Armutsbekämpfung im Land

Armut durch Maßnahmen für mehr Chancengleichheit bekämpfen

Zwei Kleinkinder auf einer Rutsche

Auch in einem reichen Land wie Deutschland und hier in Baden-Württemberg ist Armut Realität. Wer arm ist, kann an vielem nicht teilhaben. Armut ist ein Mangel an Teilhabe- und Verwirklichungschancen.

In Baden-Württemberg ist ein Anteil von 16,4 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet (aktuellster Datenstand: 2021). Das heißt, grob gesagt, dass sie und ihr Haushalt im Monat nur höchstens 60 Prozent eines mittleren Einkommens zur Verfügung haben (Landesmedian). Es handelt sich dabei um eine europaweit anerkannte Definition von Armut und Armutsgefährdung. Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg weisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko auf. Im Jahr 2021 waren 20,8 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Baden-Württemberg armutsgefährdet.

Um Armut erfolgreich zu bekämpfen beziehungsweise zu verhindern ist es wichtig, für die verschiedenen Betroffenengruppen jeweils passgenaue, nicht stigmatisierende Angebote und Instrumente zu entwickeln.

Flächendeckender Ausbau der Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg

Kinder in Armut können nicht ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Schon in der Schule haben sie oft schlechtere Chancen und können sich als Erwachsene nur noch schwer aus der Armut befreien. Mit dem Ansatz der Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut will das Land dazu beitragen, dass alle Kinder gute und gleiche Chancen haben – von Anfang an, aber auch beim Übergang von der Kita in die Schule oder von der Schule in die Ausbildung beziehungsweise ins Studium.

Auf finanzielle Transferleistungen hat das Land wenig Einfluss – anders ist das bei der Förderung einer armutspräventiven Infrastruktur in den Kommunen. Dafür stellt das Land seit knapp zehn Jahren Mittel des Landeshaushalts für den Aufbau und die Weiterwicklung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut zur Verfügung. Ziel eines kommunalen Präventionsnetzwerkes gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg ist es, eine integrierte kommunale Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Kinderarmut zu entwickeln, damit sich materielle Armutsgefährdung im Kindesalter möglichst nicht nachteilig auf die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe im gesamten Leben auswirkt. Bis 2030 soll dieser Ansatz in allen Stadt- und Landkreisen etabliert sein.

Alle geförderten Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut werden im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration bei ihrer Arbeit mit fachlicher Beratung, Begleitung und regelmäßigen Netzwerktreffen und durch die FamilienForschung im Statistischen Landesamt unterstützt.

Weitere Informationen zu Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg – zum theoretischen Ansatz und zu Fördermöglichkeiten – finden Interessierte auf der digitalen Informationsplattform „Starke Kinder – chancenreich“.

Zum 1. Januar 2023 schafft das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration für Kommunen und freie Träger der Zivilgesellschaft eine neue Fördersystematik zum Aufbau von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut sowie für die Weiterentwicklung der bestehenden Netzwerkstandorte mit neuen Elementen – und nun auch für die Verstetigung von bereits gut etablierten Netzwerken (Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut - VwV PNetz (PDF)).

Förderprogramm gegen Kinderarmut im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus)

Das durch den Europäischen Sozialfonds Plus und Landesmittel finanzierte Förderprogramm „Maßnahmen gegen Jugendarmut“ richtet sich vorrangig an Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse, aber auch an deren Eltern. Es werden zehn Projekte (PDF) mit einem Volumen von 6 Millionen Euro, davon 3 Millionen aus Mitteln des ESF Plus und 3 Millionen aus Landesmitteln gefördert.

Ziel ist es, Ungleichheiten in der Gesellschaft abzubauen und möglichst allen Kindern und Jugendlichen gleich gute Startmöglichkeiten zu bieten. Dafür werden mit den Projekten unterschiedliche Ansätze verfolgt. Allen gemeinsam ist der Anspruch, Perspektiven für eine Zukunft ohne Armut aufzuzeigen und umzusetzen. Dies geschieht durch psychosoziale Stabilisierung, aber auch durch Elemente der Erlebnispädagogik oder durch Einbeziehung des familiären Umfelds.

Die ESF-Plus-Projekte orientieren sich an den zentralen Initiativen des Landes zur Bekämpfung und Prävention von Kinderarmut, den sogenannten „Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg“. Das setzt voraus, dass die Maßnahmen mit ihrer Konzeption an einem bestehenden Netzwerkstandort andocken oder mit einem solchen intensiv zusammenarbeiten.

Analyse zeigt Bedarf an Schuldnerberatung für Familien – Umsetzung der Empfehlungen mit innovativen Projekten

Der GesellschaftsReport „Überschuldung von Familien in Baden-Württemberg – Analyse und Ansätze zur Verbesserung der Schuldnerberatung“ (PDF) beleuchtet anhand von statistischen Daten das Ausmaß, die Ursachen sowie Folgen der Überschuldung von Familien in Baden-Württemberg. Er stellt insbesondere anhand von Interviews mit Schuldnerberaterinnen und -beratern heraus, mit welchen Ansatzpunkten sich die Beratung betroffener Familien verbessern lässt.

Die Forscherinnen und Forscher der FamilienForschung Baden-Württemberg stellen in dem Bericht heraus, dass es hierbei besonders darauf ankommt,

  • mit systemischen Beratungsansätzen alle Familienmitglieder zu berücksichtigen,
  • dass sich die Beraterinnen und Berater spezifische Kenntnisse zu Leistungsansprüchen von Familien sowie zu Unterhaltsverpflichtungen aneignen,
  • soziale Schuldnerberatung an Orten anzubieten, an denen Eltern ohnehin sind, etwa in Familien- und Quartierszentren, an Schulen und Kitas sowie auch Möglichkeiten der telefonischen und digitalen Beratung zu schaffen.

Neben der Reaktion auf Überschuldung ist es wichtig vorzubeugen, damit eine Überschuldung frühzeitig erkannt wird und erste Hilfestellungen gegeben werden können. Hierfür bietet es sich an, dass bestehende Beratungsstellen

  • die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit ausbauen,
  • mit der Kinder- und Jugendhilfe, mit Schulen und Kindertagesstätten, aber auch mit Freizeiteinrichtungen und Sportvereinen zusammenarbeiten, um gute, niedrigschwellige Zugänge zu Familien zu schaffen,
  • Fachkräfte im Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitsbereich schulen, dass sie für Gefährdungslagen sensibel sind und als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren den Weg zur Schuldnerberatung bahnen können.

Neun Pilotprojekte in Baden-Württemberg (PDF) sollen von Ende 2022 bis Ende 2023 erproben, wie eine solche Hilfe gelingen kann. Es geht im Kern darum, die Beratungsmöglichkeiten für Familien in der bestehenden sozialen Schuldnerberatung auszubauen und verschuldete Familien möglichst früh zu erreichen, um eine Überschuldung zu verhindern und insbesondere die Folgen für die Kinder und Jugendlichen abzuwenden.

Bessere Teilhabe von armutsgefährdeten Menschen an Politik und Gesellschaft

Regelmäßige soziale Kontakte wirken sich positiv auf die politische und gesellschaftliche Teilhabe von armutsgefährdeten Menschen aus. Zu diesem Ergebnis kommt der zweite GesellschaftsReport BW des Jahres 2019 „Politische und gesellschaftliche Teilhabe von Armutsgefährdeten“. Beispiele aus der Praxis zeigen, welche Rolle Vernetzungsmöglichkeiten spielen, um sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Gesellschaftsreports wurde der Förderaufruf „Politische und gesellschaftliche Teilhabechancen trotz Armutsgefährdung“ veröffentlicht. Es wurden von 2019 bis Mitte 2021 elf Projekte in Stuttgart, Mannheim, Göppingen, Rottweil und im Rhein-Neckar-Kreis durchgeführt. Diese befassen sich mit Angeboten aus den Bereichen Politik und Kultur, bieten Begegnungsräume oder fördern die Bildung von Netzwerken.  Auflistung der Projekte (PDF) 

In der Broschüre „Strategien gegen Armut – Nachhaltigkeit, Verstetigung und Good Practice" (PDF)  werden die Projekte aus dem Jahr 2019 mithilfe von Steckbriefen vorgestellt. Hierbei wurde auf die Projektkonzeption, die Projektziele, die Zielgruppenansprache, besondere Aspekte der Teilhabestärkung und die Erfahrungen an den Projektstandorten eingegangen.

Damit zukünftige Projekte auf diese Ergebnisse aufbauen können, hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in den Jahren 2021 und 2022 mit dem Förderaufruf „Impulse Teilhabeförderung“ weitere Mittel des Landeshaushalts zur Verfügung gestellt:

2021: Liste der neun geförderten Projekte im Land (PDF)2022: Liste der acht geförderten Projekte im Land (PDF)

Die Projekte bearbeiten die folgenden Fragestellungen:

  • Wie können Austausch und Vernetzung von Menschen mit Armutserfahrung untereinander und zwischen Menschen mit und/ oder ohne Armutserfahrung zur Förderung von sozialer Teilhabe beitragen und welche Angebote sind dafür erforderlich und hilfreich?
  • Wie können durch Ansätze wie Empowerment, Partizipation, Selbstorganisation und Hilfe zur Selbsthilfe die Selbstwirksamkeit und gesellschaftliche Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung gefördert werden? Welche Rahmenbedingungen müssen dafür zur Verfügung stehen?
  • Welche Bedeutung haben aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen für die Lebenslage von Menschen mit Armutserfahrungen? Woran muss gearbeitet werden, damit dadurch soziale Ungleichheit nicht verschärft und soziale Gerechtigkeit geschaffen wird?
  • Welche Möglichkeiten bestehen, durch niedrigschwellige, wohnortnahe, quartiersbezogene, sozialraumorientierte Angebote die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Armutserfahrung zu verbessern?

Modulares Konzept der Armutsberichterstattung für Baden-Württemberg

Um passgenaue Unterstützungsangebote zur Armutsbekämpfung entwickeln zu können, braucht es eine aussagekräftige Datengrundlage. Das Land baut die bisherige Armutsberichterstattung mithilfe eines Konzepts von fünf Modulen aus. Für die Umsetzung des Konzepts wurde die FamilienForschung im Statistischen Landesamt beauftragt.

Bei der Umsetzung wird der Landesbeirat für Armutsbekämpfung und Prävention Baden-Württemberg (PDF) intensiv beteiligt. Es handelt sich um ein Beratungsgremium aus den kommunalen Landesverbänden, den für das Thema Armutsbekämpfung relevanten Verbänden und Organisation der Zivilgesellschaft, den Betroffeneninitiativen, den anderen Landesressorts und den Landtagsfraktionen.

Bericht „Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg“

Der ungefähr 100-seitige Landesbericht zu Teilhabechancen (PDF) nimmt die Bedingungen für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in den Blick. Der Fokus liegt dabei auf empirischen Ergebnissen zu verschiedenen Dimensionen der Lebenslage von Kindern und Jugendlichen und den diesbezüglichen kommunalen Handlungsmöglichkeiten. Darüber hinaus umfasst er Praxisbeispiele und Ergebnisse verschiedener Beteiligungsprozesse, die die Berichterstellung flankiert haben. An zentralen Stellen werden auch mögliche corona-bedingte Langzeitfolgen für Kinder und Jugendliche erörtert.
Der Bericht dient zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Problem der Kinderarmut und richtet sich auch an Fachleute, vor allem in den Bereichen Bildung, Betreuung und Gesundheit. Er wurde von der FamilienForschung im Statistischen Landesamt zusammen mit dem Sozialministerium erstellt.