in der Pflegekammer soll dann bestehen, wenn folgende drei Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Person ist Pflegefachkraft (durchgängige dreijährige Fachausbildung).
2. Die Person übt den Beruf nicht nur vorübergehend aus.
3. Sie übt den Beruf in Baden-Württemberg aus.
Eine freiwillige Mitgliedschaft ist auch möglich, zum Beispiel für Auszubildende, Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Hochschuldozierende.
Eine wirksame Interessenvertretung der Pflegeberufe und ein entsprechendes Mitwirken an Entscheidungen im Gesundheitswesen erfordern die Einbindung der entsprechenden Berufsangehörigen in eine Kammer. Nur bei Erfassung aller Mitglieder ist auch eine sachgemäße Berufsaufsicht im Rahmen der Selbstverwaltung und die Übernahme der im vorliegenden Gesetz näher konkretisierten Aufgaben, insbesondere im Bereich der Fort- und Weiterbildung und der Qualitätssicherung, gewährleistet. Die Landespflegekammer Baden-Württemberg kann für die Berufsangehörigen die ihr zugedachte Rolle nur einnehmen, wenn sie für alle Pflegekräfte ein Vertretungsmandat innehat. Ein freiwilliger Zusammenschluss der Pflegeberufe erreicht dieses Ziel nicht, da damit nicht eine vollständige Repräsentanz des Berufsstands gewährleistet ist und die Zusammensetzung vom Zufall abhinge.
Es ist von einem durchschnittlichen monatlichen Beitrag zwischen 5 und 9 Euro auszugehen. Die Mitgliedsbeiträge sollen nach Gehalt gestaffelt sein – bis zur Beitragsfreistellung. Als unabhängiges Selbstverwaltungsorgan muss sich die Pflegekammer so wie die bereits bestehenden Heilberufe-Kammern selbst finanzieren. Die Pflegekammer hat die Möglichkeit, im ersten Jahr ihres Bestehens einen pauschalen monatlichen Mitgliedsbeitrag von maximal 5 Euro zu erheben.
Das Registrierungsverfahren wird wie folgt umgesetzt: Das Registrierungsverfahren wird vom Gründungsausschuss gestartet. Die Arbeitgeber der Pflegefachkräfte sind verpflichtet, die Daten der bei ihnen beschäftigten Personen an den Gründungsausschuss zu übermitteln. Der Gründungsausschuss kontaktiert auf Grundlage dieser Daten die Pflegefachkräfte und informiert sie über die Pflichtmitgliedschaft in der Landespflegekammer Baden-Württemberg bei Vorliegen der Voraussetzungen der Pflichtmitgliedschaft (siehe oben). Er informiert darüber, dass er die Registrierung anhand der vom Arbeitgeber übermittelten Daten durchführen werde, es sei denn es werde innerhalb von sechs Wochen postalisch oder digital eine Einwendung gegen die Registrierung eingelegt. Erst nach Erhalt dieser Information kann eine Einwendung eingereicht und verarbeitet werden. Die Einwendung muss einer Person eindeutig zuordenbar sein; eine ausreichende Dateneingabe für die Einwendung besteht aus Vorname, Name, Geburtsdatum und Einwendungsgrund.
Um der Landespflegekammer Baden-Württemberg von Beginn an eine starke demokratisch legitimierte Grundlage zu geben, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Wahl zur ersten Vertreterversammlung nur stattfinden darf, wenn mindestens 60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder vom Gründungsausschuss registriert wurden. Bemessungsgrundlage ist die dann aktuelle Pflege- und Krankenhausstatistik des Statistischen Landesamtes (insgesamt gibt es danach rund 110.000 Pflegefachkräfte in Baden-Württemberg). Auf das 60-Prozent-Quorum zählen nur Registrierungen ein, bei denen keine Einwendung erhoben wurde (siehe oben).
Wird dieses Errichtungsquorum nicht erreicht, weil mehr als 40 Prozent der Pflichtmitglieder eine Einwendung beim Gründungsausschuss abgegeben haben, wird keine Pflegekammer errichtet und der Gründungsausschuss aufgelöst.
Hintergrundinformationen
Eine Landespflegekammer Baden-Württemberg würde die Zahl der Pflegekammern in Deutschland auf drei erhöhen. In Rheinland-Pfalz besteht seit 2016 eine Pflegekammer und in Nordrhein-Westfalen seit Dezember 2022. Das Vorhaben der Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg geht zurück auf die Enquetekommission Pflege des Landtags von Baden-Württemberg, die der Landesregierung 2016 bei entsprechend zustimmender Umfrage unter den Pflegekräften die Errichtung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg empfahl. Bei der Befragung im Jahre 2018 von insgesamt 2.699 Personen in 228 Einrichtungen sprachen sich 68 Prozent der Pflegekräfte und Auszubildenden, die sich an der Umfrage beteiligten, für die Errichtung einer Pflegekammer aus. Gemäß dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode (2021-2026) wurde der Vorbereitungs- und Gründungsprozess zur Errichtung einer Landespflegekammer wieder aufgenommen.