Mit dem neuen Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz - WTPG) ist Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter. Während das alte Landesheimgesetz nur die Alternative „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine bisher nie dagewesene Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen.
Ambulant betreute selbstverantwortete Wohngemeinschaften werden eine zusätzliche Säule neben dem Wohnen in den eigenen vier Wänden, trägerverantworteten ambulanten Wohngemeinschaften und stationären Einrichtungen im Land darstellen.
Zu den unterstützenden Wohnformen des neuen Gesetzes zählen:
Die Entscheidung, in eine stationäre Pflegeeinrichtung zu gehen, trifft der Bewohner selbst oder – wenn er unter Betreuung steht – sein gesetzlicher Betreuer. Stationäre Einrichtungen sind ein Basisangebot, auf das Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf wie auch Menschen mit Behinderungen dann zugreifen, wenn Pflege und Unterstützung rund um die Uhr unerlässlich werden.
Herzstück des neuen Gesetzes ist die neu geschaffene Wohnform „ambulant betreute Wohngemeinschaft“ (§ 5 WTPG) für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Hier dürfen maximal bis zu 12 Personen zusammenleben. Diese können ihr Leben und die täglichen Abläufe nur teilweise selbst bestimmen. Daher ist hier in einem gewissen Umfang eine staatliche Aufsicht vorgesehen. Ein Anbieter verantwortet die WG beziehungsweise organisiert Wohn- und/oder Serviceleistungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ihre Pflegeleistungen frei wählen, eine Präsenzkraft ist rund um die Uhr anwesend und in der Wohnung stehen insgesamt 25 Quadratmeter pro Person zur Verfügung (§ 13 WTPG).
Leben in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft – unter der verantwortlichen Leitung eines Anbieters – zwischen 9 und 12 Personen zusammen, ähnelt dies eher einem kleinen Heim. Deshalb werden hier höhere Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Betreuungskräfte, ihre Präsenzzeit und an die baulichen Standards gestellt.
Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen sind auf eine Anzahl von bis zu 8 Personen beschränkt. Um der eigenständigen Lebens- und Bedarfssituation der Bewohnerinnen und Bewohner gerecht zu werden, gelten andere Voraussetzungen und Anforderungen als für WGs für Menschen mit Pflegebedarf (§ 6 i.V.m. § 13 WTPG). Menschen mit Behinderungen sollen hier ihren Fähigkeiten entsprechend soweit wie möglich selbstbestimmt leben können. Die notwendige Unterstützung ist häufig zeitlich oder auf bestimmte Handhabungen beschränkt. Erforderlich ist daher in sehr unterschiedlichem Umfang eine Präsenz und gegebenenfalls ergänzend eine Rufbereitschaft. Eine weitere Individualisierung dieser Vorgaben kann in Wohngemeinschaften für Menschen mit psychischer Erkrankung erfolgen.
In einer „selbstverantworteten Wohngemeinschaft“ (maximal 12 Personen) regeln die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich. Dies bedeutet, dass sie unter anderem Pflege- oder Unterstützungsleistungen frei wählen und Dinge des täglichen Lebens selbstbestimmt gestalten. Diese Wohnform ähnelt sehr stark dem Leben in den eigenen vier Wänden und erfordert deshalb keine staatliche „Aufsicht“. Selbstverantwortete Wohngemeinschaften müssen jedoch bei der zuständigen Heimaufsicht angezeigt werden.
Beratungsstelle für ambulant betreute Wohnformen
Zur Unterstützung dieser zukunftsfähigen Neuausrichtung der Wohn- und Pflegelandschaft im Land hat das Sozialministerium beim Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) für Baden-Württemberg die Fachstelle ambulant unterstützte Wohnformen (FaWo) errichtet.
Die Fachstelle übernimmt vielfältige Aufgaben der Information, Schulung, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkarbeit. Kommunale und regionale Beratungsstrukturen sollen durch die Fachstelle in die Lage versetzt werden, Nutzerinnen und Nutzer, Initiativen, Träger und Planungsverantwortliche beim Auf- und Ausbau von ambulant unterstützten Wohnformen zu beraten und zu begleiten.
Heimaufsicht
Die Schutzfunktion der Heimaufsicht ist im neuen Heimrecht (WTPG) flexibel und abgestuft geregelt. Vereinfacht gesprochen: Je weniger ein Mensch dazu in der Lage ist, seine Angelegenheit selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu regeln, umso größer ist sein Schutzbedarf und umso mehr ist die Heimaufsicht gefordert, diesen Schutz auch zu gewährleisten.
Mehr Transparenz
Die Träger stationärer Einrichtungen und ambulant betreuter Wohngemeinschaften müssen ihre Leistungsangebote allen Interessierten zugänglich machen. Bewohnerinnen und Bewohner sind schriftlich über Informations- und Beratungsmöglichkeiten sowie Beschwerdestellen zu informieren. Stationäre Einrichtungen müssen außerdem den Prüfbericht der Heimaufsicht auslegen und auf Antrag eine Kopie aushändigen (§ 8 WTPG).
Überprüfung der Qualität
Zur Sicherstellung der Qualität und damit zum Schutz der Bewohner und Bewohnerinnen werden stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulant betreute Wohngemeinschaften durch die Heimaufsicht unangemeldet geprüft. In einer Wohngemeinschaft erfolgt diese Prüfung in den ersten drei Jahren jährlich, danach bei Kenntnis von Mängeln oder möglichen Gefahren (§§ 17 und 18 WTPG). In stationären Einrichtungen bleibt es bei dem jährlichen Prüfzyklus und Überprüfungen im Verdachtsfall.
Hat die Heimaufsicht im Rahmen ihrer Überprüfung Mängel festgestellt, berät sie den Träger (§ 21 WTPG). Wenn sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um Beeinträchtigungen zu beseitigen oder drohende Gefahren für die Bewohnerinnen und Bewohner abzuwenden, kann die Heimaufsicht dies anordnen (§ 22 WTPG).
Das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg gibt für die Arbeit der Heimaufsichtsbehörden und den mit ihnen zusammenarbeitenden Gesundheitsämtern eine Orientierungshilfe heraus (Download siehe Seitenende).
Mitwirkung der Bewohner in stationären Einrichtungen
Die Bewohnerinnen und Bewohner einer stationären Einrichtung sind berechtigt, in den Angelegenheiten, die ihr Leben im Heim berühren, mitzuwirken. Diese Mitwirkung erfolgt über den Bewohnerbeirat (§ 9 WTPG und Regelungen der Landesheimmitwirkungsverordnung), ein Fürsprechergremium oder einen Heimfürsprecher. Mitwirkung bedeutet Mitsprache, nicht Mitbestimmung. Das heißt, die Entscheidungsbefugnis und damit die Verantwortung für die Entscheidung bleibt beim Einrichtungsträger.
In Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium hat der Landesseniorenrat eine Broschüre zusammengestellt zur „Mitwirkung in Einrichtungen der stationären Altenpflege“. Die Veröffentlichung enthält Handlungsempfehlungen und Arbeitshilfen für Heimbeiräte, Fürsprechergremien und Heimfürsprecher sowie eine Mustergeschäftsordnung zur Wahl des Heimbeirats. Sie steht rechts auf dieser Website zum Herunterladen zur Verfügung.