Die Landesregierung will der Gewalt gegen Frauen vorbeugen und Betroffene stärker schützen und unterstützen. Im kommenden Jahr wird der aktuelle Landesaktionsplan überarbeitet. Grundlage ist unter anderem eine Analyse zur bisherigen Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Ein Blick in die offiziellen Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik macht deutlich: In Deutschland gibt es weiterhin viel zu viel Gewalt gegen Frauen. Studien zeigen, jede dritte Frau ist von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen. Und jede zweite Frau nutzt nachts aufgrund eines zu großen Unsicherheits- und Bedrohungsgefühls keine öffentlichen Verkehrsmittel.
„Das dürfen wir nicht akzeptieren“, sagte Dr. Ute Leidig, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am Freitag (25. November). „Wir müssen Belästigungen, Gewalt und Angstempfinden von Anfang an verhindern. Nicht Frauen müssen ihr Verhalten ändern, Täter müssen es. Und dazu kann jede und jeder von uns seinen Teil beitragen.“
Landesaktionsplan wird fortgeschrieben
Die Landesregierung will der Gewalt vorbeugen und Betroffene stärker schützen und unterstützen. Aus diesem Grund soll die Universität Stuttgart analysieren, inwieweit die Istanbul-Konvention bereits umgesetzt wird. Sie ist ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Auf Grundlage der Ergebnisse wird der aktuelle Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen in Baden-Württemberg im Jahr 2023 überarbeitet und in einem neuen Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention fortgeschrieben. Der Landesaktionsplan soll im Jahr 2024 veröffentlicht werden. In diesem sollen auch neuere Gewaltformen wie die digitale Gewalt und besonders von Gewalt Betroffene wie Frauen mit Behinderungen verstärkt berücksichtigt werden.
Umfrage: Mehr als die Hälfte der Frauen im Alltag eingeschränkt
„Normalisierte“ Gewalt im Alltag hat weitreichende körperliche, psychische und psychosoziale Folgen für Frauen. Das machte eine aktuelle Befragung des Bundeskriminalamts und des Bundesinnenministeriums deutlich. Demnach gaben mehr als die Hälfte der befragten Frauen an, dass sie nachts aufgrund eines zu großen Unsicherheits- und Bedrohungsgefühls keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen – deutlich mehr als bei Männern. Diese Zahlen zeigen auf, dass der Alltag von Frauen mit einer Angst vor Übergriffen und Gewalt begleitet ist, was reale Auswirkungen und Einschränkungen in deren Lebensgestaltung mit sich bringt. Diese Angst vor Belästigung und Gewalt ist mittlerweile auch nicht mehr „nur“ auf bestimmte Räume wie öffentliche Verkehrsmittel, spezifische Orte oder die eigenen vier Wände begrenzt, sondern weitet sich zunehmend auch auf den digitalen Raum aus. Hierbei besteht die Gefahr, dass die Gewalt in digitalen Räumen dazu führt, dass Frauen sich zunehmend aus dem Internet zurückziehen und weniger partizipieren.
Kampagne „nachtsam“ will das Nachtleben für Frauen sicherer machen
Um öffentliche Orte im Nachtleben für Frauen sicherer zu machen, hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg im September 2021 die Kampagne „nachtsam“ gestartet. Ziel ist es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von nachtschaffenden Betrieben für sexuelle Belästigung und Übergriffe auf Frauen zu sensibilisieren. Seit dem Start der Kampagne „nachtsam. Mit Sicherheit besser feiern“ sind bereits 111 Clubs, Betriebe und Einrichtungen mit jeweils fünf bis 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult worden. Weitere 87 Einrichtungen sind bereits registriert und befinden sich noch im Schulungsprozess. In 24 Landkreisen beziehungsweise Städten in Baden-Württemberg gibt es bereits Betriebe mit geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Darüber hinaus konnten wichtige Kooperationspartner in den jeweiligen Städten gewonnen werden, zum Beispiel Universitäten, das Amt für öffentliche Ordnung in Freiburg oder die Nachtbürgermeister/-manager in Stuttgart und Mannheim. In Heidelberg und Mannheim machen auch die lokalen Stadtfahrrad-Anbieter mit.
„Ein wichtiger Schritt in der Zukunft wird auch sein, auf die Sensibilisierung und das Bewusstsein für Gewalt hinzuwirken. Sowohl Frauen als auch Menschen in ihrem Umfeld muss bei jeglicher Form von Gewalt und Grenzüberschreitungen klar sein, dass dies nicht toleriert werden kann. Nein heißt Nein und braucht keinerlei Begründungen“, so Staatssekretärin Dr. Leidig. Viel zu oft werden Grenzverletzungen und Belästigungen als unabänderlich und „normal“ hingenommen.
„Egal ob es um digitale Gewalt, häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung, um Angst von Frauen nachts rauszugehen oder anzügliche Bemerkungen geht: Wir dürfen dies nicht weiter hinnehmen. Frauen sollen sich nicht länger in ihrem Alltag und in ihrer Lebensgestaltung einschränken müssen. Daher kämpfen wir in Baden-Württemberg gegen jegliche Form der Gewalt, Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen“, betonte Dr. Leidig abschließend.