Der Begriff demografischer Wandel umschreibt bevölkerungsstatistische Veränderungen, die mit einem erheblichen sozialen Wandel der Gesellschaft verbunden sind. Die zum Teil noch gebräuchliche Charakterisierung, wonach die Bevölkerungszahl zurückgeht und die Gesellschaft altert, greift allerdings deutlich zu kurz. Nach dem aktuellen fachlichen Verständnis des Sozialministeriums ist der demografische Wandel durch folgende zentralen Merkmale gekennzeichnet, die in einer engen Wechselbeziehung stehen:
1. Die Gesellschaft wird älter („Alterung“)
Der Altersaufbau bzw. die Altersstruktur der Gesellschaft verändert sich grundlegend. Während die Zahl und der Anteil junger Menschen sinken, wachsen die Zahl und der Anteil älterer Menschen. Besonders deutlich steigen die Zahl und der Anteil hochbetagter Menschen an (85 Jahre und älter).
Dass Baden-Württemberg mit die jüngste Bevölkerung im Vergleich der deutschen Länder hat, ist vor allem auf eine zeitweise starke Zuwanderung zurückzuführen. Die Zuziehenden sind im Schnitt deutlich jünger als die einheimische Bevölkerung und haben somit die Alterung der Bevölkerung abgeschwächt. Das Durchschnittsalter im Südwesten lag Ende 2015 bei 43,2 Jahren. Eine weitere Alterung ist aber unausweichlich: bis zum Jahr 2060 wird das Durchschnittsalter um voraussichtlich knapp 5 Jahre auf dann 48 Jahre steigen. Diesen Trend würde auch eine weiterhin hohe Zuwanderung nach Baden-Württemberg lediglich abschwächen, aber nicht verhindern.
2. Die Bevölkerungszahl geht mittelfristig zurück („Schrumpfung“)
Baden-Württemberg kann sich vor allem auf Grund von Zuwanderung zunächst noch einige Jahre gegen den allgemeinen bundesweiten Gesamttrend des Bevölkerungsrückgangs behaupten. In den Jahren 2008 und 2009 war die Einwohnerzahl noch leicht rückläufig. In den letzten Jahren hat die Bevölkerungszahl wieder zugenommen. Die Einwohnerzahl dürfte im Jahr 2015 nach ersten Schätzungen auf etwas mehr als 10,8 Millionen Menschen gestiegen sein. In den vergangenen Jahren ist auch ein leichter Anstieg der Geburtenrate zu beobachten.
Eine Aussage darüber, wie viele Menschen künftig in Baden Württemberg leben werden, ist aber sehr schwierig, weil das Wanderungsgeschehen enormen Schwankungen unterliegt. Bereits im Jahr 2013 sind etwa 70.000 Menschen mehr ins Land gekommen als fortgezogen sind. Auch bei weiterhin anhaltender Zuwanderung ist aber mit einem späteren Bevölkerungsrückgang zu rechnen, weil sich das bestehende Geburtendefizit stetig vergrößern wird. Ungeachtet dieses Trends für das Land Baden-Württemberg gibt es örtlich unterschiedliche Entwicklungen, die schon früher zu einer Schrumpfung der Einwohnerzahl führen können.
„Alterung“ und „Schrumpfung“ gehen auf zwei maßgebliche Einflussfaktoren zurück, die additiv wirksam sind:
Zum einen liegt die so genannte zusammengefasste Geburtenziffer (TFR – Total Fertility Rate) bereits seit etwa fünfunddreißig Jahren um etwa ein Drittel unterhalb der für eine stabile Bevölkerungszahl notwendigen Geburtenziffer. Zur Bestandserhaltung müsste jede Frau im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 2,1 Kinder bekommen. Tatsächlich pendelt die Kinderzahl pro Frau im gebärfähigen Alter seit dem Ende des sog. „Babybooms“ zwischen 1,2 und 1,4. In der Folge wird jede nachfolgende Generation um etwa ein Drittel kleiner. Auf Grund dieser Entwicklung sinkt die Zahl der Geburten im zeitlichen Verlauf auch dann weiter kontinuierlich ab, wenn die zusammengefasste Geburtenziffer konstant bleibt.
Zum anderen steigt die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen stetig weiter an. Ursächlich hierfür ist insbesondere der medizinische Fortschritt, der heute auch bei Krankheitsverläufen Lebensperspektiven eröffnet, die früher zwangsläufig zum Tode geführt haben.
3. Die Gesellschaft wird vielfältiger
Zu den beiden beschriebenen bevölkerungsstatistischen Entwicklungstrends treten weit reichende soziale Veränderungen hinzu. Die Lebensentwürfe und Lebensformen der Menschen haben sich zunehmend pluralisiert. Tradierten Lebenskonzepten (Ehe, Kind bzw. Kinder) steht inzwischen eine Vielzahl gesellschaftlich in gleicher Weise akzeptierter anderer Optionen gegenüber. Kinderlosigkeit ist nicht mit gesellschaftlicher Ausgrenzung verbunden und für die eigene Alterssicherung angesichts der sozialen Sicherungssysteme kein relevanter Aspekt mehr. Damit zusammenhängend haben sich unterschiedliche sozio-kulturelle Milieus herausgebildet, die durch eigene Werte- und Lebensvorstellungen geprägt sind. Die wachsende ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt hat zu einem zusätzlichen gesellschaftlichen Pluralisierungsschub geführt.
4. Die Lebensgestaltung der Menschen wird individueller
Auch innerhalb der sozio-kulturellen Milieus, die sich durch die Pluralisierung herausbilden, sind die individuellen Werte- und Lebensvorstellungen stärker ausgeprägt („Vielfalt in der Vielfalt“). Selbst die Bevölkerungsgruppe der älteren, alten und hochbetagten Menschen weist außerordentlich große Unterschiede auf.
5. Die Gesellschaft wird mobiler
Die Wanderungsbewegungen der Menschen (Einwanderung und Auswanderung) nehmen kontinuierlich zu. Hierfür sind in erster Linie wirtschaftliche Aspekte verantwortlich. Die Anforderungen an die berufliche Flexibilität haben auch in räumlicher Hinsicht zugenommen und wirken sich auch auf die Veränderung des Wohnsitzes aus.